Harburg . Die erhoffte „Velo-Offensive“ für Harburg lässt seit Jahren auf sich warten. ADFC fordert Antworten.

Eines der Dauerthemen der letzten Amtsperiode der Harburger Bezirksversammlung war der Fahrradverkehr. Es verging kaum ein Monat in dem nicht im Hauptgremium oder in den Fachausschüssen über Velorouten, Fahrradstationen, Radwege oder Fahrradstraßen gesprochen wurde. Weil die Zahl der Auto-Anmeldungen in Hamburg immer noch steigt, der Straßenraum hingegen endlich ist, besteht über fast alle Parteien hinweg der Wunsch, mehr Verkehr auf Verkehrsmittel wie das Fahrrad umzulenken. Allerdings scheint es auch noch große Beharrungskräfte zu geben, wie Frank Schmoll vom Allgemeinen Deutschen Fahrradclub (ADFC) in Harburg feststellt.

Er hat einen Fragenkatalog an alle Parteien geschickt, die derzeit in der Harburger Bezirksversammlung vertreten sind. Bis auf CDU und AfD haben alle geantwortet. Schmoll steht am Eingang des Fußgänger- und Fahrradtunnels zum Binnenhafen. Hier, an der Neuen Straße, befindet sich eine der größten Konfliktzonen zwischen Radfahrern und Fußgängern in Harburg. „Wegen des Kopfsteinpflasters im unteren Teil der Neuen Straße weichen viele Radfahrer hier auf den Fußweg aus“, sagt Schmoll. „Das ist zwar nicht erlaubt, aber über das Pflaster zu fahren, ist regelrecht gefährlich. Die Fugen sind teilweise so breit und tief, dass der Reifen stecken bleiben kann.“ Die meisten Parteien, die antworteten, sagten zur Neuen Straße, dass sie das historische Pflaster erhalten wollen und es deshalb keine Möglichkeit gäbe, auf der Fahrbahn Radspuren einzurichten. SPD und Grüne schlagen Umwege über den Schlossmühlendamm vor, die Linken über den Wallgraben. Die FDP rät zum Schieben des Rades. Lediglich die Neuen Liberalen könnten sich vorstellen, die Neue Straße in Teilen umzubauen. Die Grünen schlagen vor, einen Teil des Pflasters umzugestalten. Das schwebt auch dem ADFC vor: „So genanntes gesägtes Pflaster, wie es dies auch im Innenhof des Harburger Rathauses gibt, ist für Fahrräder gut benutzbar“, sagt Schmoll, „Umwege macht kein Radfahrer. Das ist ein unrealistischer Ansatz.“ Das Bezirksamt hat bereits einmal versucht, das Pflaster anzuschleifen, was aber laut Schmoll keine Verbesserung brachte. So historisch ist das Pflaster in der Neuen Straße übrigens gar nicht: Die Straße wurde um die Jahrtausendwende aus Lärmschutzgründen neu gepflastert. Was Schmoll ärgert, ist die Position der SPD – in der er selbst Mitglied ist: „Es gibt Beschlüsse der Partei, die Neue Straße mit gesägtem Pflaster gestalten zu lassen, aber die Fraktion ignoriert das und schlägt den Umweg über den Schlossmühlendamm vor!“

Sorgenkind Winsener Straße

Ein zweites Sorgenkind des Radverkehrs ist der untere Teil der Winsener Straße. 30.000 Kraftfahrzeuge verkehren hier täglich und die Nebenflächen sind zu schmal für Radwege. Auch hier fragte der ADFC die Parteien nach Lösungsansätzen. Grüne und Neue Liberale sind grundsätzlich für eine Verengung der Straße auf eine Fahrspur je Richtung, bei den Grünen kombiniert mit ganztägiger Tempo-30-Anordnung.

Auch in der SPD hat diese Idee Freunde, aber die Fraktion ist vorsichtig: „Die Verkehrslage hier ist so komplex, dass wir als Lokalpolitiker nicht ohne Weiteres Lösungsvorschläge machen können“, schreibt Fraktionschef Jürgen Heimath. „Das müssen Experten planen. Linke und FDP können sich Radverkehr auf der Winsener Straße nicht vorstellen und schlagen Umwege vor, die Linke durch den Stadtpark, die FDP über den Reeseberg.

FDP will Wege ins Umland ausbauen lassen

Der ADFC fragte auch nach der Position der Parteien zu Tempo-30-Zonen. Grüne und Neue Liberale wollen diese grundsätzlich stark ausbauen. Auch die SPD ist für mehr 30er-Zonen, allerdings nicht dort, wo es den Busverkehr beeinträchtigt. Die FDP lehnt Tempo 30 auf Hauptverkehrsstraßen – fast überall woanders gilt es bereits – grundsätzlich ab. Einig sind sich alle antwortenden Parteien darin, dass auch über die landesweiten Velorouten hinaus ein bezirkliches Veloroutennetz und Radschnellwege ins Umland ausgebaut werden muss und halten das vorliegende Bezirks-Veloroutenkonzept aus dem Jahr 2009 für überholt. Die FDP möchte die Wege ins Umland ausbauen und befürwortet die bereits beschlossene Fahrradstraße durch das Göhlbachtal. Die Neuen Liberalen fordern als Sofortmaßnahme die Ausbesserung von Straßenschäden, damit auch außerhalb der Routen die Straßen für Radfahrer gefahrlos nutzbar sind. Die Grünen fordern ein Veloroutennetz, das Wohnquartiere und Bahnhöfe gut miteinander verbindet. Die SPD möchte auch hier Experten planen lassen.

Frank Schmoll sieht die Antworten mit gemischten Gefühlen: „Am meisten ärgert mich, dass zwei Parteien, die CDU und die AfD es nicht einmal für nötig hielten, zu antworten“, sagt er. „Die anderen haben sich zum Teil klar pro Fahrrad, zum Teil klar pro Auto positioniert. In vielen Fragen flüchten sie sich aber auch ins Ungefähre. Das bringt keinen Fortschritt!“

Umwege macht kein Radfahrer. Das ist einunrealistischer Ansatz
Frank Schmoll, ADFC