Lüneburg. Vier Schafe getötet, zahlreiche Tiere verletzt. Schäfer aus Mechtersen macht sich für kontrollierten Abschuss von Wölfen stark.
Wölfe haben in der Ortschaft Mechtersen bei Lüneburg eine Schafherde angegriffen und mehrere Tiere getötet. Insgesamt 14 Tiere sollen den Angaben zufolge bei dem Angriff verletzt worden sein. Vier Schafe erlagen ihren tödlichen Verletzungen. Sieben weitere mussten tierärztlich behandelt werden. Drei Lämmer aus der Herde werden noch vermisst. Es ist bereits der zweite große Wolfsangriff auf die Schafherde in der Ortschaft Mechtersen in diesem Jahr.
Der Morgen des 31. Oktober begann für Schäfer Wendelin Schmücker mit der üblichen Kontrollfahrt. „Ich war froh, meine Kinder nicht dabei zu haben“, sagt der Schäfer. Statt der gewohnten Idylle munter spielender Lämmer und grasender Schafe gab es grauenvolle Bilder. „Das war selbst für mich nur schwer zu ertragen.
840 Tiere gehören zu Schmückers Herde
Ein totes Schaf lag in einem Entwässerungsgraben, auf der Wiese mehrere zum Teil schwer verletzte Schafe. Drei Lämmer waren verschwunden.“ Der Elektrozaun der anderthalb Hektar großen Weide war an einigen Stellen niedergerissen. Die angeblich wolfssicheren Netze seien offensichtlich von einem oder mehreren Wölfen „übersprungen worden“, so der Schäfer. Die Panik sei seinen Schafen bis heute anzusehen.
840 Tiere gehören zu Schmückers Herde. Erst im Mai hätten Wölfe in Mechtersen 21 Schafe aus seiner Herde gerissen. Keines der Tiere überlebte die Attacke. „Danach habe ich die Schafherde aus der Ortschaft weggebracht. Im Sommer grasen die Tiere verteilt auf sechs Gruppen auf 120 Hektar Weideland.“ Im Herbst kehrten Schmückers Schafe wieder zurück in den kleinen Ort. Schäfereien wie Herold in Inzmühlen, Tewes in Celle und die Heidschnucken-Schäferei Kuhlmann hätten „in diesem Jahr ebenfalls schon mehrere Tiere durch Wolfsangriffe verloren“, so Schmücker.
Während Wolfsgehege in Zoos mit drei Meter hohen Elektrozäunen abgesichert sind, „glaube man in Niedersachsen, der Problematik durch immer höhere Zäune, Herdenschutzhunde oder durch Flatterband begegnen zu können“, kritisiert Schmücker. Das tägliche Auf- und Abbauen hoher Zäune sei für einen Wanderschäfer wie ihn vollkommen unrealistisch. Selbst in Frankreich, wo drei Meter hohe Zäune und Herdenschutzhunde die Regel sind, würden Weidetiere von Wölfen gerissen. Neben Schafen übrigens auch Rinder, Esel und Pferde.
Seit Jahren nimmt die Population an Wölfen in Deutschland zu. Was also ist zu tun, um Weidetiere vor ihnen besser zu schützen? Schäfer Schmücker macht sich für eine „kontrollierte Bejagung“ stark. „Der Wolf soll lernen, dass er sich von Weidetieren und Siedlungen fernzuhalten hat. Damit er sich in die Wälder zurückzieht.“ Kontrolliert Bejagen heißt für Schmücker, Abschusszahlen festzulegen – wie es bei Schwarz- und Rehwild der Fall ist. Jagdpächter sollten die Wolfsjagd fachmännisch ausführen.
Tanja Askani, Wolfsexpertin im Wildpark Lüneburger Heide, in dem neun Wölfe in sicheren Gehegen leben, hält von kontrollierten Abschüssen gar nichts. „Es gibt Studien, dass Haustiere noch stärker gefährdet sind, wenn man einzelne Wölfe abschießt“, sagt sie.
So sei etwa in Cuxhaven vor einigen Jahren eine Wolfsmutter erschossen worden. „Bald darauf verschwand auch der Vater. Die zurückgelassenen Jungwölfe haben sich auf Rinder spezialisiert, weil ihre Eltern ihnen nicht die Jagd auf Wildtiere zeigen konnten“, sagt Askani. „Man muss sich entscheiden: Rotten wir alle Wölfe aus? Oder schützen wir die Nutztiere.“
Sicherheitskonzept mitanatolischen Kangals
Wie es bei ihnen mit dem Schutz vor Wölfen klappt, erklärt Nicole Benning von der Schäferei Wümmeniederung in Rotenburg (800 Schafe): „Wir leben im Einzugsbereich von zehn Wolfsrudeln und haben das Schneverdinger Rudel direkt vor unserer Tür.“ Ihre Schafe grasen auch im Landkreis Harburg bis zur Hamburger Stadtgrenze.
„Wir arbeiten mit 90 und 106 Zentimeter hohen Netzen, durch die bis zu 7000 Volt Strom fließen. Bei uns läuft keine Herde ohne Herdenschutzhund. Das ist der entscheidende Punkt.“ Nicole Benning kümmert sich um die 13 anatolischen Kangals der Schäferei, die ihr Mann hauptberuflich betreibt. „Wir bewirtschaften viele Flächen. Dort, wo die Tiere weiden, wird abgezäunt. Bis zu vier Hirtenhunde bewachen jeweils eine Gruppe.“
Dass Wölfe Schutzzäune überspringen und trotz Herdenschutzhund angreifen, weiß auch sie. „Es ist aber selten und eher im Osten. Bei uns ist es zum Glück noch nicht passiert.“ Sollte eine geschützte Herde angegriffen werden, müsse unverzüglich gehandelt werden: „Die Wölfe kommen meist zurück. Die Herde muss von Jägern bewacht – und es muss geschossen werden. Damit die Wölfe wissen, dass ihr Risiko groß ist.“
Wölfe
In Niedersachsen leben zehn Wolfsrudel und vier Wolfspaare in freier Wildbahn.Ein Rudel besteht aus zwei erwachsenen und zwei bis zehn Jungwölfen.
403 Tiere wurden nach Angaben der Landesjägerschaft in Niedersachsen voriges Jahr von Wölfen gerissen oder mussten eingeschläfert werden – mehr als doppelt so viele wie im Vorjahr. Das Land macht sich mittlerweile für einen Abschuss von „Problemwölfen“ stark.