HARBURG. Sohn Christoph setzt konsequent fort, was sein Vater Wolfram vor vielen Jahren begonnen hat.
Dieser Mann scheint niemand zu sein, der sein Temperament in Trübsal verschwendet: Christoph Birkel (44), seit 2005 Geschäftsführer des Hit-Technoparks in Harburg, strahlt wenn er redet und sprudelt nur so drauf los – ganz gleich, ob es um Innovationen, Familientradition oder den Aufsichtsratsvorsitz der Süderelbe AG geht, den er seit kurzem innehat, Birkel ist in seinem Element. Wäre Eloquenz ein Beleg für die Zufriedenheit, mit sich im Lot zu sein, darf getrost angenommen werden: Christoph Birkel ist angekommen.
Jedenfalls wusste er immer, was er wollte – in die Fußstapfen seines Vaters treten. „Ich mache nur weiter, was er angefangen hat“, sagt er leichthin. Will sagen: er hat den Technopark, den sein Vater Wolfram (72) 1994 übernommen hat und dessen Geschäftsführer er seit 2005 ist, stetig ausgebaut. Auf inzwischen 30.000 Quadratmetern sind am Tempowerkring in Bostelbek rund 110 Firmen (650 Arbeitsplätze) aus 25 Branchen angesiedelt, vier der Unternehmen sind Weltmarktführer.
Ob das Unternehmer-Dasein nun in seiner DNA verankert ist oder er gleichsam mit der Nase Witterung aufnahm – wer weiß das schon. Danach befragt, welche Erinnerung seine Kindheit prägte, antwortete er einmal: „Der intensive Geruch von frischem Nudelteig.“
Tatsächlich sind Birkel-Nudeln bis heute ein Begriff. Die Familie hat das Unternehmern verkauft, nachdem die Firma 1985 wegen des sogenannten Flüssigei-Skandals in die Schlagzeilen geraten war: Deutschlands erster Lebensmittelskandal. Wolfram Birkel war damals einer der drei Geschäftsführer und Leiter der Buxtehuder Nudelfabrik.
Der Birkel-Clan gewann die gerichtliche Auseinandersetzung und bekam mehrere Millionen Schadenersatz, aber der Absatz war eingebrochen. Deshalb der Verkauf, eine Krise, aus der Neues entstand. Und der Grund dafür, warum Vater und Sohn seither in Technologiefirmen und Immobilien in Berlin investieren. Geschäfte, von denen auch Schwester Catharina (41, sie hat zwei Kinder) profitiert, die in Italien lebt und Schmuckdesignerin ist.
Bevor Christoph Birkel zunächst an der Seite seines Vaters die Geschäftsführung übernahm, hat er sich erstmal den Wind um die Nase pusten lassen. Nach dem Abitur in Buxtehude, das er ebenso wie sein Vater an der Halepaghen-Schule baute, ging er zunächst für ein Jahr zum Bund, war Fernmelder in Rotenburg/Wümme. Eine Zeit, die er nicht missen möchte – es war wohl das erste mal, dass er sich ein Zimmer mit Menschen teilte, die ihm sonst nie über den Weg gelaufen wären: „Sie hatten einen ganz anderen Bildungshintergrund“, sagt er.
„Spannend“ sei das gewesen: „Wir hatten wahnsinnig viel Spaß.“ Es folgte eine zweijährige Ausbildung zum Bankkaufmann in Hamburg, anschließend das BWL-Studium in Berlin und den USA und eine Anstellung bei Bosch in einem kleinen Kaff bei Würzburg.
Dass ihm da schon bald die Decke auf den Kopf zu fallen drohte, lag nicht allein an der dörflichen Umgebung: Er wollte selbstständig arbeiten. Sein Vater musste ihn also nicht lange bitten, nach Harburg zu kommen. Die Antwort des Sohnes war kurz und kam prompt: „Papa, ich komm‘.“
Bereut hat er den Schritt bis heute nicht. Das liegt vor allem an dem guten Verhältnis zum Vater („Er hat mich immer machen lassen“), der längst mehr Zeit mit Segeln als am Schreibtisch verbringt. Das liegt aber auch am Potenzial des Technoparks, der zu den größten privat geführten Deutschlands zählt, sowie dem Standort Harburg und der damit einhergehenden Nähe zur Technischen Uni Hamburg-Harburg, samt deren Tochterunternehmen TuTech, das an der Schnittstelle zwischen Hochschule und Unternehmen für Technologie- und Wissenschaftstranfer steht.
Doch auch Harburg selbst hat es Birkel, der mit seiner amerikanischen Frau und vier Kindern (3 bis 8 Jahre) in Hamburg auf der anderen Seite der Elbe lebt, angetan: „Hier entstehen viele tolle Sachen.“ Birkel spricht von einer außergewöhnlich guten Zusammenstellung: „Da ist viel Dynamik drin.“ Bestes Beispiel sei die Flüchtlingskrise gewesen: „Da haben sich die Harburger nicht bange machen lassen.“ Natürlich, Überzeugungsarbeit musste und muss auch hier geleistet werden. Er weiß das nur zu gut: Seit 2015 leben in unmittelbarer Nachbarschaft zum Technopark auf dem Areal der Pferdekoppel 170 Flüchtlinge.
„Ich bin froh über jeden, der kommt und hier arbeitet“
Birkel, der sich für eine offene Willkommenskultur einsetzt und überzeugt ist, dass Deutschland zu einem Einwanderungsland werden muss, rief die gemeinnützige GmbH Open arms ins Leben, die Sprach- und Konversationskurse für Flüchtlinge anbietet, bei der Jobvermittlung hilft und ehrenamtliche Helfer schult. „Flüchtlinge sind ein großes Geschenk“, so Birkels Überzeugung.
Er spricht von eklatantem Fachkräftemangel und sagt: „Ich bin froh über jeden, der kommt und hier arbeiten will.“
Damit der Hit-Technopark auch in Zukunft erfolgreich ist, hat Birkel in den vergangenen mehr als zwei Millionen Euro in Blockheizkraftwerke und Kühlungssysteme sowie Küchen und Sanitäranlagen investiert. Außerdem hat er das rund 1,5 Hektar große Areal gekauft, auf dem jetzt noch die Flüchtlinge untergebracht sind. In acht Jahren, so die Planung, wird die „Pferdekoppel“ frei zur Bebauung sein: Platz, damit der Technopark weiter wachsen kann.
Birkel ist in dieser Hinsicht wie ein Schwamm: Ideen, Anregungen, Input saugt er auf. Miteinander kommunizieren, sich vernetzen, austauschen, Ideen kreieren, Geschäfte vereinbaren, der Technopark bietet dazu mehrere Plattformen – vom Inno-Talk, zu dem schon Bergsteiger-Legende Reinhold Messner kam und der im Februar von Ex-Außenminister Joschka Fischer bestritten wird, über Hit-Art, ein mit dem KulturMerkur ausgezeichnetes Kunstprojekt, bis hin zum kürzlich erst ins Leben gerufenen Kaminabend.
Darüber hinaus sucht Birkel, so redegewandt und eloquent er auch ist, nach passenden Worten. Oder, wie er es sagt, „einer intellektuellen Klammer, die in zwei Sätzen erklärt, was wir hier eigentlich tun.“ Er drückt, könnte man sagen, den Resetknopf – auf der Suche nach einer neuen Vision, die gewährleistet, das der Technopark auch in Zukunft nichts von seiner Attraktivität für Gründer und etablierte Unternehmen verliert.
Deshalb hat der Hit-Geschäftsführer jetzt die Hamburger Agentur Haruki, eine Strategie- und Innovationsberatung, beauftragt, in Gesprächen und Workshops mit allen Beteiligten Antworten auf die Fragen zu finden: „Wo stehen wir, wo wollen wir hin?“ Denn Christoph Birkel ist überzeugt, dass nur die Unternehmen erfolgreich sein können, die wissen warum sie etwas tun, nicht was oder wie. Für sich persönlich hat er die Frage nach dem Warum längst beantwortet: „Ich kann machen, was ich will. Jeder Tag ist anders.“
Technopark auf ehemaliger Industriebrache
Mitte der 80er-Jahre gründeten Professoren der Technischen Universität Hamburg-Harburg (TUHH) in Zusammenarbeit mit der Hansestadt Hamburg in den ehemaligen Produktionshallen des Tempo-Dreiradwagen-Werkes in Bostelbek ein Technologiezentrum. Sie nannten es „Hamburger Institut für Technologieförderung“, kurz hit. Jungunternehmer, meist Absolventen der TUHH, konnten hier zu bezahlbaren Preisen Räume mieten für Forschung, Entwicklung und Produktion.
Wolfram Birkel beteiligte sich an einigen der Firmen, baute nebenbei auf freien Grundstücken Büro- und Fertigungsgebäude, die er an hit vermietete. Später übernahm er die Verwaltung und 1998 als Investor das komplette Gelände mit aktuell 18 Gebäuden. Derzeit siedeln sich pro Jahr zwischen drei und fünf Gründer neu im Technopark an.