Harburg. Das Trio soll nach umstrittenem Tor in der Schlussminute Schiedsrichter Aziz I. verletzt und Linienrichter Murat L. beleidigt haben.

Dass beim Fußball die Emotionen hochkochen, gehört dazu – zumal, wenn es um den Meistertitel geht. Dass bei Spielern, Fans und Funktonären sämtliche Sicherungen durchbrennen – und nach einer umstrittenen Torentscheidung in der 90. Spielminute zuerst der Linienrichter beleidigt und anschließend auch noch gemeinsam der Schiedsrichter verprügelt wird, ist eher die Ausnahme.

Genau gegen diese Vorwürfe müssen sich jedoch seit gestern Muhammed B. (32), Caliskan V. (31) und Mehmet G. (35) vor dem Harburger Amtsgericht verantworten. Die drei jungen Männer sind angeklagt, weil sie vor einem Jahr während des Kreisliga-Derbys zwischen dem Tabellendritten SV Rot-Weiß Wilhelmsburg und dem Verfolger SV Vorwärts 93 Ost auf dem Fußballplatz Rotenhäuser Damm Schiedsrichter Aziz I. geschlagen und getreten haben sollen. Wegen des üblen Nachspiels hat das Sportgericht bereits Sperren verhängt: Zweienhalb Jahre für Rot-Weiß-Spieler B., der als Einziger gestanden hat, beleidigt und zugeschlagen zu haben. Sowie ein Jahr für V. und anderthalb Jahre für G.

Wie kam es zum Eklat auf dem Fußballplatz? Nach dem Führungstreffer zum 3:2 in der 90. Minute für Vorwärts Ost sei G. auf den Linienrichter Murat L. (20) zugelaufen und habe diesen mit den Worten „Ich werde Deine Mutter f...“ beleidigt, weil dieser kein Abseits gesehen und seine Fahne unten gelassen habe, so der Staatsanwalt bei der Verlesung der Anklage. Als der Schiedsrichter dem Spieler wegen der Beleidigung die Rote Karte zeigte, habe er diesen am Arm und Kragen gepackt und „schmerzhaft geschüttelt“. Dann hätten Rot-Weiß-Spieler den Schiri vom Spielfeld gedrängt, worauf G., der als Zuschauer da war, den Schiri von hinten mit der Faust niedergestreckt habe.

Als I. schon am Boden lag, soll ein weiterer Rot-Weiß-Spieler den Unparteiischen mit Schwung in den Rücken getreten haben, und es hätten Spieler und Zuschauer weitere Schläge versetzt. Als der Schiedsrichter in die Umkleidekabine ging, habe ihn B. erneut angegriffen und ihm einen so kräftigen Faustschlag ins Gesicht verpasst, dass I. zu Boden ging. Er trug Platzwunden, ein Schleudertrauma und Prellungen davon. Was schwerer wiegt, sind die psychischen Folgen: Seinen Job als Schiedsrichter, den er zehn Jahre lang gemacht hat, kann I. aus Angst vor einen neuen Attacke nicht mehr ausüben. Seit dem Vorfall befindet sich der Autoverkäufer in psychologischer Behandlung.

B. gab zu, den Schiri geschlagen zu haben. Er betonte aber, dass er zuvor vom Schiedsrichter „angegriffen“ worden sei. Das schilderte I., der als Nebenkläger auftrat, etwas anders: B. habe seinen Arm festgehalten, ihn am Kragen gepackt und geschüttelt, nachdem er ihm die Rote Karte gezeigt habe. „Ich war umringt von Spielern. Ich fühlte mich bedroht, habe mich losgerissen“, sagte I. Dabei habe er B. reflexartig von sich gestoßen und möglicherweise mit der offenen Hand im Gesicht getroffen.

Der Linienrichter bestätigte indes, dass B. ihn zunächst auf Türkisch beleidigt habe und anschließend nach der Roten Karte den Schiri mit der Faust angegriffen habe. Auch der Angeklagte G. habe I. geschlagen. „Er hat ihm von hinten über die Seitenauslinie eine Faust verpasst“, sagte der Linienrichter.

Am Nachmittag sagten mehrere Zeugen aus, dass alle drei Angeklagten zugeschlagen haben sollen. Für eine Überraschung sorgte indes der Vereinsvorsitzende des SV Rot-Weiß. „Der Präsident hatte vor dem Sportgericht als Zeuge ausgesagt, dass auch der Angeklagte G. zugeschlagen hat. Heute hat er vor Gericht behauptet, das stimme nicht“, sagte I.s Rechtsanwalt Tristan Kopietz dem Abendblatt.

Die Verhandlung wird am kommenden Dienstag, 15 Uhr, im Amtsgericht fortgesetzt.