Hamburg. Die Stadt will sich im Bezirk Harburg neu erfinden. 2200 Wohnungen werden dort nach einer 100 Jahre alten Gartenstadt-Idee gebaut.

Mit einem Bevölkerungszuwachs von 100.000 Bürgern rechnet der Senat in den nächsten 15 Jahren, rund 70.000 Wohnungen müssten dazu neu gebaut werden, heißt es. Und weil das wohl allein nicht mehr mit Baulücken oder aufgestockten Häusern in der inneren Stadt zu schaffen ist, richtet sich der Blick der Planer nun auch wieder verstärkt auf den Stadtrand: Am Donnerstag stellten Stadtentwicklungssenatorin Dorothee Stapelfeldt (SPD) und Hamburgs Oberbaudirektor Jörn Walter am Beispiel eines geplanten Neubauprojekts an der Landesgrenze in Neugraben-Fischbek (Bezirk Harburg) vor, wie man sich künftig eine solche Bebauung vorstellen muss. Als eine „Gartenstadt des 21. Jahrhunderts“ bezeichneten beide den Siegerentwurf eines städtebaulichen Architektenwettbewerbs, der dazu gerade entschieden wurde.

Ähnliche Vorhaben im Süden und Osten

Immerhin rund 2200 Wohnungen, zum großen Teil in Einfamilienhäusern, sollen dort zwischen S-Bahn und Bundesstraße 73 bereits von 2018 an gebaut werden. „Das wird unserer Vorreiter in dieser Entwicklung“, sagte Walter.

Tatsächlich dürfte es ähnliche Vorhaben in nächster Zeit nicht nur im Hamburger Süden, sondern auch im Osten der Stadt geben: So hat am Donnerstag nahezu zeitgleich die Senatskommission für Stadtentwicklung und Wohnungsbau auch ehrgeizige Neubaupläne für Oberbillwerder im Bezirk Bergedorf, eine „Gartenstadt Öjendorf“ und auch für Mümmelmannsberg auf den Weg gebracht und die Behörden mit dem Start konkreter Planungen beauftragt: Ein Potenzial von mehreren tausend neuen Wohnungen sieht die Stadtentwicklungsbehörde dort. Allein in Oberbillwerder könnten es gut 5000 werden, schätzt Walter.

IBA vermarktet die Grundstücke

Dort, wie in Neugraben-Fischbek (Projektname: „Fischbeker Reethen“), soll die städtische Projektentwicklungsgesellschaft IBA die meist städtischen Grundstücke an den Markt bringen. Die IBA war eigentlich einmal gegründet worden, um die Internationale Bauausstellung Wilhelmsburg zu organisieren. Nun ist sie weiter im Süden und eben auch im Osten der Stadt aktiv.

„Wir entwickeln Hamburg jetzt an neuen Orten weiter“, sagte Stadtentwicklungssenatorin Stapelfeldt zu den Plänen. Doch dazu brauche man nicht nur Fläche, sondern auch Ideen, wie Wohnraum „angemessen und bezahlbar“ werden könne. Rund 50 Prozent der Wohnungen sollen in dem Gebiet „Fischbeker Reethen“ daher gefördert oder in einer anderen Form günstig auf den Markt kommen, sagte Stapelfeldt und verwies auf das Beispiel der so genannten Effizienzbauten, die die Stadt bei ihren Grundstücksvergaben künftig besonders berücksichtigen will. Das sind nach Vorstellung der Politik standardisierte Haustypen, die günstig zu bauen sein sollen und damit Wohnraum mit günstigen Kaltmieten um acht Euro pro Quadratmeter bieten könnten. Von „Acht-Euro-Häusern“, spricht die Senatorin in diesem Zusammenhang.

"Neuinterpretation" alter Gartenstädte

Doch wie könnten nun die zukünftigen Stadtrand-Quartiere konkret aussehen? Die Jury um Oberbaudirektor Walter stimmte dabei sehr eindeutig für einen Entwurf des niederländischen Büros „KCAP Architects&Planners“, das dabei mit dem Büros „Kunst+Herbert“ zusammengearbeitet hat. Partner bei KCAP ist der international renommierte Architekt Kees Christiaanse.

Der KCAP-Entwurf ist aus Sicht der Stadtentwicklungsbehörde eine „Neuinterpretation“ der um 1900 an vielen Orten Europas gebauten Gartenstädte, die damals ein günstiges Wohnen im Grünen ermöglichen sollten. Das Plangebiet ist dabei heute größtenteils eine Wiesenlandschaft zwischen der Sandbek-Siedlung in Hamburg und dem niedersächsischen Neu Wulmstorf. Die Planer sehen Reihenhäuser vor, auch frei stehende Einfamilienhäuser sowie drei- bis viergeschossige Wohngebäude. Das Besondere: Ein vorhandener Bach und alte Feldwege bleiben im Prinzip erhalten. Der Charakter der Moorlandschaft soll sich dabei fingerartig von Nord nach Süd in das neue Wohngebiet hinein erstrecken. Es gibt einen großen Boulevard mit mächtigen Bäumen, aber auch kleine, geschwungene Straßenzüge. Und es soll dort eine sichtbare Mitte geben. Rund um einen kleinen See sieht der Entwurf ein Zentrum mit einer Schule, Geschäften und Gastronomie vor. Aber diese „Gartenstadt des 21. Jahrhunderts“ soll eben nicht nur zum Wohnen gebaut werden. Gut 45 Prozent der 70 Hektar großen Fläche sind für Gewerbebetriebe vorgesehen, die über eine eigene Zufahrtsstraße erschlossen werden sollen.

Mischform aus Wohnen und Gewerbe geplant

Größere Gewerbehallen sollen dem Entwurf zufolge unmittelbar entlang der Bahnschienen gebaut werden – was gleichzeitig eine Art Lärmschutz wird. Im Übergang zu den Wohnhäusern aber ist eine neue Mischform aus Wohnen und Gewerbe geplant. Von einer „Gründerstraße“, sprechen die Planer. Hier sollen sich Gründer kleiner Unternehmen ansiedeln können, die dort ihre Werkstätten oder Büros haben und hier auch wohnen können. Hamburgs Oberbaudirektor jedenfalls ist voller Lob für solche Ideen für den Stadtrand: „Der Entwurf schafft es mit bemerkenswertem Geschick, Wohnen und Gewerbe schlüssig und ansprechend miteinander zu verbinden“, sagte er.