Seevetal. Michael Sens macht Rehe und Antilopen, Füchse, Vögel und manchmal auch Hunde zu täuschend echten Schaustücken.
Der Rotfuchs wird keine Beute mehr jagen. Und der Kolkrabe, der ein Kaninchen erlegt hat, ist ebenso mausetot wie sein Opfer. Die Tiere, die in der Werkstatt des Präparators Michael Sens stehen, sehen auf den ersten Blick täuschend lebendig aus. Das zeichne eine gute Arbeit aus, sagt der 56-Jährige, der den Lebensunterhalt für seine vierköpfige Familie mit dem Ausstopfen von heimischen und exotischen Wildtieren verdient.
Wer die Wohnung der Familie Sens in einer schmucken Reihenhaussiedlung in Maschen betritt, ahnt nichts von dem ungewöhnlichen Job des Hausherrn. „In unserer Wohnung gibt es keine toten Tiere, das will meine Frau nicht“, sagt Sens und geht in den Keller. Dort ist sein Reich: die Werkstatt, in der Sens aufbereitete, gegerbte Häute auf Formen zieht und mit viel Fingerspitzengefühl zu Tierpräparaten aufarbeitet. Vertreter der heimischen Fauna oder des afrikanischen Buschs, seltener auch Haustiere, werden hier fachmännisch zu lebensechten Schaustücken hergerichtet.
Die Tierwelt im Maschener Wohnungskeller reicht vom Büffel bis zum Singvogel
Die meisten Tiere präpariert der gelernte Autolackierer im Auftrag von Jägern. Erst die Aufarbeitung von exotischen Tieren habe das Geschäft auf stabile Füße gestellt, sagt er: „Würde ich nur Tiere für heimische Jäger präparieren, hätte ich während der Jagdzeit von Herbst bis Februar viel zu tun. Danach gäbe es aber eine Pause. Frühestens im Mai dürfen die ersten Rehböcke geschossen werden. Dagegen hat der Jagdtourismus in ferne Länder immer Saison.“
So findet sich in Maschen eine bunte Tierwelt ein – vom Leoparden, Antilopen und Büffel aus Afrika über Wölfe aus Kanada bis zum heimischen Goldhähnchen. Der winzige Singvogel war bislang das kleinste Objekt und musste per Pinzette gestaltet werden. Die größten waren die Kopf- und Schultermontage einer Giraffe und ein Braunbär. Wie die Tiere variieren die Preise: Eine präparierte Elster ist für 140 Euro zu haben, ein Rehbock kostet 350, ein kompletter Leopard 3100 Euro
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Wer die Werkstatt betritt, verspürt keinen unangenehmen Geruch und sieht sicherlich nirgends Blut. Denn die Tiere, die Sens erreichen, sind längst ausgenommen, sind nur noch Haut und höchstens noch Knochen. Jäger zogen ihnen das Fell ab (oder überließen dies einem Spezialisten), wuschen und salzten es anschließend zur Trocknung. „Häute, die mich erreichen, sind gewöhnlich bretthart“, sagt Sens. Er reicht sie weiter an einen Gerber in Leipzig, der die Häute einige Wochen bis drei Monate behält. Nur Vögel gerbt Sens selbst. Deren Häute sind sehr dünn und mit einem Gerbstoff zu konservieren, den er mit dem Pinsel auftragen kann. Arbeiten, die Gestank verursachen, etwa das Abkochen der Schädel von gehörnten Tieren, gibt er ebenfalls außer Haus – „das kann ich meinen Nachbarn nicht zumuten“.
Fremdfirmen liefern die passenden Formen für die Körper
Wenn die behaarten Häute inklusive Nasen und Ohren vom Gerber zurückkommen, sind sie feucht und weich. Damit aus ihnen wieder ansehnliche Tiere werden, müssen sie einen Körper bekommen. Kleine Tiere, etwa Vögel stopft Sens selbst aus, ansonsten bestellt er eine passende Form nach den Vorstellungen des Auftraggebers. „Manches muss ich mir zurecht bauen, aber viele Formen sind bei Fachhändlern erhältlich“, sagt der Vater von zwei Söhnen (zehn und 16 Jahre).
So bietet die Firma Hauser zum Beispiel elf verschiedene Formen für Leoparden an: für große, mittelgroße und kleine Exemplare in verschiedenen Posen (liegend, sitzend, stehend, schleichend). Der Fachhandel für Präparatoren hält auch Zubehör bereit, etwa künstliche Gebisse, Glasaugen und Ohrenverstärker, damit die natürlichen Ohrmuscheln nicht schlapp machen.
Zwei Dutzend Tiere in Werkstatt und Vorraum
Die Haut wird auf die Form geklebt, Pfoten und Klauen mit Draht befestigt, Lippen vorübergehend festgetackert. Dellen werden mit Pappformen in die Tierhaut gearbeitet, etwa um Muskelstränge oder Sehnenverläufe anzudeuten. Dann beginnt der Trocknungsprozess. Er dauert je nach Felldicke ein bis vier Wochen. Deshalb sind die Werkstatt und ein Vorraum mit gut zwei Dutzend Tieren ausstaffiert. Die meisten sind auf der Durchreise, einige wenige dagegen selbst erlegt und bleiben. Sens: „Ich habe den Jagdschein gemacht, als das Geschäft noch nicht rund lief. Dadurch habe ich Kontakt zu Jägern bekommen und konnte für mich werben.“
Die meisten seiner Kunden sind Jäger, aber es kommen auch Privatleute. Einige bringen verunglückte Wildtiere (gerade kam ein Fasanenhahn ins Haus), andere ihre verstorbenen Hausgenossen. So wartet ein Mops auf den letzten Schliff, und ein Boxer steht in der Warteschlange. „Inzwischen läuft das Geschäft so gut, dass ich einzelne Aufträge ablehnen muss“, sagt Sens. „Ich mache ein Tier fertig und bekomme zwei neue. Allmählich reichen die Gefriertruhen nicht mehr aus.“ Wer noch nicht dran ist, wird eingefroren. Mit wenigen Ausnahmen: „Den Mops habe ich vorgezogen. Die Leute waren so traurig über seinen Tod, deshalb möchte ich ihn möglichst schnell fertig machen.
Häute ziehen sich beim Trocknen zusammen
Äußerst selten sind Spezialaufträge, etwa zwei präparierte Pferdeköpfe inklusive Halsbereiche für Filmarbeiten. Sens: „Die Präparate wurden auf mechanische Pferdekörper montiert, damit die Schauspieler nicht auf echten Pferden reiten mussten.“ Für den Naturschutzbund habe er einen heulenden Wolf präpariert. Der stammte aus einem Wildpark und musste wegen einer schweren Krankheit eingeschläfert werden. Und derzeit befindet sich eine Waldkauz, der bei Lüneburg tot aufgefunden wurde, in der Trocknungsphase. Der geht an eine Schule in Hannover.
Sind die Präparate getrocknet, bekommen sie den letzten Feinschliff. Die Häute ziehen sich beim Trocknen um einige Millimeter zusammen, was zum Beispiel ein leichtes nachträgliches Augen-Make-up erfordert. „Ganz perfekt werden sie nie, ich sehe immer noch ein paar Haare oder eine Wimper, die querstehen. Aber irgendwann ist auch gut“, sagt der Perfektionist und trennt sich dann von dem Fellträger.