Ahrensburg/Stemwarde. Population steigt wegen milder Winter massiv an. Die Tiere verursachen erhebliche Schäden. Ahrensburg bittet wegen Tunneltal um Hilfe.

„Wir kommen nicht mehr dagegen an“, sagt Hans-Jürgen Wriggers. Der Jäger und Landwirt spricht von einer Wildschwein-Plage, die derzeit in Stormarn herrscht. „Das ist ein massives Problem“, sagt Wriggers, der im Ahrensburger Tunneltal und in Stemwarde ein Jagdrevier hat. Das Schwarzwild wühlt sich auf der Suche nach Nahrung durch Wiesen oder Ackerflächen, richtet große Schäden an. „Meine Wiesen im Tunneltal sind schwarz, ich weiß nicht, ob sich das wieder herrichten lässt“, sagt Wriggers. Für den Flurschaden muss der Jäger aufkommen, der das betreffende Stück Land für die Jagd gepachtet hat.

Jagdverband warnt: Bei den Tieren ist Vorsicht geboten!

Doch die Plage hat weit mehr Auswirkungen. Wildschweine wagen sich auf der Suche nach tierischem Eiweiß auch in Gärten am Rande von Siedlungen, in die Nähe von Straßen und Autobahnen. Werden die Tiere in die Enge getrieben, reagieren sie panisch, werden aggressiv. In Hannover tobten kürzlich vier Tiere durch einen Vorort, eine Sau musste erschossen werden. Bei Schwarzenbek kollidierte im Oktober ein Auto mit einem rund 100 Kilo schweren Wildschwein, überschlug sich und landete in einem Wald. Der Fahrer starb später an den Unfallfolgen.

Heiko Dabelstein aus Brunsbek bei der Jagd mit Hündin Bonnie
Heiko Dabelstein aus Brunsbek bei der Jagd mit Hündin Bonnie © Barbara Moszczynski | Barbara Moszczynski

Wildschweine vermehren sich dank milder Witterung seit einigen Jahren rasant. Die Tiere finden immer ausreichend Nahrung. Denn von Eichen und Buchen fallen massenhaft Früchte auf den Waldboden. Aber auch der großflächige Anbau von Mais und Getreide für den Betrieb von Biogasanlagen hat für beste Bedingungen für die Sauen gesorgt. Das ist laut Experten einer der Gründe, warum Wildschweine nun auch vermehrt in Privatgärten unterwegs sind. „Weil sie viel pflanzliches Eiweiß fressen, erhöht sich der Bedarf an tierischem Eiweiß“, sagt Kreisjägermeister Klaus Klemm.

Tiere brechen Böden mit Schnauzen auf

In Gärten graben die Tiere Rasen und Blumenbeete auf der Suche nach Regenwürmern und Insektenlarven um. Dank ihres kräftigen Gebrechs – so wird die Schnauze der Tiere genannt – können Wildschweine auch harte und steinige Böden aufbrechen. Wurzeln und Mäuse werden so an die Oberfläche befördert und gefressen.

Aber auch Junghasen, Rehkitze sowie Eier und Junge von bodenbrütenden Vögeln gehören zur Nahrung. Klemm: „Lebensbedrohlichen Frost und Hunger kennen die Tiere nicht mehr.“ Wildschwein-Weibchen werden immer früher trächtig. Nahrung im Überfluss trägt dazu bei, dass die Tiere oft bereits in ihrem Geburtsjahr geschlechtsreif werden. Je besser sie genährt sind, desto mehr Frischlinge bringen sie zur Welt. Als es noch richtig kalte Winter gab, erfroren die ersten Würfe meist. Heute bringen Bachen pro Wurf vier bis sechs Frischlinge zur Welt. Davon überleben meist alle. Natürliche Fressfeinde haben die Wildschweine nicht. Auch Wölfe greifen nicht spürbar in die Population ein. Fuchs und Uhu schlagen nur selten junge Wildschweine.

Jagd auf Wildschweine wird zunehmend schwieriger

Die Stadt Ahrensburg hat Jäger Hans-Jürgen Wriggers gebeten, im Tunneltal für Abhilfe zu sorgen. Doch die Schwarzwildjagd gestaltet sich zusehends schwieriger. Die Schweine sind intelligent, haben offenbar aus der verstärkten Jagd Lehren gezogen. Die ursprünglich tagaktiven Tiere sind heute eher nachtaktiv. So bleiben den Jägern oft nur wenige Vollmondnächte im Jahr zur Jagd. Oft verbergen sich die Tiere zudem im unwegsamen Moor. „Wir warten jetzt auf den Winter mit Frost, um reagieren zu können“, sagt Jäger Wriggers. Eine sogenannte Drück- oder Treibjagd am Tag müsse zudem gut organisiert sein, damit die Tiere nicht auf umliegende U-Bahntrassen oder in Siedlungen getrieben werden.

Hans-Jürgen Wriggers  zeigt auf aufgebrochene Böden
Hans-Jürgen Wriggers zeigt auf aufgebrochene Böden © HA | Sebastian Knorr

Wildschweine leben in Rotten von fünf bis 20 Tieren. Sie werden angeführt von der Leitbache, dem ältesten und erfahrensten weiblichen Tier. „Sie sind sehr schnell“, sagt der Landwirt und Jäger Heiko Dabelstein aus Brunsbek. Er hat bei einer Treibjagd nach der Maisernte miterlebt, wie eine Rotte von fast 30 Wildschweinen über das Feld tobte und dabei vier Tiere erlegt.

Von Februar bis Juni sind weibliche Tiere tabu

Viel Zeit zum Handeln bleibt Wriggers für seinen Tunneltal-Auftrag nicht, denn im Februar beginnt die Schonzeit, die bis in den Juni reicht. Dann sind die weiblichen Tiere tabu, um den Frischlingen nicht die Mutter zu nehmen: „Wir schießen grundsätzlich keine Bache, das geht gegen die Jagdethik,“ sagt Heiko Dabelsteins Bruder Marco.

Schweine sind die einzigen Huftiere, die ein Nestbauverhalten zeigen. Wildschweine „frischen“ in einem geschützten und gepolsterten Wurfkessel. Die neu geborenen Frischlinge verbleiben je nach Witterung einige Tage bis Wochen darin. Neben der Muttermilch brauchen sie die von der Bache und den Geschwistern im Kessel erzeugte Nestwärme, weil sie ihre Temperatur noch nicht selbst regeln können. Spater gewährleistet die Bache Schutz vor Feinden, und die Jungtiere lernen unter ihrer Führung ihren Lebensraum kennen. Durch ihre Wühltätigkeit verschafft sie den körperlich noch schwachen Frischlingen den Zugang zur Nahrung. Ihren Nachwuchs verteidigt sie entschlossen und wehrt sich, wenn man sie vertreiben will.

Schäden durch Schweine bereiten Kiel Sorge

Wildschäden und die Gefahr der in Osteuropa grassierenden afrikanischen Schweinepest machen die Schwarzwildbejagung zur wichtigen Aufgabe, heißt es im Jahresbericht „Jagd und Artenschutz“ des Landes. Stormarns Jäger erlegten im Winter 2015/16 rund 1000 Tiere, im Jahr davor waren es 763.

Landesweit stieg die Zahl von 11.276 auf 12.556, in Deutschland waren es 2015 rund 520.000 Tiere. „In diesem Jahr werden wohl 800.000 Wildschweine geschossen – also ein absoluter Rekord“, sagt der Ahrensburger Jäger und Landwirt Hans-Jürgen Wriggers.

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Wenn eine Wildsau den Garten umgräbt, ist also Vorsicht geboten. Haustiere, insbesondere Hunde, sollte man fernhalten, rät der Deutsche Jagdverband. „Wenn die Tiere nicht durch lautes Rufen und Lärm zu vertreiben sind, ist ein geordneter Rückzug angesagt“, sagt Kreisjägermeister Klaus Klemm. Fachleute raten: Wer Probleme mit Wildschweinen hat, sollte einen stabilen Jäger- oder Stabgitterzaun anlegen, dessen Fundamente bis zu 50 Zentimeter tief in den Boden ragen.