Harburg. Der Süden der Stadt kann zum Vorreiter bei der Digitalisierung werden. Was HWWI-Chef Professor Henning Vöpel rät.

Der Bezirk Harburg hat die Chance, als Quartier unabhängig von der Entwicklung in der Hansestadt Hamburg von der Digitalisierung zu profitieren. Diese Auffassung vertritt der Direktor und Geschäftsführer des Hamburgischen WeltWirtschaftsinstituts, Henning Vöpel. „Wichtig sind Kooperationen im Einzelhandel, bei Gaststätten oder von Handwerksfirmen, die im Netz ebensogut zu finden sind wie die großen Anbieter“, sagte Vöpel dem Abendblatt. Der Volkswirtschafts-Professor war Gast der Monatsversammlung des Wirtschaftsverein für den Hamburger Süden.

Gerade lokale Firmen profitierten davon, dass sie vor Ort bekannt seien, ihnen mehr Vertrauen geschenkt werde und dass sie mit nachhaltigen Lieferketten werben könnten. Als Beispiel für zusätzliche Angebote, die online vermarktet werden könnten, nannte Vöpel die Annahme von Paketen in Gaststätten, die außerhalb von Stoßzeiten damit ihre Räume besser nutzen könnten.

Digitaler Sprung über die Elbe von Süden nach Norden

„Es ist nicht sinnvoll darauf zu warten, dass sich solche Aktivitäten in der Hamburger Innenstadt entwickeln und dann nach Harburg ausgedehnt werden. Vielmehr könnte der digitale Sprung über die Elbe umgekehrt von Süden aus erfolgen.“ Für Harburg gelte ohnehin eine „gefühlte Autonomie“ zur Stadt nördlich der Elbe. „Das kann helfen.“

Der Volkswirtschaftsprofessor verweist auf die Technischen Universität in Harburg sowie die Start-ups im Hit-Technopark, der von Wolfram und Christoph Birkel geleitet wird. „Vor Ort gibt es ausreichend Fachwissen und Fachleute, um solche Kooperationen aufzubauen. Die Technologie ist ohnehin vorhanden.“ Mit einer autonomen Strategie könnten Firmen im Bezirk auch gegen die großen Versender im Wettbewerb bestehen. Mit ihnen könnte das Quartier seinen eigenen, lokalen Charakter festigen.

Bezirkspolitik und Bezirksämter sollen Mittelständler an einen Tisch bringen

Bislang seien solche Zusammenschlüsse und Kooperationen für das Netz allerdings noch oft am Konkurrenzdenken von Firmen untereinander gescheitert. Bei diesem Thema sieht Vöpel eine Aufgabe für die Bezirkspolitik und die Bezirksämter. Sie könnten Mittelständler an einen Tisch bringen, Konzepte anregen und schauen, welche Möglichkeiten sich anbieten. „Die Wirtschaft und die Städte stehen vor dem größten technologischen Umbruch und den größten gesellschaftlichen Veränderungen seit 200 Jahren. Es gibt auch auf lokaler und regionaler Ebene keinen Grund, die Chancen durch die Digitalisierung noch länger ungenutzt zu lassen.“

Wirtschaftsverein vertritt 270 Unternehmen im Süden Hamburgs

Henning Vöpel (46) lehrt seit 2010 als Professor für Volkswirtschaftslehre an der HSBA Hamburg School of Business Administration. Er befasst sich vor allem mit den Themen Globalisierung und Digitalisierung auf nationalen und internationalen Konferenzen. Seit 2014 ist Vöpel Chef des HWWI und damit Nachfolger von Professor Thomas Straubhaar.

Der 1947 gegründete Wirtschaftsverein für den Hamburger Süden vertritt mehr als 270 Mitgliedsunternehmen mit rund 40.000 Beschäftigten.