Hamburg. Bürgermeister Tschentscher gibt Startschuss für die 6,2 Millionen Euro teure Imagekampagne „Fahr ein schöneres Hamburg“.

Die Verkehrswende in Hamburg ist jung, cool und schwer angesagt. Da trägt der Rapper Nico Suave sein rostbraunes Herrenrad aus einem graffiti-verschmierten Treppenhaus und reimt: „Ich stell mir gar nicht mehr die Frage, ob mein Auto angeht, denn was mein Auto angeht, das verkaufe ich eh.“ Schwingt sich in den Sattel und radelt durchs hippe Hamburg.

Chefboss-Sängerin Alice Martin rappt mit ihrer knapp bekleideten, sehr blonden Partnerin vor Landungsbrückenkulisse: „Auf heißen Pedalen über Asphalt und Teer, Gegen den Wind und der Sonne hinterher, An Backstein und Glasfassaden vorbei, Fühl ich Hamburg zwischen den Zeilen.“ Liedermacherin Cäthe sitzt an der Elbe, das Rad neben sich im Sand und trällert: „Deine scharfe Silhouette, die ist ein Meisterwerk. Hamburg, Baby, mit dir roll ich. Yeah.“ Und schließlich alle zusammen, „Tonbandgerät“-Sänger Ole Specht gibt den Ton an: „Wir fahren einfach hin und her. Alles leicht und nicht so schwer. Solange mich mein Fahrrad fährt. Fahren wir von Hamburg bis zum Meer.“

Senat will die Hamburger für das Radfahren begeistern

„Von Hamburg bis zum Meer“ – das ist auch der Titel des Songs, der im Zentrum der neuen, millionenschweren Imagekampagne „Fahr ein schöneres Hamburg“ steht, mit der der Senat die Hamburger noch stärker für das Radfahren begeistern will. Oder in den Worten der Marketingstrategen: „,Von Hamburg bis zum Meer’ ist ein Song, der ins Ohr und vor allem ins Herz geht und mit seinem besonderen Beat dazu einlädt, sich auf den Sattel zu schwingen und im Takt in die Pedale zu treten.“

Das aufwändig produzierte Musikvideo wird von einer Plakat-Kampagne mit drei Motiven zum Thema „Fahr ein schöneres Hamburg“ sowie der neuen Website fahrrad.hamburg ergänzt. Die angeblich „schnellste Radseite im deutschen Netz“, so Hamburg Marketing, bietet viele Informationen zu den Radwegen, zur Sicherung von Rädern, zum Ausbau der 14 Velorouten und zum Leihradsystem Stadtrad sowie einen Magazinteil mit Ausflugstipps, der „dazu einladen soll, die Stadt auf dem Rad zu entdecken“.

Ein Musikvideo, Großplakate und eine neue Homepage

Die von der Hamburger Werbeagentur Jung van Matt konzipierte Kampagne ist auf drei Jahre angelegt und wird noch weitere Aktionen beinhalten. „Das ist heute noch nicht der Höhepunkt“, versprach ein Insider. Die Stadt lässt sich die Kampagne 6,2 Millionen Euro kosten – das alles dient dem Ziel der rot-grünen Koalition, den Radverkehrsanteil in Hamburg von derzeit 17 auf rund 25 Prozent in den 20er-Jahren zu steigern.

Den Startschuss gab Bürgermeister Peter Tschentscher (SPD) am Dienstagnachmittag standesgemäß mit einer Radtour – bei blauem Himmel ging es vom Rathaus zum Spielbudenplatz, wo das Video „Von Hamburg bis zum Meer“ auf der Fassade des Klubhaus’ erstmals öffentlich gezeigt wurde. „Radverkehr ist eine ernsthafte Alternative“, dafür solle die Kampagne „das Bewusstsein schärfen“, sagte Tschentscher, bevor er sich auf ein rotes Stadtrad schwang und den Tross anführte, der in Polizeibegleitung Richtung St. Pauli fuhr. Als er noch als Arzt am UKE gearbeitet habe, sei er oft mit dem Rad zum Dienst gefahren, berichtete der Bürgermeister. „Man kommt viel entspannter an. Da war schon der Weg zur Arbeit eine Freude.“ Tschentscher vertritt schon länger die Grundhaltung: „Alle, die vom Auto auf Bus, Bahn oder Rad umsteigen, helfen uns – denn sie machen Platz für diejenigen, die noch Auto fahren müssen.“

„Radfahren hat für mich einen Zauber, den ich teilen möchte“

Auch Umweltsenator Jens Kerstan (Grüne) nahm an der kleinen Radtour teil: „Wir wollen, dass das Fahrrad eine größere Rolle spielt, weil es ein gesundes Fortbewegungsmittel ist, weil es für Lebensqualität in der Stadt sorgt und weil man damit viele Verkehrsprobleme vermeiden kann“, sagte er dem Abendblatt. „Wir haben für die Fahrradstadt schon viel getan, man kann an vielen Stellen schon besser radfahren als noch vor wenigen Jahren“, so Kerstan. „Und darum wollen wir dafür auch die Werbetrommel rühren.“ Auch ihm gehe es um einen „Bewusstseinswandel“.

Die städtische Radverkehrskoordinatorin Kirsten Pfaue befand: „Die vielen Radfahrerinnen und Radfahrer verändern Hamburg positiv.“ Damit sich dieser Trend fortsetzt, investiere die Stadt stark in ein modernes Radwegenetz und biete hochwertige Services an. „Dies begleiten wir mit der Website fahrrad.hamburg“, so Pfaue, die auch eine persönliches Liebeserklärung an die Fortbewegung auf zwei Rädern abgab: „Radfahren hat für mich einen Zauber, den ich teilen möchte. Das Surren der Kette, Wind in den Haaren und manchmal ein Lächeln unterwegs – für das Leben in Hamburg.“

CDU spricht von „PR-Show des Senats“

Michael Otremba, Geschäftsführer der Hamburg Marketing GmbH, sagte: „Hamburg steht für eine hohe Lebensqualität. Auf dem Rad in der Stadt unterwegs zu sein bedeutet, diese Lebensqualität und die Atmosphäre unmittelbar erleben und dazu beitragen zu können.“ Daher habe man sich für die Kernaussage „Fahr ein schöneres Hamburg!“ entschieden, so Otremba.

CDU-Verkehrsexperte Dennis Thering war weniger euphorisch: „Was für ein Spektakel. Sechs Millionen Euro für eine Werbekampagne! Wir hätten uns gefreut, wenn das Geld sinnvoll für die Verbesserung des Radverkehrs eingesetzt worden wäre.“ Thering hat errechnet, was man mit dem Geld auch hätte machen können: „24 Kilometer Standardradweg, zwölf Kilometer Radschnellwege oder 200 neue Stadtradstationen mit 5000 Leihrädern: All diese Projekte würden den Radfahrern mehr helfen als die PR-Show des Senats!“