Neugraben-Fischbek. Mehr als 1300 teils aufgebrachte Anwohner kamen um Infoabend wegen der geplanten Flüchtlingsunterkunft in Neugraben-Fischbek.

„Ich glaube Ihnen kein Wort mehr“, donnerte die Stimme eines älteren Mannes am Mittwochabend durch die CU-Arena am S-Bahnhof Neugraben. Gemeint war Bezirksamtsleiter Thomas Völsch, der sich gemeinsam mit Harald Krüger, Vorstand des Deutschen Roten Kreuzes Hamburg-Harburg, Heie Kettner von der Behörde für Arbeit, Soziales, Familie und Integration (BASFI) und Bernd Krösser, dem Staatsrat der Behörde für Inneres und Sport (BIS), den Fragen der Anwohnerinnen und Anwohner stellte. Bei der öffentlichen Informationsveranstaltung zur Quartiersentwicklung Am Aschenland/Geutensweg zeigte sich, dass vielen Anwohnern das Vertrauen in die Politik und die Behörden inzwischen zu fehlen scheint.

Besonders Kettner bekam den Unmut der mehr als 1300 Zuschauer zu spüren, als er die Pläne für die Zentrale Erstaufnahme für Flüchtlinge am ehemaligen Obi-Baumarkt und die Folgeunterbringung Am Aschenland und zum Wachtelkönig präsentierte. Buhrufe und Pfiffe – aber auch Applaus – hallten durch die Halle, als Kettner seinen kurzen Vortrag beendete.

Völsch hatte die zahlreich erschienenen Anwohner um kurz nach halb sieben begrüßt. Bis nach 21 Uhr hagelten Fragen und Statements auf die vier Vertreter ein. Und bis auf wenige Ausnahmen blieb es eine zwar kritische, aber stets sachliche Diskussion. Insbesondere bezüglich der Sicherheit rund um das geplante Folgeunterbingungsheim ergaben sich bei den anwesenden Anwohnern viele Fragen und Sorgen. Das Verlangen nach mehr Polizei vor Ort wurde von mehreren Fragenden aus dem Publikum klar zum Ausdruck gebracht.

Genauso kritisch gesehen wurde die große Anzahl der Flüchtlinge auf engstem Raum. „Die Menschen haben Angst“, sagte ein Redner aus dem Publikum. Angst wovor? Vor einer Ghettobildung? „Wir haben kein Interesse an einem eigenen Flüchtlingsdorf“, so DRK-Harburg Vorstand Harald Krüger, der genau wie Völsch, Kettner und Krösser betonte, wie wichtig eine gelungene Integration sei. „Ghettos entstehen auch durch das Umfeld und die Nachbarschaft“, sagte Innenstaatsrat Bernd Krösser. Um das zu verhindern ist angedacht, dass die künftigen Bewohner in der Folgeunterbringung Deutschkurse in Anspruch nehmen sollen. Konsens zwischen den Anwohnern und den Offiziellen gab es darin, einen „Ort für Begegnung“ oder ein Gemeindezentrum einzurichten.

Die neue Zentrale Erstaufnahme im Gebäude des ehemaligen Baumarkts sei zwar keine ideale Lösung, doch habe sie einen „banalen Grund“. „Es gibt in Deutschland nicht mehr genügend der gewohnten Container zu kaufen“, sagte Krösser. Deshalb suche man eben nach anderen Lösungen. „Es ist ein Kampf, den Leuten, die hierherkommen, ein Bett anzubieten. Rund 3000 Menschen leben in Hamburg derzeit in Zelten“, so Krösser weiter. Seit Anfang September kämen 300 bis 500 Flüchtlinge täglich in Hamburg an. Und auch diese haben selbstverständlich Rechte. Um zum Beispiel die ärztliche Versorgung zu gewährleisten, laufen bereits Gespräche mit einer Arztpraxis aus dem Norden Hamburgs. Geplant sei eine Dependance dieser Praxis am Flüchtlingsheim.

„Ich weiss, dass wir den Menschen in Hamburg hier einiges zumuten“, sagte Krösser. „Eine große Herausforderung kommt auf uns zu“, bestätigte auch Völsch, der aber auch klarstellte: „Wenn wir alle zusammenhalten, dann können wir das schaffen. Ich kann Ihnen nichts versprechen, außer, dass wir versuchen werden, alles zu geben.“ Krösser räumte zudem mit von ihm betitelten „migrationspolitischen Illusionen“ auf, die sich momentan größtenteils zerstreuen würden. „Die Annahme, dass die meisten Flüchtlinge wieder gehen werden, ist falsch. Dieser Situation müssen wir uns stellen.“

Bis Februar sollen erste Häuser für die Folgeunterbringung fertiggestellt werden. Danach seien vier weitere Häuser pro Woche möglich, so Völsch. Ein weiterer Infoabend soll bald folgen.