Harburg. Aktuell gibt es südlich der Elbe viele freie Stellen, aber nur wenige in Eimsbüttel. Die Schulen nennen Gründe.
Mit Beginn des Schuljahres war der Aufschrei besonders laut. Die Gewerkschaft Erziehung und Wissenschaft prangerte akuten Lehrermangel an. Der Deutsche Lehrerverband schätzt, dass bundesweit 10.000 Stellen unbesetzt, weitere 30.000 notdürftig besetzt sind. Was die Hansestadt angeht, so scheint das Problem südlich der Elbe besonders ausgeprägt zu sein. Jedenfalls traf sich Landesschulrat Thorsten Altenburg-Hack, Leiter des Amtes für Bildung, noch vor Beginn der Ferien mit hiesigen Schulleitern und der Schulaufsicht zum Gespräch, einige Teilnehmer sagen: zur Krisensitzung.
Mit am Tisch saß auch Gudrun Wolters-Vogeler. Sie ist nicht nur Leiterin der Grundschule An der Haake, sondern auch im Vorstand des Verbandes Hamburger Schulleitungen und Vorsitzende des Allgemeinen Schulleitungsverbandes Deutschland. „Früher gab es auf eine Stelle 80 Bewerber. Heute ist es ausgesprochen schwer, überhaupt Personal zu finden.“ Dass Harburg besonders gebeutelt ist, hat aus ihrer Sicht mehrere Gründe. Da ist zum einen die Randlage. Auch an ihrer Schule (370 Schüler, fast 40 Lehrer) arbeiten einige, die in Niedersachsen wohnen. „Spätestens wenn deren Kinder eingeschult werden, sind die weg.“
Doch noch entscheidender sei, dass sich Bewerber – anders als früher – heute die Schule aussuchen können, an der sie arbeiten wollen. „Die gucken genau hin: wie ist das soziale Umfeld, wie gestaltet sich die Ganztagesbetreuung, wie hoch ist der Arbeitsbelastung?“ Deshalb, so das Fazit der Schulleiterin, will kaum einer an Grund- und Stadtteilschulen – und schon gar nicht in den Süden Hamburgs. Auch Peter Albrecht, Sprecher der Schulbehörde, räumt ein: „Leider ist es für Harburger Schulen insgesamt etwas schwerer, Lehrkräfte zu akquirieren, im Vergleich zu nördlich der Elbe.“
30 freie Stellen in Harburg
Das lässt sich auch an diesen Zahlen ablesen: Aktuell sind an Harburger Schulen 30 Stellen ausgeschrieben, die zum 1. November besetzt werden sollen. Rechnet man noch die aus Wilhelmsburg, Finkenwerder und Veddel hinzu, sind es sogar 53. In Eimsbüttel sind 15, in Nord 14 und in Bergedorf nur 12 Stellen ausgeschrieben. Nur Wandsbek hat auch 40 offene Stellen im Angebot, aber mit 436.000 Einwohnern auch rund 200.000 Bewohner mehr als der Bezirk Harburg, Wilhelmsburg, Veddel und Finkenwerder zusammen.
Der Stellenplan der Grundschule An der Haake weist jedenfalls auch nach Schulbeginn noch Löcher auf. „Dreieinhalb Stellen sind unbesetzt“, sagt Gudrun Wolters-Vogeler: „Das ist nicht gut und ganz und gar nicht der Normalzustand.“
Sich mit Quer- und Seiteneinsteigern zu behelfen, birgt aus ihrer Sicht Tücken. „Das Problem hatten wir in den 70er-Jahren schon mal.“ Auch damals wurden viele für den Schuldienst verpflichtet, die nicht Lehramt studiert oder nie ihr zweites Staatsexamen absolviert hatten. „Die blockierten dann die Stellen für den ausgebildeten Nachwuchs“, sagt Wolters-Vogeler. Zwar könnten Quereinsteiger häufig mit langer Berufserfahrung punkten, doch gerade im Grundschulbereich seien didaktische Fähigkeiten gefragt: „Da geht es um Grundlagen, die vermittelt werden müssen.“ Gibt es aber genau in dem Bereich Defizite in der Schule, müssten verstärkt die Eltern ran. „Aber dann klafft die soziale Schere noch weiter auseinander“, sagt Gudrun Wolters-Vogeler. Einfache Lösungen gebe es nicht. In jedem Fall gelte es, mehr Referendare auszubilden.
Ihr Kollege Tobias Langer, Leiter der Stadtteilschule Ehestorfer Weg (680 Schüler in den Stufen 5 bis 10, plus 100 Schüler in der gemeinsamen Oberstufe mit der Lessing-Stadtteilschule), spricht von einer „unglaublichen Gratwanderung“. Er hat Lücken gestopft, indem er zum neuen Schuljahr einen Mathematiker als Quereinsteiger verpflichtete und vier Lehraufträge an Master-Studenten vergeben hat, die hoffen, anschließend ihr Referendariat beginnen zu können. Langer selbst wohnt in Altona, hat lange an einem Gymnasium in Eimsbüttel unterrichtet. Den Schritt über die Elbe hatte auch er sich reiflich überlegt. Heute sagt er: „Wir müssen es Mitarbeitern schmackhaft machen, hier zu arbeiten, und mehr um sie werben.“ Vor allem müssten sie verstehen: „Das Tolle ist, 08/15 gibt es hier nicht.“