Winsen. Gemeinsam mit der Bürgermeisterkandidatin diskutierte der Vorsitzende der Grünen über Preise, Elektro-Mobilität und Energiewende.
Elektro-Mobilität, Energiewende, Enteignung – es waren die großen Themen, die Robert Habeck bei seinem Besuch in Winsen am Dienstag mitbrachte. Der Bundesvorsitzende der Grünen hatte im Zuge des Europawahlkampfes in der Kreisstadt Station gemacht. Für seinen öffentlichen Vortrag am Nachmittag drängten sich rund 200 Besucher auf Stühle und Treppenstufen im Marstall.
Dass er die kleineren, unbekannteren Themen ebenso wichtig nimmt, hatte der Politiker zuvor bei einem Spaziergang mit der Bürgermeisterkandidatin Susanne Menge durch Winsen deutlich gemacht. Die Sahnetorten machten Schwierigkeiten, bekam er in der Bäckerei Soetebier zu hören. Wegen der Vorschriften müssten die Torten am Vortag hergestellt und dann über Nacht auf sieben Grad heruntergekühlt werden.
Elektromobilität ist ein Thema für Pendler
„Dabei würden wir viel lieber morgens ganz frisch backen“, sagte Firmenchef Frank Soetebier bei Kaffee und Keksen mit Robert Habeck. Der hörte genau zu, fragte nach und kam zu dem Schluss, dass solche Regularien es handwerklichen Betrieben oft schwer machten. „Sie brauchen politische Begleitung, um da eine Lösung zu finden.“
Von der Bäckerei ging es direkt in die Buchhandlung Decius, wo Filialleiterin Birgit Hausmann den prominenten Besucher zu einem Tisch lotste, auf dem sein eigenes Buch „Wer wir sein könnten“ ausgestellt war. Bereitwillig signierte Habeck mehrere Exemplare für Mitarbeiter und Kunden, tauschte mit den Umstehen Buchempfehlungen aus und ließ sich auf Handyfotos verewigen. Als nächstes stand ein Blick ins Haus der Guttempler an, die ihm das Prinzip ihrer Selbsthilfegruppen erklärten.
Fachsimpeln über den Aalpreis
Auf dem Weg zum Wochenmarkt ließ sich der Grünenpolitiker spontan auf einen Abstecher zum Goldschmied ein, der ihm nicht nur seine Werkstatt zeigten. Habeck musste sich auch selbst am heißen Silber versuchen – mit viel Geduld, jedoch mäßigem Erfolg. „Ein Silberfisch“ befand er nach einem Blick auf das gegossene Ergebnis.
Echte Fische gab es auf dem Markt, wo Habeck sich erkundigte, ob noch genügend Kunden kämen und mit dem Fischhändler über den Aalpreis fachsimpelte. Nebenan plauderte er mit der Gemüseverkäuferin über Arbeitszeiten und schwankende Verkaufszahlen und machte sich dann – mit leichter Verspätung – auf den Weg in den Marstall. Sein kurzer Eindruck von Winsen sei positiv, sagte Habeck. „Ich habe die Erfahrung gemacht, das solche Kleinstädte Erfolg haben, wenn sie sich etwas trauen, ein bisschen um die Ecke denken. Dann entsteht etwas Neues.“ Das könnte der autofreie Marktplatz sein oder kreative Lösungen, um Post und Sparkasse im Ort zu halten. Eine autofreie Innenstadt sei in Zukunft ein Standortvorteil. „Wir müssen die Städte als kulturelle Orte erhalten.“
Im Marstall lobte er die Energie, die er auf seinem kleinen Rundgang erlebt habe. „Wenn Sie sich so einbringen, wie die Leute, die ich gerade getroffen habe, dann ist die Zukunft von Winsen gesichert“, rief Habeck in den Saal.
In einem Plädoyer für die Bedeutung Europas für eine funktionierende Demokratie – immerhin steht am 26. Mai die Wahl zum Europäischen Parlament an – kam er auch auf den Internetkonzern Amazon zu sprechen, der in Winsen ein großes Logistikzentrum gebaut hat. „Warum zahlt Amazon keine Steuern?“ fragte Habeck. „Weil es sich den nationalen Regulierungen entzieht.“ Das kam gut an im Publikum, das auch jeden Verweis auf die Fridays-for-Future-Proteste mit lautem Applaus quittierte.
Winsens Bürger fragten im Marstall
Dann stellte Habeck sich gemeinsam mit Susanne Menge den Fragen der Zuschauer. Mehrere Bürger sprachen die mangelnde Infrastruktur für den Fahrradverkehr an, ebenso fehlende Ladesäulen für Elektroautos. „Ich will die Radwege schöner und als direkte Verbindungen gestalten“, sagte Menge, die ihre Erfahrung als Verkehrspolitikerin hervorhob. Auch der Bahnhof müsse viel stärker als Willkommenstor in die Stadt gesehen werden. Sie wolle dort zum Beispiel ein Fahrradcenter installieren, in dem Bürger ihre Räder nicht nur abstellen, sondern auch reparieren lassen könnten.
Habeck hatte sich zum Thema E-Mobilität bereits am Mittag im Autohaus Wahl informiert. Der Renaulthändler sprach im Gespräch mit dem Politiker ebenfalls die noch überschaubare Menge an Ladesäulen in Winsen an. Man merke, dass E-Autos vor allem bei Pendlern im Kommen seien, sagte Geschäftsführer Michael Wahl. Er ließ Habeck in einem Kleinstmodell Probe sitzen, der durchaus angetan war. Privat habe er aber kein eigenes Auto mehr. „In Berlin brauche ich das nicht und zu Hause in Flensburg teilen wir uns zurzeit zwei Wagen mit Nachbarn und Bekannten.“