Harburg. Museumsverein vergibt Denkmal-Auszeichnung an den Betreiberverein. Heute gibt’s dort Kultur statt Pferdewurst.
Es gibt viele Geschichten zu diesem windschiefen, kleinen Kiosk mitten im Harburger Binnenhafen. Eine davon ist die Sache mit der alten Schiffsbrücke eines Kutters, die hier verbaut sein soll. Vermutlich ist das zwar nur eine Legende, wenn auch eine sehr schöne, die wunderbar dazu passt, wie es beim heutigen Betreiberverein heißt. Der erhält diese, immerhin seit 1876 existierende ehemalige „Trinkhalle“, seit wenigen Jahren als einen der wohl kleinsten Kulturorte Hamburgs. Und dafür wurden der Verein und sein „Kulturkiosk“ nun vom Harburger Museumsverein mit dem Denkmalpreis 2019 ausgezeichnet. „Der Kiosk ist einfach eine Harburgensie, an die viele Harburger Erinnerungen knüpfen“, sagte bei der Preisübergabe vor Ort am Donnerstag der Vorsitzende des Museumsvereins, Peter Hornberger. Zudem zähle der Kiosk zu den ältesten seiner Art in Hamburg. Ein „schrulliges Kleinod“ , das in der Mischung aus moderner Architektur und historischen Gebäuden des Binnenhafens hier den besonderen Charme präge, wie Hornberger weiter sagte.
Tatsächlich ist der Kiosk vielleicht keine alte Schiffsbrücke, dafür aber ein Beispiel der früheren Arbeiterkultur in Harburg. An Industriestandorten wie hier standen früher „an jeder Ecke“ solche Trinkhallen, sagte Rainer-Maria Weiß, Direktor des Archäologischen Museums Hamburg und Stadtmuseums Harburg. Solche Trinkhallen ersetzten den Arbeitern früher quasi den Frühstückstisch und die Werkskantine zugleich. Noch heute sind daher in Harburg viele solcher ehemaligen Trinkhallen zu finden, die als „Kiosk um die Ecke“ fester Bestandteil von Nachbarschaften sind.
Und auch der Kiosk in der Blohmstraße hatte für den Binnenhafen rund 140 Jahre eine solche Funktion. Er lag an der zentralen Ecke zum Anlegeplatz für Dampfschiffe. Hafenarbeiter versorgten sich hier mit ihrem Frühstück, gleich nebenan befand sich früher der „Stall“, eine Arbeitsvermittlung für den Hafen.
2015 musste der letzte Kiosk-Betreiber aufgeben
Später kamen Lkw-Fahrer und auch Binnenschiffer. Bekannt war der Kiosk die letzten Jahre für seine großen Bockwürstchen: die „Hafenlümmel“. Auch eine der besten Pferdewürste der Gegend konnte man hier kaufen, erinnern sich noch heute viele.
Der letzte Betreiber nahm jeden Morgen Punkt 4 Uhr die schweren Metallplatten von der Verkaufsfront, dann ging’s schon los. Brötchen wurden geschmiert, die ersten Würstchen kamen ins heiße Wasser: Hafenlümmel für 2,40 Euro das Stück, Pferdewurst kostet zuletzt 2,50. Im Laufe der Jahre erlebte die ehemalige Arbeiter-Trinkhalle dann den Wandel des Industriehafens in ein neues Hightech-Quartier, in dem immer mehr Büros und Wohnungen alte Fabriken ersetzten.
Doch auch Ingenieure mögen mal eine Bockwurst – was dem Kiosk dann doch noch weitere Kundschaft bescherte, wenn auch nicht mehr so viel. 2015 jedoch war Schluss, auch diese Ecke des Binnenhafens geriet ins Blickfeld der Planer, zur Zeit baut das Fraunhofer-Center für Maritime Logistik und Dienstleistungen CML dort nebenan ein 2400-Quadratmeter großes Gebäude direkt am Wasser. Doch Binnenhafenfreunde und Harburger Kulturschaffende setzten sich für einen Erhalt des alten Kiosks ein und gründeten dazu einen eigenen Verein. Eine Idee, die schließlich in Harburgs Politik und Verwaltung Unterstützer fand. Das nur 30 Quadratmeter große Kiosk-Grundstück wurde daher aus dem neuen Bebauungsplan herausgenommen und zu einem eigenem Flurstück ausgewiesen – vermutlich zu dem kleinsten Hamburgs.
Statt Pferdewurst gibt es dort nun Kultur. Der Kiosk-Verein organisierte beispielsweise schon einmal skurrile Lesungen, wobei der Autor aus dem Verkaufsfenster heraus zu wenigen Zuhörern auf dem Bürgersteig sprach. Mini-Konzerte im Kiosk gab es auch schon und immer einmal wieder auch Ausstellungen. Vieles sei denkbar, nur einen Partykiosk können man daraus nicht machen, sagt Vereinsmitglied Werner Pfeifer: „Künstler können sich bei uns bewerben, dann stellen wir den Kiosk dafür zur Verfügung.“
Denkmalpreis
Mit dem zum fünften Mal verliehenen Denkmalpreis sollen wichtige und stadtgeschichtlich bedeutsame Denkmäler einer breiten Öffentlichkeit bekannt gemacht werden, heißt es beim Harburger Museumsverein. Der Preis ist zwar nicht dotiert, es gibt aber eine auffällige blaue Plakette, die diese Würdigung auch sichtbar machen soll: Im vergangenen Jahr wurde beispielsweise die Neugestaltung des Eingangs zum Harburger Stadtpark ausgezeichnet. Auch die ehemalige Fischhalle bekam schon einen Preis: Sie liegt im Binnenhafen gleich neben dem diesmal ausgezeichneten Kiosk und wurde 1908 zur Hafenarbeiter-Vermittlung umgebaut.