Buchholz. Alexandra Miemczyk und ihre Familie brauchen nur sechs Gelbe Säcke im Jahr. Sie ist umgestiegen und berät andere, wie es geht.

Eine Nudelpackung aus Papier, Füllmenge 500 Gramm. Das ist der Müllbeutel von Familie Miemczyk. Er reicht für eine ganze Woche. Meist sogar länger, weil die vierköpfige Familie so gut wie keinen Restmüll produziert. Bei Plastikmüll kommt sie auf sechs gelbe Säcke pro Jahr. Das ist in etwa so viel, wie ein gewöhnlicher Vier-Personen-Haushalt in einem Monat produziert. Dabei führen die Miemczyks ein ganz normales Leben. Sie sind keine Selbstversorger. Kaufen im Supermarkt ein. Und verzichten auf nichts – außer auf Plastik, da wo es eben geht. Und weil das laut Alex Miemczyk „ganz einfach ist“, gibt sie ihre Ideen und Erfahrungen an andere weiter. Sie hält Vorträge, organisiert einen monatlichen Stammtisch, verschickt regelmäßig einen Newsletter und informiert über Instagram. Über 2000 Follower hat sie inzwischen und es werden von Woche zu Woche mehr.

Plastikfrei: Im Kühlschrank von Alexandra Miemczyk gibt es weder Joghurtbecher noch Tetrapacks. 
Plastikfrei: Im Kühlschrank von Alexandra Miemczyk gibt es weder Joghurtbecher noch Tetrapacks.  © HA | Susan Schaper

Es geht vor allem darum, bewusst einzukaufen

Schließlich gibt es eine ganze Menge zu erfahren über das Leben ohne Plastikmüll und welche Möglichkeiten es überhaupt für den Verbraucher gibt. Dabei geht es der 40-Jährigen vor allem darum, Alternativen zu entwickeln, die jeder ohne großen Aufwand in sein Leben integrieren kann. „Ich schaue, was man schlau ersetzen kann“, sagt sie. „Keiner von uns soll verzichten. Vielmehr geht es darum, zu ersetzen und bewusst einzukaufen.“ Und dann legt sie los: „Sahne, Joghurt, Milch und Quark gibt es in Pfandgläsern, Butter in Pergamentpapier und Frischkäse lässt sich ganz einfach selbst machen. Naturjoghurt und eine Prise Salz in ein Passiertuch geben, 24 Stunden über ein Gefäß in den Kühlschrank hängen, abtropfen lassen. Fertig.“ Allein das spare bei zwei Packungen Frischkäse, die die Familie bislang verbraucht habe, 104 Plastikverpackungen im Jahr. „Sie würden gemeinsam einen Turm von drei Metern Höhe ergeben“, wie ihr Sohn ausgerechnet hat.

Sie bringt ihre eigenen Gefäße mit an die Frischetheke

Die Idee mit dem selbst gemachten Frischkäse ist nur eine von vielen, die die zweifache Mutter im Laufe der vergangenen drei Jahre aufgespürt hat. Ausschlaggebend für die Entscheidung, bewusst Plastikmüll zu reduzieren, war ein ganz normales Abendbrot im Sommer 2016. „Ich hatte eine Packung mit fünf Scheiben Käse gekauft“, erinnert sie sich. „Am Ende war der Käse weg, die Verpackung blieb.“ Zuviel Müll für eine Mahlzeit, das wurde ihr in diesem Moment klar. „Hinzu kam, dass wir immer mehr gelbe Säcke lagern mussten. Wir hätten den Platz dafür erweitern müssen – oder eben den Müll reduzieren.“

Die Familie entschied sich für letzteres. Das war der Anfang. Seitdem hat die Familie ihren Verbrauch umgestellt. Schritt für Schritt. Obst und Gemüse gibt es von der Solidarischen Landwirtschaft oder sie werden lose eingekauft oder in mitgebrachten Baumwollsäckchen transportiert. Für Wurst, Käse, Fisch, Antipasti und Brotaufstriche und Fleisch bringt sie eigene Gefäße mit an die Frischetheke. Statt Flüssigseife gibt es ein Seifenstück, statt Plastikflaschen Wasser aus der Leitung.

Auch ihre Reinigungsmittel macht Alexandra Miemczyk selbst.
Auch ihre Reinigungsmittel macht Alexandra Miemczyk selbst. © HA | Susan Schaper

Auch die Waschmittel werden selber gemacht

Die Wäsche macht sie mit Efeu oder selbstgemachtem Waschmittel aus Kernseife und Waschsoda. Als Badreiniger dient eine Mischung aus Essig, Zitronensäure und Wasser. Der WC-Reiniger besteht aus Zitronensäure und Waschsoda, der Allzweckreiniger aus Kernseife. Sogar ihre Hautcreme macht sie selbst. „Bienchen-Creme“ nennt die Familie die Lieblingscreme, die von allen für Hände, Lippen, Körper, Gesicht und Füße genutzt wird. Sie besteht aus Bienenwachs, Olivenöl und Honig.

Das Rezept dazu hat Alexandra Miemczyk auf ihrer Instagram-Seite gepostet, auf der sie ihre Idee und Erfahrung mit Interessierten teilt. Zum Beispiel, dass es ganz einfach ist, wiederverwertbare Abschminkpads aus Baumwolle selbst zu nähen, anstatt in Plastik verpackte Wegwerfpads in der Drogerie zu kaufen. Oder dass eine Aloevera-Pflanze im Badezimmer mit stets nachwachsenden Blättern für täglich frische Fältchencreme sorgt. Auch zur Zahnpasta aus der Tube hat sie eine Alternative gefunden: Zahnputztabletten in Papiertütchen, die es in der Drogerie gibt, ebenso wie Nudeln in Papiertüten und Deo, verpackt in Papertubes aus recyceltem Altpapier. Nüsse, Rosinen, Kokosmilch, Pfeffer, Süßigkeiten, Kaugummi und sogar unverpackte Schokohasen holt sie zum Teil im Reformhaus, auf dem Wochenmarkt oder in einem der Unverpacktläden, von denen es aktuell drei in Hamburg gibt.

Deo gibt’s in Papertubes, Kaugummis unverpackt

„Andere träumen von Handtaschen, mich macht meine übersichtliche Vorratshaltung in Gläsern glücklich“, sagt sie. Minimalismus, statt chaotische Tütenwirtschaft prägt ihre Schubladen. Für Alex Miemczyk bedeutet das Erleichterung. „Es ist ein Irrtum, wenn die Leute glauben, es sei schwierig, seinen Plastikmüll zu reduzieren“, sagt sie. „Und auch das gängige Vorurteil, das Leben werde dadurch teurer, kann ich nicht bestätigen. Wer plastikfrei wirtschaftet, kauft bewusster ein, wirft weniger Lebensmittel weg und spart letztendlich sogar.“

Vorträge mit Unterstützung von Greenpeace

Inzwischen wird die Buchholzerin, die in Polen auf einem Selbstversorgerhof aufgewachsen ist und als Projektmanagerin in einem Hamburger Verlagshaus arbeitet, immer häufiger auch für Vorträge gebucht. Vorträge, bei denen sie mit fachlicher Unterstützung der Greenpeace-Ortsgruppe Buchholz den Menschen sehr deutlich schildert, was der Plastikmüll mit unserer Umwelt macht. „Massenhafte Plastikverpackungen gibt es erst seit den 1950er-Jahren. Das ist ein Menschenleben! In dieser kurzen Zeit haben wir es geschafft, unsere Erde komplett zu vermüllen“, sagt sie. „Die Meere sind voller Mikroplastik. Und selbst, wenn wir jetzt radikal unser Verhalten umstellen, wird das Problem nicht mal eben schnell gelöst sein.“ Neulich las sie in der Frankfurter Rundschau, dass in Deutschland gerade einmal 17 Prozent der verarbeitenden Kunststoffe recycelt werden. „Das ist doch irre“, sagt Alexandra Miemczyk.

Sie weiß, dass sie mit ihren Ideen nicht die Welt retten kann. Sie weiß aber auch, dass jeder noch so kleine Schritt in die richtige Richtung hilft, und jede kleine Veränderung wichtig ist. „Ich will die Menschen nicht bekehren, aber ich möchte sie anregen, über ihren Plastikkonsum nachzudenken und vielleicht das ein oder andere zu ändern“, sagt sie. „Wenn viele Menschen ihre Einkaufsgewohnheiten ein kleines bisschen ändern, haben wir gemeinsam schon ganz viel erreicht.“