Winsen/Harburg. Milde Winter und die reichhaltige Nahrung locken die Schwarzkittel an die Wohngebiete heran. Dort pflügen sie auch Gärten um.
Wildschweine werden im Harburger Umland mehr und mehr zum Problem. Milde Winter und ein reichhaltiges Nahrungsangebot führen in einigen Gebieten zu einer regelrechten Plage. Immer öfter wagen sich die Schwarzkittel in Randlagen von Wohngebieten. Sie richten Flurschäden an und pflügen in kurzer Zeit Äcker und Gärten um. Die Polizei beobachtet eine Zunahme von Unfällen mit den vornehmlich nachtaktiven Tieren.
„Das Schwarzwild findet in unseren Breitengraden sehr gute Bedingungen vor. Der Tisch ist reich gedeckt“, sagt Norbert Leben, Kreisjägermeister des Landkreises Harburg. Die Aufzucht von Frischlingen habe sich stark erhöht. Brachten Sauen pro Wurf vor wenigen Jahren noch drei bis vier Frischlinge durch, sind es heute dank eines größeren Nahrungsangebots insbesondere in der Landwirtschaft sechs Tiere.
Die Tiere werden mobiler
„Wir verzeichnen heute einen Reproduktionsrate von 250 bis 300 Prozent“, sagt Leben. Dabei sei die Population nicht nur größer geworden, die Tiere sind auch mobiler. „Wir haben punktuelle Zuwächse in bestimmten Gebieten wie Lohberge, Undeloh und in Buchholz im Steinbachtal“, nennt der Jägermeister einige Beispiele. „Im Steinbachtal haben die Tiere ein ideales Biotop mit Erlen, Schilf und Wasser.“ Doch die Tiere wühlen sich nicht nur durch das Landschaftsschutzgebiet, sie werden auch für die Anwohner zum Problem, wenn die Rotten Zäune umrempeln und Gärten umpflügen. Dabei haben die Schwarzkittel in der Gegend wenig zu befürchten: Die Jagd im Steinbachtal ist seit 1957 verboten. „Wir würden ja gern etwas tun, aber wir dürfen dort nicht jagen“, sagt Leben.
Rund 2000 Wildschweine haben die Jäger in der gerade zu Ende gegangenen Saison 2016/2017 im Landkreis zur Strecke gebracht, schätzt Leben. Mit endgültigen Zahlen rechnet er Anfang März. Zum Vergleich: Ein Jahr zuvor wurden 1134 Wildschweine abgeschossen. Hinzuzurechnen ist das Fallwild – 75 Tiere, die im selben Zeitraum durch Autounfälle ums Leben kamen.
Rückzug aus traditionellen Jagdgebieten
Mit Drückjagden im Herbst und Winter, an denen Hunde beteiligt sind, rücken die Jäger den Wildschweinen zu Leibe: In Undeloh wurden so voriges Jahr 43 Tiere zur Strecke gebracht, ein Jahr zuvor waren es 26. In Lohberge wurden früher 40 Wildschweine bei der Drückjagd geschossen, heute hat sich ihre Anzahl verdoppelt. Und bei der Töpsjagd zwischen Hanstedt, Undeloh und Wesel wurden im Dezember 43 geschossen (Vorjahr: 29). Aber die Schwarzkittel ziehen sich aus traditionellen Jagdgebieten zurück. Stattdessen wird eine Zunahme in der Elbmarsch, in Winsen im Bereich Hegering sowie in Lüllau, Thelstorf, Wehlen und Wesel verzeichnet.
„Stark gefrorene Böden können die Tiere mit ihrer Schnauze nicht aufbrechen. Normalerweise ziehen sie sich dann ins Laub zurück und lockern den Waldboden auf. Aber das ist nur noch selten der Fall.“ Die Folge: Immer öfter wühlen Schweine auf Nahrungssuche die Seitenräume von Straßen um – gut zu sehen an der B3 hinter Welle Richtung Ever, Höckel und Trelder Berg. „Es gibt viele stark befahrenen Straßen im Landkreis, an deren Rändern Schweine massenhaft tote Vögel, Mäuse, Hasen und Igel finden“, sagt Leben. Oder sie graben nach Engerlingen, ebenfalls ein tierischer Eiweißlieferant.
Wildschweinunfälle nehmen zu
Natürliche Feinde brauchen die Schweine kaum zu fürchten. „Selbst wenn ein Wolf sich einer Rotte nähert, stellen sich die Schweine im Halbkreis auf und eine Sau greift ihn an“, sagt Rolf Bellmann, Hegeringleiter aus Hittfeld. Auch auf der Kreisstraße von Tötensen nach Hittfeld sei gut zu sehen, wie die Tiere den Boden umwühlen, um Streusalz und Regenwürmer aufzunehmen. Auch in der Fischbeker Heide werden immer wieder Wildschweine beobachtet.
Für Schlagzeilen hatte vor knapp einem Jahr eine Rotte Wildschweine gesorgt, die in der Nacht in der Höhe von Evendorf durch einen kaputten Zaun auf die A 7 gelangt waren und von einem Lkw erfasst wurden. Vier Wildschweine starben, Menschen kamen glücklicherweise nicht zu schaden. Die genaue Anzahl der Wildschweinunfälle wird von der Polizei nicht erfasst. Doch von einer Zunahme im ländlichen Bereich ist auszugehen. „Die höherer Verkehrsdichte und Geschwindigkeitsüberschreitungen tragen dazu bei“, sagt Norbert Leben. Die Polizei empfiehlt, die Fahrweise anzupassen und Warnschilder zu beachten.