Harburg. ... und im Bezirk stehen zur selben Zeit mehr als einhundert städtische Wohnungen leer. Die Linke bezeichnet das als einen echten Skandal.
Nach Abendblatt-Informationen hat sich die Lage in der Zentralen Erstaufnahme in der Harburger Poststraße dramatisch zugespitzt. Nachdem im Vormonat als Notmaßnahme zusätzliche Betten in der Schalterhalle des ehemaligen Postamtes aufgestellt worden waren, sind auch diese Kapazitäten offenbar inzwischen erschöpft.
Zuletzt mussten jüngst in Harburg eingetroffene Asylbewerber auch schon in einer Halle campieren, in der sich Postschließfächer von Postkunden befinden. „Dort saßen und lagen die Menschen in Dreierreihen auf dem Fußboden und auf Tischen“, wird ein Augenzeuge in der Facebook-Gruppe „Harburger helfen geflüchteten Menschen“ zitiert.
Laut Initiator und Administrator Werner Gottwald könne das „entstandene Chaos anscheinend nicht mehr in geordnete Bahnen gelenkt werden“. Helfer hätten berichtet, dass längst nicht mehr alle Geflüchteten ordnungsgemäß erfasst werden könnten, bevor sie mit Bussen in eine andere Erstaufnahmeeinrichtungen gebracht würden.
Deshalb hätten es einige Neuankömmlinge vorgezogen, bei Verwandten zu übernachten und seien auch nicht mehr in die ZEA zurückgekehrt. Nicht wissend, dass sie damit ihr Recht auf Asyl gefährdeten.
Harburgs Linke bezeichnete diese Zustände als „menschenunwürdig“. Sie forderte den Harburger Bezirksamtsleiter Thomas Völsch, den Hamburger Innensenator Michael Neumann und Hamburgs ersten Bürgermeister Olaf Scholz auf, dringend für eine Entlastung der ZEA-Einrichtung in der Harburger Poststraße zu sorgen.
„Den Lippenbekenntnissen zur Geflüchtetenunterbringung des Hamburger Senates und des Bezirksamtes Harburg müssen endlich Taten folgen“, sagte André Lenthe, stellvertretender Vorsitzender der Fraktion Die Linke in der Harburger Bezirksversammlung.
SAGA-Bauten in der Denickestraßestehen einmal mehr im Fokus
In diesem Zusammenhang erneuerte er zudem die Forderung, der Bezirk müsse endlich leerstehende Wohnungen und Gewerberäume für die Nutzung als Wohnunterkunft freigeben und mit Geflüchteten belegen.
„Es ist unerträglich, dass Menschen in Zelten oder auf dem blanken Fußboden schlafen müssen, in der Harburger Denickestraße aber mehr als einhundert sofort beziehbare Wohnungen schon länger als ein Jahr leerstehen“, so Lenthe.
Wie im Abendblatt bereits berichtet, handelt es sich dabei um jene Rotklinker-Bauten der stadteigenen SAGA mit einer Gesamtwohnfläche von 12.800 Quadratmetern, die bereits im Vorjahr abgerissen werden sollten.
Da aber noch immer nicht alle Mieter ihre Wohnungen verlassen haben, konnte das Neubauprojekt, bei dem 326 neue Wohnungen und eine Kindertagesstätte entstehen sollen, noch immer nicht angegangen werden.
„Deshalb müssen Bezirksamt und Hamburger Senat den politischen Druck auf die SAGA jetzt erhöhen und auf eine schnelle, unbürokratische Lösung hinarbeiten“, sagt Lenthe. Stattdessen werde dieser Vorschlag durch die SAGA und das Bezirksamt Harburg aber weiterhin mit „fadenscheinigen Argumenten“ abgewiesen.
Erst kürzlich hat eine Schriftliche Kleine Anfrage der Links-Fraktion in der Bürgerschaft (DS 21/1067) ergeben, dass es tatsächlich viele leerstehende Wohn-, Büro- und Gewerbeflächen gebe. Diese blieben in der Mehrzahl aber ungenutzt, weil die Behörden die Kosten, insbesondere für den „ungenügenden Brandschutz“, scheuen würden.
„Das klingt mit Blick auf die chaotischen Zustande in vielen Erstaufnahmeeinrichtungen dieser Stadt wie blanker Zynismus“, kommentierte Sabine Boeddinghaus, Chefin der Links-Fraktion in der Bürgerschaft, die Senatsantwort
. Es sei empörend, dass in einer der reichsten Städte der Welt einige Menschen nicht einmal mehr ein Bett fänden. Die Behörden müssten endlich damit beginnen, den Leerstand in dieser Stadt zur Unterbringung geflüchteter Menschen zu nutzen. Tatsächlich aber würden die Behörden unüberwindbar scheinende Hürden aufbauen.
Das gilt wohl auch für Bestandsgebäude der Phoenix und eine Fläche am Moorburger Bogen. „Aber das Schlafen auf Fußböden, Tischen und Bänken, zu Hunderten in einem Saal, scheint offenbar alternativlos zu sein, das ist ein Skandal“, so Boeddinghaus. Es sei höchste Zeit, die alternativen Unterbringungsmöglichkeiten in Harburg zu nutzen, um die Mindeststandards für eine menschenwürdigen Unterbringung wieder gewährleisten zu können.