Harburg . Bei Gluthitze bis 48 Grad in der Sonne pflastern Steinsetzer den Platz. Wie das geht und was gegen die Temperaturen hilft.

Brennend heißer Wüstensand – der Gedanke an die Textzeile aus Freddy Quinns Schlager „Heimweh“ liegt nahe, wenn man in diesen Tagen die schwitzenden Arbeiter auf Harburgs prominentester Baustelle beobachtet. Am Sand schuften täglich sechs bis zehn braun gebrannte Männer in der Gluthitze – von morgens bis abends. Es sind Steinsetzer. Sie kommen aus Schwerin, einige von ihnen aus Polen. Fern der Heimat setzen sie Harburgs neues Pflaster im Fischgrätmuster in den brennend heißen Sand. Von Hand. Akkurat, hochkant, einen Stein neben den anderen.

Es knirscht zwischen den Zähnen

Ohrenbetäubendes Sirren der wassergekühlten Steinsägen ist ihr ständiger Begleiter. Feiner Staub setzt sich in ihre schweißnasse Arbeitskleidung. Die winzigen Kristalle finden ihren Weg. Überallhin. Es knirscht zwischen den Zähnen. Auf dem Platz herrschen Temperaturen wie in einem Glutofen. Die Sonne brennt erbarmungslos. Die Luft flirrt. Das frisch verlegte Pflaster, auf dem sich die Männer bewegen, verschmilzt zu einem einzigen, riesigen Raclette-Stein.

Passanten beobachten das rege Treiben der Steinsetzer aus sicherer Entfernung. „Das ist Harburgs härtester Job“, bringt es ein Büroangestellter auf den Punkt, der im Schutze der schattigen Galerie vor Edeka Mittagspause macht.

Maßarbeit: Mateusz Zocharski (l.) und Pjotr Trzlinski setzen Steine.
Maßarbeit: Mateusz Zocharski (l.) und Pjotr Trzlinski setzen Steine. © Jörg Riefenstahl | Jörg Riefenstahl

Jeder einzelne Stein wiegt 3,7 Kilo

Unten auf der Fläche schnappt sich Steinsetzer Jarek Zabulski (40) aus Thorn einen Klinker nach dem anderen. Scheinbar mühelos passt er die doppelt gebrannten rotbraunen Brocken, von denen jeder Einzelne 3,7 Kilogramm auf die Waage bringt, exakt in das Muster ein. Mit der Stahlschiene fixiert er die Fugenkante, mit dem Metallwinkel wird die Ausrichtung kontrolliert. „Waage, Gefälle, Winkel, Fuge, Farbe. Es sind diese fünf Dinge, die es zu beachten gilt“, sagt der Handwerker. Auch der Unterbau muss stimmen. „Gut verdichtet und eben muss er sein. Damit alles passt. Der Teufel steckt bekanntlich im Detail.“ Jarek schaut sich jeden Stein genau an, bevor er ihn in die feine graue Kieselschicht stellt. „Das Wechselspiel von hellen und dunklen Steinen muss fein ausbalanciert sein. Damit es zum Schluss wirklich gut aussieht.“

„Ich mache den Hut nass. Das kühlt meine Schläfen“

Um bei der irrsinnigen Hitze kühlen Kopf zu bewahren, trägt er leichte Baumwollkleidung und einen beigefarbenen Hut. Sein Rezept gegen die Rekordhitze: „Ich mache den Hut nass. Das Wasser verdunstet. Es kühlt meine Schläfen. Aber es muss ein heller Hut sein. Aus Baumwolle. Sonst funktioniert es nicht“, verrät der Steinsetzer. An Tagen wie diesen rinnen locker drei, vier Liter Mineralwasser durch die Kehlen jedes Arbeiters. „Viel trinken hilft“, sagt Jarek, als ein Kollege einen kräftigen Schluck aus einer der Plastikpullen saugt, die überall auf der Baustelle herumstehen.

Harburgs härteste Jungs pflastern den Sand: Das Thermometer zeigte auf dem Sand gestern Nachmittag 48 Grad. 
Harburgs härteste Jungs pflastern den Sand: Das Thermometer zeigte auf dem Sand gestern Nachmittag 48 Grad.  © Jörg Riefenstahl | Jörg Riefenstahl

„Viel Trinken ist die Lösung“

Mühelos durchtrennt das Diamantsägeblatt mit einem hohen Pfeifton einen der tönernen Steine im 45-Grad-Winkel. Steinsetzer Pjotr Gruchala (30) aus Stettin mit Gehörschutz und Schutzbrille hat die Sache fest im Blick. Die abgeschrägten Steine braucht Pjotr für den Randabschluss des Musters. Mal einen Moment in den Schatten setzen? „Das funktioniert nicht“, sagt der junge Mann. „Viel Trinken ist die Lösung. Kappe tragen und Sonnenmilch auf die Haut.“

Gute Planung ist auch auf dieser Baustelle das A und O. „Wir haben bisher rund 400 Quadratmeter verlegt. Am Ende werden es zusammen mit der Höler-twiete 2500 Quadratmeter sein“, sagt Nils Neben (43), Geschäftsführer der in Schwerin ansässigen Firma Schmidt und Neben, die den Auftrag hat, das Pflaster in der Harburger Innenstadt zu verlegen. Bis Oktober soll alles fertig sein. „Wir sind gut in der Zeit“, sagt der Straßenbaumeister. Ihm macht so schnell keiner was vor. „Ich habe vor vielen Jahren Rotklinker in der Fußgängerzone am Phoenix Center gesetzt“, sagt der gelernte Steinsetzer.

50 Grad in der Kabine des Baggerführers

Zuerst wurde am Sand der Asphalt abgetragen, der Boden metertief ausgekoffert. Neue Versorgungsleitungen und eine neue Kanalisation wurden im Erdreich verlegt – mit zwei Rinnen mit Straßenabläufen „Das Gefälle beträgt 2,5 bis drei Prozent. Damit die Fläche trocken bleibt“, sagt Neben. Früher hatten die Marktbeschicker bei Regen öfters Probleme mit Pfützen. „Das passiert in Zukunft nicht mehr“, verspricht Neben.

Baggerfahrer Ralf Günther (52) aus Schwerin quält sich aus dem Führerhaus. Wenn die Klimaanlage aus ist, wird es in der Kabine schnell mal 40 bis 50 Grad heiß. „Ich schaffe Nachschub für die Jungs herbei und den Steinbruch weg“, sagt der Mann aus Schwerin. Was hilft gegen Hitze? „Kurze Hose, leichte Kleidung und Wasser, Wasser, Wasser. Edeka ist nicht weit. Wenn es ganz schlimm wird, kühlen wir uns am Hydranten.“

Rückfahrt mit den Firmenbullys nach Schwerin

Um 7 Uhr haben die Steinsetzer begonnen, um 16 Uhr machen sie Schluss. Die Rückfahrt mit den Firmenbullys nach Schwerin dauert anderthalb Stunden. Morgen geht es weiter. Es soll noch heißer werden. Dann fangen Harburgs härteste Jungs möglicherweise schon um 6 Uhr an.