Harburg. Investor plant neues Viertel rund um zwei denkmalgeschützte Fabrikgebäude der ehemaligen Phoenix-Werke am Bahnhof.

Wer am Harburger Bahnhof ankommt und ins Phoenix-Viertel gehen möchte, steht schnell vor dem gläsernen Einkaufstempel Phoenix Center. Einen Blick auf die linksgelegenen denkmalgeschützten Backsteinfassaden der ehemaligen Harburger Gummifabrik Phoenix erheischt nur, wer mit dem Auto ins Parkhaus des Einkaufszentrums fährt und dabei nicht auf die Einfahrt achtet, sondern am Gebäude vorbeischaut. Dies könnte in einigen Jahren anders werden: Die Investoren Kai-André Müller und Friedrich-Karl Winter, Geschäftsführer der Harburger Höfe GmbH in Ahrensburg, wollen das westliche Bahnhofsumfeld zum attraktiven Viertel machen.

Im Mittelpunkt stehen zwei ehemalige Fabrikgebäude, die quer zwischen den Gebäudeblöcken an der Wilstorfer und an der Hannoverschen Straße stehen, auch „Schiffe“ genannt. Das nördliche Gebäude direkt neben dem Phoenix-Center haben die Investoren bereits gekauft. Über das daneben stehende Zwillingsgebäude werde mit der Eigentümerin ContiTech verhandelt, sagt Kilian Kresing. Der Architekt aus Münster stellte am Montagabend dem Stadtplanungsausschuss sein Konzept für eine neue Nutzung der beiden „Schiffe“ vor: einen Katamaran, um im Bild zu bleiben.

Die Gesamtansicht zeigt die Lage des Projekts zwischen dem Phoenix-Center (rechts und der ContiTech (links).
Die Gesamtansicht zeigt die Lage des Projekts zwischen dem Phoenix-Center (rechts und der ContiTech (links). © Kresings Architektenbüro

In den Gebäuden könnten auf insgesamt rund 20.000 Quadratmetern Büro- und Atelierräume, im Erdgeschoss kleine Ladengeschäfte, vielleicht auch ein Café und – in Anlehnung an die benachbarte Sammlung Falckenberg – ein bis zwei Galerien entstehen. Auch ein Bordinghouse für Langzeit-Übernachtungsgäste sei denkbar. Aber keine Wohnungen.

Eine neue Passage vom Bahnhof zur Wilstorfer Straße

Die Investoren und ihr Architekt sind optimistisch, dass die Kaufverhandlung für das zweite Gebäude erfolgreich sein wird. Denn nur dann kann Kresing seine Idee umsetzen, die beiden Gebäude mit einem gläsernen Dach zu verbinden und damit eine Passage mit viel Aufenthaltsqualität entstehen zu lassen. „Durch die Überdachung schaffen wir mit den vorhandenen Proportionen und den ausdrucksstarken alten Fassaden einen wirklich schönen Raum“, sagt Kresing. Auch entstünde eine „Durchgängigkeit“ vom Harburger Bahnhof ins Phoenix-Viertel.

Auf der Bahnhofsseite wünscht sich die Bezirksverwaltung vom Investor, dass er eine Treppenanlage baut, die den Höhenunterschied von der Hannoverschen Straße zu den Harburger Höfen überbrückt. Im Zuge dessen könnten die Uferpromenade auf der Seite des Phoenix-Centers und der Seevekanal attraktiver gestaltet werden. Jenseits der Höfe gibt es zwei Alternativen für einen Durchgang zur Wilstorfer Straße. Kresing: „Wir wollen mit der Sammlung Falckenberg darüber verhandeln, deren Tordurchfahrt nutzen zu können. Außerdem mussten wir ein weiteres Gebäude an der Wilstorfer Straße kaufen, um dort eine Feuerwehrzufahrt zu schaffen. Auch hier könnte ein Durchgang für Passanten auf dem Weg zum Wilstorfer Wohnviertel entstehen.

Zwischen den Gebäuden könnte nach dem Konzept des Architekten eine überdachte Flaniermeile entstehen.
Zwischen den Gebäuden könnte nach dem Konzept des Architekten eine überdachte Flaniermeile entstehen. © Kresings

Auf den Dächern der Gebäude und womöglich auch auf dem Platz vor dem Eingangsbereich schlägt Architekt Kresing weiße, maximal zweigeschossige Kuben vor, die Räumlichkeiten für bislang unbestimmte Nutzungen bieten. Die Bauten auf dem Dach seien „extrem wichtig. Sie signalisieren, dass in den denkmalgeschützten Gebäuden etwas Neues zu entdecken ist.“

Harburgs Baudezernent Jörg Heinrich Penner meinte in der Ausschusssitzung, es seien vielleicht ein paar zu viele Kuben auf den Dächern geplant, lobte ansonsten aber das vorgestellte Konzept: „Wir sind jetzt einen ganzen Schritt weiter, weil das nördliche Schiff verkauft ist. Die Verwaltung unterstützt ausdrücklich diese Planung.“ Auch CDU-Fraktionschef Ralf-Dieter Fischer nannte das Konzept „begrüßenswert“, stieß sich aber ebenso wie Penner an der Dachgestaltung: „Ob die weißen Würfel so gut sind, weiß ich nicht.“

Die Gebäude sind mit Nitrosaminen belastet

Fischer erwähnte das Problem, dass die alten Gebäude der Gummifabrik mit Schadstoffen (Nitrosaminen) belastet seien. Architekt Kresing hält das Problem für lösbar: „Wir haben die Dekra mit einer Schadstoffanalyse beauftragt. Da die Hallen als Lager- und nicht als Produktionsräume dienten, werden vermutlich nur der Putz und die Decken belastet sein. Das werden wir mit Sanierungsmaßnahmen zu 100 Prozent entschärfen – so wird es auch ein vorhabenbezogener Bebauungsplan von uns fordern.“

Die hallenartigen Räume lassen sich als offene Büros oder Ateliers nutzen.
Die hallenartigen Räume lassen sich als offene Büros oder Ateliers nutzen. © Kresings

Ein solcher Bebauungsplan wird der Investor mit dem Bezirk verhandeln, wenn die Gretchen-Frage gelöst ist: Verkauft die ContiTech auch das zweite Gebäude an den Projektträger? Vieles spreche dafür, dass das Unternehmen zum Verkauf bereit sei, sagt Kresing optimistisch: „Die ContiTech hat Interesse daran, dass auf der aufgegebenen Betriebsfläche ihrer Harburger Produktionsstätte eine städtebaulich anspruchsvolle Lösung gefunden wird. Es sollte mehr entstehen als eine normale Büronutzung. Und genau so sehen wir das auch.“

Phoenix Werke

1856 gründen die Brüder Albert und Louis Cohen eine „Fabrik zur Herstellung von Gummischuhen und vulkanisiertem Gummi“, bauen eine gewaltige Fabrik mit zwei Dampfmaschinen, deren Schlote zur Landmarke werden.

Ende des 19. Jahrhunderts ist aus der Gummischuhfabrik ein international agierendes Unternehmen an der Spitze der deutschen Kautschukindustrie geworden. 4000 Menschen arbeiten inzwischen bei der „Harburg Wien“.

1922 wird das Unternehmen nach seinem Wappenvogel umbenannt, zur „Harburger Gummiwaren- Fabrik Phoenix A.G.“. Als erstes Unternehmen testet Phoenix 1923 Autoreifen auf dem Nürburgring, absolviert dabei mehr als 250.000 Testkilometer.

2004 stimmen mehr als 90 Prozent der Phoenix-Aktionäre dem Zusammenschluss mit einem Konkurrenten aus Hannover, der ContiTech AG, zu.