Handeloh. 29 Tagungsteilnehmer sollen Halluzinogene konsumiert und einen Rettungseinsatz verursacht zu haben. Erste Vernehmungen Anfang der Woche.

Nach einer Massenvergiftung mit 29 Verletzten im niedersächsischen Handeloh haben Polizei und Staatsanwaltschaft Ermittlungen gegen die Beteiligten eingeleitet. Sie werden beschuldigt, am Freitag Halluzinogene eingenommen zu haben, sich selbst verletzt und somit einen Großrettungseinsatz verursacht zu haben, sagte ein Polizeisprecher am Sonnabend. Es bestehe der Anfangsverdacht des Verstoßes gegen das Betäubungsmittelgesetz.

Bei der Droge habe es sich offenbar um das in Deutschland seit Ende 2014 verbotene „2C-E“ gehandelt, in Szene-Kreisen auch als „Aquarust“ bekannt. Hinweise darauf, dass die Betroffenen zur Einnahme der Droge gezwungen worden seien, gebe es nicht. Die Substanz zählt wie das Amphetamin zu den Phenylethylaminen, verändert die Wahrnehmung von Farben und Geräuschen und ist zudem ein sehr starkes Halluzinogen – lässt also Dinge sehen, die gar nicht da sind.

Legal therapeutisch verwendet wird 2C-E nicht, weil nicht genügend über das Suchtpotenzial, mögliche Langfristschäden und die Nebenwirkungen der Psycho-Droge bekannt ist. Nach Einschätzung der Ärzte war es für einige der Betroffenen am Freitagnachmittag „höchste Eisenbahn“ für medizinische Hilfe. Sie litten demnach unter schweren Wahnvorstellungen, Krämpfen, Schmerzen, Luftnot und Herzrasen. „Krampfanfälle sind meist auch lebensgefährlich“, beschreibt Feuerwehrsprecher Matthias Köhlbrandt den Ernst der Lage. Die Menschen seien vor und in dem Gebäude angetroffen worden. Der erste Notarzt vor Ort habe die Situation sofort erkannt und den Einsatz hochgestuft. „Massenanfall von Verletzten“ – Gefahrenstufe drei.

Mehr als 150 Rettungskräfte waren am Freitag im Einsatz gewesen, um die Menschen im Alter zwischen 24 und 56 Jahren in Krankenhäuser zwischen Hamburg und Walsrode zu bringen. Am Sonnabendnachmittag wurden die ersten Seminarteilnehmer aus den Kliniken entlassen. Einige der Betroffenen seien in der Nacht intensivmedizinisch versorgt worden, sagte der Sprecher des Landkreis Harburg, Johannes Freudewald. Insgesamt sei der Zustand der Patienten inzwischen aber stabil. "Die Auswirkungen sind je nach Konstitution unterschiedlich", so Freudewald. Weshalb die Menschen die Drogen eingenommen hatten, blieb unklar.

In der Zwischenzeit hat die Polizei die Sicherung des Tatortes abgeschlossen. Anfang der Woche sollen die Betroffenen vernommen werden, sagte der Sprecher der Polizeiinspektion Harburg, Lars Nickelsen, auf Anfrage des Abendblatts.

Das Tagungszentrum „Tanzheimat Inzmühlen“ wird von der Stiftung „Heilende Kräfte im Tanz“ (HKiT) betrieben. Motto: „Wer die Einkehr und Stille in der Natur sucht und auf einem Seminar ungestört tagen will, ist hier goldrichtig.“ Die Leiterin der Einrichtung, Stefka Weiland, die die Seminargruppe von früheren Besuchen kannte, hatte die Rettungskräfte alarmiert. Die meisten Teilnehmer kämen aus Hamburg, sagte sie. „Wir sind entsetzt und schockiert, und wir distanzieren uns von dem, was da vorgefallen ist. Damit haben wir nichts zu tun.“