Harburg. Hunderte Kulturfreunde pilgerten von Station zu Station und besuchten dabei Ateliers, Museen und Ausstellungen
Wer genau hinsah, entdeckte sie überall: Die kleinen, orangefarbigen Pins, die als Einlassberechtigung für den Harburger Kulturtag dienen, zierten am Sonnabend die Jacken von hunderten Harburgern. Einen ganzen Tag lang pilgerten sie von Station zu Station, um mit Harburgs Kulturschaffenden auf Tuchfühlung zu gehen. 25 Teilnehmer waren beim 12. Kulturtag dabei, von der Sammlung Falckenberg über diverse kleine Ateliers und Galerien bis zum Kulturkiosk, in dem Künstlerin Saskia Bannasch eine Video-Installation präsentierte.
Dutzende geschichtsinteressierte Harburger kamen ins Archäologische Museum, um im Rahmen einer Führung mehr über die für Ende November angekündigte Sonderausstellung „Ausgegraben. Harburg archäologisch“ zu erfahren. Noch hingen viele Platzhalter und Entwürfe an den Wänden, doch Museumspädagogin Yvonne Krause, die die Ausstellung gemeinsam mit ihren Kollegen entwickelt hat, gab einen spannenden und unterhaltsamen Einblick in die umfangreichen Grabungen, die dafür in der Harburger Schlossstraße durchgeführt wurden. „Wir haben über 36.000 Funde gemacht“, verriet sie. „Davon können wir natürlich nur einen Bruchteil zeigen. Da blutet einem als Archäologe förmlich das Herz.“
Die Funde reichen von Porzellan und Tongefäßen über Münzen und Schlüssel bis hin zu Pilgerzeichen und einer alten Mundtrommel – und geben Aufschluss über das Leben und die Wirtschaftsweise der Stadt Harburg. Vor allem in den Kloaken hätten die Archäologen so viele Funde gemacht, dass sie sich am Ende darum gerissen hätten, wer dort graben darf. Nachttöpfe, die beim Leeren vermutlich aus der Hand gerutscht sind, aber auch entsorgte Teller wurden gefunden, verriet Krause. Und eine Tonpfeife, in der sogar sich noch Tabak befand. „Die haben also schon damals auf dem Klo geraucht“, stellte eine Besucherin amüsiert fest.
Ein umfangreiches musikalisches Programm boten derweil die Harburger Kantorei, die Musikgemeinde Harburg und die St. Trinitatisgemeinde in der Johanniskirche. Ein Werkstattkonzert gab es von dem Posaunenchor der Musikgemeinde. Stefan Henatsch probte mit seinen Bläsern ein Stück aus deren bevorstehendem Konzert am 28. November in der Johanniskirche. Um den Besuchern ein „besonders intensives Hörerlebnis“ zu ermöglichen, nahm er das Stück zunächst in seine Einzelteile auseinander und erklärte die einzelnen Stimmen. Am Ende erklang das Stück schließlich in seiner ganzen Pracht.
„Wir sind begeistert“, sagte Renate Sikorski am Ende ihres Besuchs im Atelier Freistil. „So eine Vielfalt: All die verschiedenen Stile und Farbigkeiten. Das sind ganz tolle Eindrücke, die man hier mitnimmt. Wir waren beim vergangenen Kulturtag schon hier. Auch wenn das Atelier etwas ab vom Schuss liegt – die Fahrt hierher lohnt sich immer wieder.“
37 Künstlerinnen und Künstler mit und ohne Behinderung stellten in dem Atelier Arbeiten aus dem vergangenen Jahr aus. Eine ganze Woche hatten sie zuvor geackert, um es für die Ausstellung herzurichten. In dem nun leeren Raum kamen die Arbeiten besonders gut zur Geltung. Zahlreiche Malereien waren zu sehen, dazu kleine Tonarbeiten von Gisela Schöpplein und ein toller Gastbeitrag von Künstlerin Kathrin Wolf, die einen fantasievollen Baum an die Wand gemalt hat.
Der größte Hingucker allerdings war die Arbeit von Janine Reinhardt. „Das sieht ja aus wie ein Kaleidoskop“, sagte Besucherin Susanne Rieck, als sie inmitten der bunten, als begehbare Schnecke angeordneten Kollage-Arbeiten stand. „Genau so heißt die Arbeit auch“, klärte Peter Hübner vom Atelier Freistil auf, und fügte zu Recht mit etwas Stolz hinzu: „Thomas Sello, ehemaliger Museumspädagoge der Hamburger Kunsthalle, der unsere Ausstellung gestern eröffnet hat, meinte, so etwas würde man auch bei Ausstellungen in Paris sehen.“