Neugraben. BI Neugraben-Fischbek beklagt fehlende Kompromissbereitschaft des Senats im Dialog um Größe und Ansiedlung von Flüchtlingsunterkünften.

Schlechter hätte das neue Jahr für Hamburgs Sozialsenatorin Dr. Melanie Leonhard kaum beginnen können. Sieben Hamburger Bürgerinitiativen, die sich gegen den Bau von Massenquartieren für Flüchtlinge aussprechen, darunter die BI Neugraben-Fischbek (BINF) haben nun einen Dachverband gegründet, um sich noch besser vernetzen zu können. Damit reagierten sie auch auf den schärfer werdenden Ton im Dialog um Größe und Ansiedlung von Flüchtlingsunterkünften seitens des Senats.

In mehreren Interviews hatte die aus Harburg stammende Leonhard zuletzt keinen Zweifel daran gelassen, dass sie mit harten Hand durchsetzen werde, was der anhaltende Flüchtlingsstrom der Stadt abfordere: den massenhaften Bau fester Unterkünfte. Das bekräftigte die SPD-Politikerin auch wieder bei ihrem Blitzbesuch der Flüchtlingsquartiere in Neugraben. Dort hatte sie sowohl die Dependance der Zentralen Erstaufnahme im ehemaligen OBI-Baumarkt am Geutensweg besichtigt, als auch die kurz vor dem Jahreswechsel übergebene Folgeeinrichtung am Aschenland 13.

Sozialsenatorin Leonhard will jede gerichtliche Instanz ausschöpfen

Angesichts der Platznot für Flüchtlinge in Hamburg will Leonhard konsequent gegen gerichtliche Niederlagen vorgehen. Gegen klagende Anwohner von geplanten Quartieren werde sie „jede Beschwerde-Instanz ausschöpfen“, ließ sie in einem Gespräch mit der Deutschen Presse-Agentur (dpa) wissen. Die Senatorin sehe in dieser Ausein­andersetzung kaum noch Kompromissmöglichkeiten. Zumal einige Klägergruppen gar keinen Kompromiss wollten, sondern schlicht gar keine Flüchtlingsunterkunft.

Letzteres trifft auf die Bürgerinitiative Neugraben-Fischbek nicht zu. Die hat immer klargestellt, dass eine „Nulllösung“ keine Option sei. Sie wolle sich aktiv in den notwendigen Integrationsprozess einbringen, wenn die Zahl der am Aschenland unterzubringenden Flüchtlinge auf 1500 begrenzt wird. Dieses fortbestehende Angebot hatte die BINF Mitte Dezember bei einem Treffen mit der Sozialsenatorin erneuert. Und gleichzeitig aufgezeigt, wie ihr Kompromissvorschlag ausgestaltet werden könnte.

BINF: Integrationswille der Bürger wird mit Füßen getreten

Der Bitte um eine schriftliche Antwort ist Behördensprecher Marcel Schweitzer jetzt nachgekommen. Die Stadt sei „auf die Schaffung einiger größerer Unterkünfte angewiesen“, heißt es, weshalb in jedem Bezirk eine solche entstehen werde. Die Senatorin sehe aber weiterhin „Möglichkeiten für eine gemeinsame Verständigung“.

BINF-Sprecher Jan Greve zeigte wenig Verständnis für die starre Haltung des Senats. Der setze seine „Politik von oben herab“ fort, von Kompromissbereitschaft keine Spur. „Es zeigt sich deutlich, dass eine Bürgerbeteiligung gar nicht erwünscht ist“, so Greve. Leonhard sehe die BI offenbar nicht als Vertreterin des Stadtteils. Darüber hinaus ignoriere sie, dass auch andere gesellschaftliche Gruppen und sogar Abgeordnete in der Bezirksversammlung Harburg die Größe der Unterkunft ablehnen würden. Greve: „So wird der Integrationswille der BI Neugraben-Fischbek mit Füßen getreten.“ Als Konsequenz werde die BINF nun ihre Kooperation mit der Streitgemeinschaft Vogelkamp ausbauen und „weitere Protestmaßnahmen“ organisieren.

Integrationslast in Neugraben 10-mal höher als im Bundesdurchschnitt

Volker Jahnke, ein anderes Führungsmitglied der BINF, verwies noch einmal auf konkrete Zahlen. Die würden belegen, was den Neugrabenern im konkreten Fall abverlangt werde. Während deutschlandweit ein Flüchtling auf 80 Einwohner komme, werde in ganz Hamburg mit dem Verhältnis ein 1:33 gerechnet. In Neugraben-Fischbek laute es unterdessen 1:7,5.

„Das ist eine 10-mal höhere Integrationslast als sie im Bundesdurchschnitt zu tragen ist“, so Jahnke. Es müsse klar werden, dass die Einwohnerzahl in direktem Zusammenhang zur Integrationskraft stehe. Ganz abgesehen davon, dass im Stadtteil bereits heute überproportional viele Sozialhilfeempfänger leben würden: „Die damit verbundenen Schwierigkeiten und Risiken für die Integration liegen doch auf der Hand.“

Zumal es große Zweifel an den versprochenen Infrastrukturmaßnahmen im Zusammenhang mit dem Bau des Quartiers am Aschenland gibt. Für einfachste Behördengänge gebe es aktuell frühestens sechs Wochen später einen Termin. Und bei der ärztlichen Versorgung kämen momentan 908 Bürger auf einen Arzt, während das Verhältnis in ganz Hamburg 383:1 betrage.

„Schon jetzt muss in Süderelbe auf einen Kitaplatz sechs Monate und länger gewartet werden, von den erschöpften Kapazitäten vieler Schule ganz zu schweigen. Und dann wurde gerade die Jugendhilfe um 90.000 Euro gekürzt – ein Schildbürgerstreich angesichts der zu erwartenden Flüchtlingskinder“, sagt BINF-Mitglied Sven Blum.