Neugraben. Ehemaliger Bezirksamtsleiter behauptet, die BINF sorge für falsches Meinungsbild zum Großquartier am Aschenland.

In ihrem Bemühen, den Süderelbe-Bewohnern Gehör zu verschaffen, hat die Bürgerinitiative Neugraben-Fischbek (BINF) den nächsten großen Schritt vollzogen: Am frühen Montagabend saßen sechs ihrer Vertreter mit Hamburgs Sozialsenatorin Dr. Melanie Leonhard zusammen. „Es war eine Begegnung auf Augenhöhe“, lautet das Fazit von BINF-Sprecher Jan Greve.

30 Minuten waren für das Treffen im Amtssitz der Senatorin in der Hamburger Straße (Barmbek-Süd) ursprünglich anberaumt. Am Ende hatte sich Leonhard fast eine ganze Stunde Zeit genommen, um sich mit der BINF-Delegation auszutauschen. Deren Sprecher bekräftigten erneut, dass die Errichtung von Großquartieren wie am Aschenland in Neugraben große Risiken bergen würden. „Die Integration von 3000 bis 4000 Flüchtlingen an einem einzigen Standort ist nicht leistbar. Deshalb muss es in den Unterbringungskonzepten einen Paradigmenwechsel geben. Das ist und bleibt unser Standpunkt, und das haben wir auch deutlich gemacht“, berichtete Greve.

Sozialsenatorin verweist auf„verwaltungstechnische Zwänge“

Bekanntlich besteht die Bürgerinitiative darauf, die Folgeunterbringung am Aschenland auf 1500 Plätze zu begrenzen. Überdies fordert sie mehr Transparenz bei der Planung solcher Unterkünfte und eine bessere Einbindung der Bürger in die Entscheidungsprozesse. „Es ist doch inzwischen auch wissenschaftlich hinreichend belegt, dass eine Integration von Flüchtlingen in geplanten Massenquartieren wie am Aschenland nicht funktionieren kann. Diese Größenordnungen sind schlicht der falsche Ansatz, weil sie die Anwohner und Nachbarn vor unlösbare Aufgaben stellen“, sagt Greve.

Der Faktor aktive Bürgerbeteiligung sei letztlich Schlüssel für den Erfolg. Dabei stehe die Einwohnerzahl aber in direktem Zusammenhang mit der Integrationskraft. Greve: „Es ist ein politischer Irrglaube, dass bei der Errichtung von 4000er-Großeinrichtungen durch öffentliche Infrastruktur­maßnahmen die Risiken einer Ghetto­isierung vermieden werden können.“

Die Sozialsenatorin, die selbst aus Harburg stammt, hätte durchaus Verständnis für die Positionen der Bürgerinitiative geäußert, aber auch auf „verwaltungstechnische Zwänge“ verwiesen, denen sich die involvierten Behörden stellen müssten. Zum einen fehle es an ausreichend Flächen für kleinteiligere Unterkünfte, zum anderen am nötigen Personal. „Dann kann die Forderung nach einer bestmöglichen Integration aber nicht aufrechterhalten werden“, findet Greve.

Die BINF habe indes erneut das Angebot gemacht, sich konstruktiv in die Flüchtlingsarbeit einzubringen. Greve: „Wir wollen dabei eine verantwortungsvolle Rolle übernehmen, um so ein beispielhaftes Integrationsprojekt zu schaffen.“

Genau das bezweifelt Helmut Raloff. Der 79-Jährige ist seit 62 Jahren Mitglied der SPD, war von 1977 bis 1984 Bezirksamtsleiter von Harburg, wechselte dann für vier Jahre in den Planungsstab der Senatskanzlei und war anschließend weitere sieben Jahre als Staatsrat in verschiedenen Funktionen tätig. „Mein Onkel Karl war während der Nazidiktatur selbst Asylant in Dänemark und später in Schweden, meine Frau Gabriele stammt aus Königsberg und kam als Flüchtling nach Hamburg. Ich kenne mich in dieser Materie also bestens aus und weiß, was geht und was nicht“, so Raloff zum Abendblatt.

Schon mehr als 1200 Unterschriften gegen Massenquartier gesammelt

Aus seiner Sicht wolle die Bürgerinitiative nur Stimmung machen und bringe sich viel zu wenig ein, um ihr „Ja zur Hilfe“ mit konkreten Taten zu untermauern. Ganz im Gegensatz zur Flüchtlingsinitiative Süderelbe mit ihren mehr als 200 ehrenamtlichen Helfern. „Die einen machen die Arbeit, die anderen reden und protestieren lieber“, sagt Raloff. Überdies bezweifelt der Sozialdemokrat, dass die BINF tatsächlich für die Mehrheit der Süderelber spricht. Jedes Mitglied ihrer Facebook-Gruppe gleich zu einem überzeugten Gegner der geplanten Massenunterkunft am Aschenland zu erklären, sei abwegig und nicht seriös.

Jan Greve hält dagegen, dass die Infostände der Bürgerinitiative auf dem Neugrabener Rathausmarkt stets gut besucht und mehr als 1200 Unterschriften gegen das Großquartier ein beredter Beweis dafür seien, dass viele Anwohner hinter den Forderungen der BINF stünden. Zudem stehe man in engem Kontakt mit der Flüchtlingsinitiative und habe auch schon eigene Aktionen mit Bewohnern der ZEA am Geu­tensweg durchgeführt. Jan Greve: „Erst am vergangenen Sonntag waren wir mit zehn Jugendlichen in der Börse kegeln. Unsere Arbeit zu diskreditieren, wird unseren Gegnern nichts nutzen.“