Tostedt. Jäger im Landkreis Harburg fordern mehr Schutz für Wild und Herden. Zu viele Unfälle mit Rehen. Mehr als 500 Waidmänner beim Treffen.
Die Tostedter Schützenhalle: Ausstaffiert mit mehr als 1000 Jagdtrophäen an Stellwänden, besetzt mit 540 Jägern aufgereiht an langen Tischen und unter ihnen wiederum gut 60 Jagdhornbläser, die Punkt 14 Uhr am Sonnabend mit ihrem Signal die Jahreshauptversammlung der Jägerschaft Landkreis Harburg eröffneten.
Das Jahrestreffen der Jäger ist seit Jahren ein Who-is-Who im Kreis mit Landtags- und Kreistagsabgeordneten sowie Bürgermeistern und der Kreis-Verwaltungsspitze. Zudem aber auch eine vom Kreis-Vorsitzenden Horst Günter Jagau straff geführte und ebenso pünktlich fast auf die Minute beendete Sitzung ohne Nachfragen und mit einstimmigen Beschlüssen. Politisch ranghöchster Teilnehmer war Michael Grosse-Brömer, Bundestagsabgeordneter, Erster Parlamentarischer Geschäftsführer der CDU/CSU-Fraktion und mehr als 25 Jahre Waidmann. „Er ist unser Mitglied und hat seinen Beitrag bezahlt“, scherzte Jagau bei der Begrüßung.
Unter Jägern sind klare Worte angesagt. Vor allem für den Umgang mit dem Wolf, den die Jäger scharf kritisieren. „Wir leben in einer Kulturlandschaft und nicht in den Weiten Alaskas. Hier kann sich nichts von allein regeln“, sagte Jagau und forderte von der Politik klare Entscheidungen zum Schutz von Weidetieren. Der Herdenschutz funktioniere lange nicht mehr. Es sei eine Frage der Zeit, wann der erste, an der Leine geführte Hund angegriffen werde und es werde auch nicht mehr lange dauern, bis Wölfe in den Städten auftauchten.
Kreisjägermeister macht sich Gedanken ums Muffelwild
Für die Raubtiere habe das Land jetzt „vorsorglich“ sogar einen Krankentransportanhänger angeschafft. „Für den Fall, dass sich ein Wolf beim Überspringen eines Zaunes verletzt“, sagte Jagau. „Ich kann mich nur noch wundern.“
Kreisjägermeister Norbert Leben macht sich beim Thema Wolf vor allem Gedanken um das Muffelwild, eine Wildschafart. „Wir haben die Tiere über Jahrzehnte gehegt und gepflegt. Unsere Arbeit ist nun scheinbar nichts mehr wert. Die Tiere werden von Wolfen gefressen“, sagte Leben in seinem Bericht.
Bei der Kreisverwaltung stoßen Kritik und Frust auf Verständnis. „Eine weitere unkontrollierte Ausbreitung des Wolfes muss verhindert werden“, versicherte Landrat Rainer Rempe, der mit seinem Vertreter Kai Uffelmann und Annerose Tiedt, der neuen Kreis-Ordnungs-Dezernentin, gekommen war.
Den Einfluss der Jäger in der Diskussion um Naturschutz, Tourismus, Land- und Forstwirtschaft hält Leben für durchaus bemerkenswert – schon wegen des hohen Interesses an der Jagd. So schlossen 2018 rund 5000 Männer und Frauen in Niedersachsen die Jagdprüfung ab. Das entspricht einem Viertel aller Jagdscheinanwärter bundesweit. Der Kreisjägermeister rät zum Schulterschluss mit Waldbesitzern, Bauern, Anglern, Falknern, Reitern und Landfrauen.
Problematisch bleibt dagegen die hohe Zahl von Verkehrsunfällen mit getöteten Rehen. Trotz blauen oder roten Reflektoren und trotz der Bemühungen der Jäger, Tiere von den gefährlichen Straßen weg zu bringen, kamen nach 1117 Tieren 2017 auch 2018 wieder 1073 Rehe ums Leben. „Diese Zahlen liegen einfach zu hoch. Jedes vierte Reh stirbt auf der Straße“, rechnete Leben vor.
Die Jagd auf Wildschweine und Nutria rückt mit Blick auf die in Belgien und Polen grassierende Afrikanische Schweinepest und dem Schutz von Deichen ins öffentliche Bewusstsein. So droht bei einem Ausbruch der Seuche, die Wildschweine übertragen, dass Bereiche gesperrt werden müssen. Bei einer Kernzone betrifft das zwei bis vier Kilometer im Umkreis um den Ort, an dem die Krankheit festgestellt wurde. „Das kann bedeuten, dass Getreide, Kartoffeln oder Schweine nicht mehr verkauft werden dürfen oder der Tourismus eingeschränkt werden müsste“, sagte Leben.
Die Gänge der Nutrias gefährden die Deiche
Die Jäger bemühen sich daher den Bestand an Wildschweine klein zu halten, allerdings ohne zu übertreiben, wie der Kreisjägermeister mahnte. Die Verwaltung hat ihrerseits die Gebühren für die Trichinen-Untersuchung ausgesetzt, um die Jäger bei höheren Abschusszahlen nicht stark zu belasten. Ähnliches wurde für den Nutria festgelegt, dessen Gänge und Bauten Deiche gefährden. Der Dank dafür war dem Landrat sicher.
Im Gegenzug lobte Rempe die Jäger für ihre „intensive Jagd auf die Schwarzkittel. Wir sind da von Ihnen abhängig.“ Die hohe Teilnehmerzahl in Tostedt, wo die Jäger jedes Jahr tagen und die Vielzahl und Qualität der Trophäen beeindruckten den Kreis-Verwaltungschef, der selbst kein Jäger ist.
Dennoch war er interessiert dabei, als Heiner von Fintel aus Schierhorn das wohl größte Geweih der Schau von einem acht bis neunjährigen Hirsch präsentierte. Den „Ungeraden Achtzehnender“ hatte er fünf Tage vor seinem 81. Geburtstag am Abend des 22. August geschossen. „Ein braver, starker Hirsch“, so Kreisjägermeister Leben. Allerdings hätte er es gerngesehen, wenn das Tier noch ein paar Jahre älter geworden wäre.
Kurz vor dem Abschluss hatte die Versammlung noch einen ihrer langjährigsten Unterstützer zu ehren. Heribert Strauch, der Öffentlichkeitsobmann hat 19 Jahren lang die Belange der Jägerschaft verdeutlich. Nachfolger ist Bernard Roeingh-Wegner.
Nach dem von Ute Marx geleiteten Parforcehornbläserkreis Nordheide nahm auch Strauch, der sich zum 31. März, am Ende des Jagdjahres verabschiedet, die goldene Verdienstplakette der Landesjägerschaft Niedersachsen entgegen. In solchen Fällen wird verlässlich eine dreifaches Horrido-Joho fällig.
Acht Hegeringe
Die Jägerschaft Landkreis Harburg ist in acht Hegeringen organisiert. Sieben Bläsergruppen sind für die Jagdsignale zuständig. Insgesamt gehen in den Hegeringen 2281 Jäger auf die Pirsch. Das entspricht einem Plus im Vergleich zum Vorjahr von 88 Mitgliedern. 144 Personen sind im vergangenen Jahr neu in die Jägerschaft im Landkreis eingetreten.
In seinem Streckenbericht legt Kreisjägermeister Norbert Leben bei der Jahreshauptversammlung Zahlen für die Abschüsse bei Rot- und Dam- und Muffelwild vor. Dazu kommen Wildschweine, Rehe, Hasen, Kaninchen und Räuber wie Dachs, Waschbär oder Marderhund. Auch Fasane, Tauben, Elstern, Rabenkrähen und Kormorane werden erlegt.
Jeder vierte der 5000 Prüflinge für einen Jagdschein in Niedersachsen war 2018 eine Frau. Ein Fünftel aller Bewerber fiel bei der Prüfung durch.