Ollsen. In unserer Serie stellen wir Landgasthöfe vor, zu denen sich ein Ausflug lonht. Heute geht es “Zur Eiche“ im Landkreis Harburg.
Sie ist Anfang 40, hat feine Züge, eine schlanke Figur und langes blondes Haar, glatt und glänzend. Claudia Albers erinnert äußerlich an Mette-Marit, die Gattin des norwegischen Thronfolgers. Jene skandinavische Frau aus dem Volk, die zur Prinzessin aufstieg. Claudia Albers ist von der Hobby-Köchin zur Gastronomie-Königin avanciert. Erst gründete die Hanstedterin ein Catering-Unternehmen. Dann wurde sie Restaurant- und Hotelchefin in Ollsen.
Ihr ist gelungen, was kaum noch ein Dörfler des 280-Seelen-Fleckens zu hoffen gewagt hatte und was von Branchenkennern für unwahrscheinlich, wenn nicht für unmöglich gehalten wurde: Die Wiederbelebung des Dorfgasthofs „Zur Eiche“ nach langem Leerstand. Am 8. August feiert das Haus mit einem großen Sommerfest und viel Musik sein dreijähriges Bestehen unter neuer Leitung.
Die „Eiche“ hat dem Dorf zu neuer Popularität verholfen
Die gute Küche ist mittlerweile weit über die Grenzen des Ortes hinaus bekannt. Feinschmeckern zwischen Hamburg und Hannover ist der Name des Dorfgasthofs ebenso geläufig wie Heideurlaubern, die das Restaurant „Zur Eiche“ als Basis für Spaziergänge oder Radtouren im Naturschutzgebiet Lüneburger Heide nutzen.
Die Ollsener sind Claudia Albers dankbar für die neu gewonnene Popularität. Denn wenn unter dem großen Ziegeldach mit den geschwungenen Gauben Hochzeit gefeiert wird, wenn eine Tagung oder ein Fest stattfindet, dann sind nicht nur die elf Gästezimmer im Nebengebäude „Zur kleinen Eiche“ belegt. Dann ist darüber hinaus auch jede Pension des kleinen Heideorts ausgebucht.
Claudia Albers hat nie eine gastronomische Ausbildung genossen
Das Wunder von Ollsen kam unverhofft. Auch für Claudia Albers selbst. „Dass ich mal ein Restaurant führen würde, hätte ich mir früher nicht träumen lassen“, bekennt sie. Schließlich hat sie nie eine gastronomische Ausbildung genossen. Kochen war ihr liebstes Hobby und was sie auf den Tisch brachte, schmeckte nicht nur ihrer Familie. Wenn Freunde und Bekannte Partys gaben, ließen sie lieber Claudia Leckereien servieren, anstatt selbst am Herd zu stehen. So wurde die kaufmännische Angestellte schließlich zur selbstständigen Cateringunternehmerin.
Claudia Albers hatte mit ihrem Partyservice ein Jahrzehnt Erfahrungen gesammelt, als sie von einem Investor gefragt wurde, ob sie Pächterin des Ollsener Restaurants werden wolle. „Zuerst war ich skeptisch. Meine Entscheidung fiel in dem Moment, in dem ich das Haus erstmals betrat. Das hat sich sofort irgendwie richtig angefühlt.“ Das historische Gasthaus, 1858 erstmals urkundlich als „Krugwirtschaft mit Ausspann“ erwähnt, war in den 1950er Jahren abgebrannt, aber weitgehend im ursprünglichen Stil wieder aufgebaut worden.
Besondere Atmosphäre durch Ursprünglichkeit und Moderne
Das stolze Gebäude steht im Schutz von Baumriesen. An einem der ausragenden Äste hängen ein paar dicke Seile. Eigentlich hätte auf dem großen Grundstück ein Kinderspielplatz mit Klettergeräten entstehen sollen. Inzwischen ist Claudia Albers sehr froh darüber, dass Zeit und Geld dazu nicht reichten. Denn die jungen Gäste vergnügen sich mit simplem Spiel sehr gut. Sie klettern und schaukeln, suchen Eicheln und Stöcke, verstecken sich hinter Baumstämmen und im Gebüsch.
Auch im Inneren des Hauses sind viele ursprünglich geplante Maßnahmen aus Zeit- und Kostengründen zunächst aufgeschoben und inzwischen ad acta gelegt worden. Holzvertäfelungen und sogar die altertümliche Garderobe samt Kleiderbügeln mit dem Namen des Gasthofs blieben erhalten und mit ihnen die besondere Atmosphäre. Jene spezielle Mischung aus Ursprünglichkeit und Moderne, die den meisten Menschen besonderes Wohlgefühl bereitet.
Im Gasthof „Zur Eiche“ lassen sich mittelständische Unternehmer den Horizont durch informative Vorträge und den Magen durchs üppige Buffet erweitern. Eleven einer bajuwarischen Jagdschule gewinnen unter dem ausgestopften Kopf eines Keilers neue Erkenntnisse über das Waidwesen. Ein Chefarzt lädt regelmäßig Kollegen zum Meeting ins Kaminzimmer. Anzugträger und Freizeit-Radler in gepolsterten Hosen sitzen Seite an Seite an Tischen mit karierten Decken. Im großen Saal treffen sich vermögende Hanseaten zum Fest, die örtliche Feuerwehr zur Lagebesprechung und die Einheimischen zum traditionellen „Nickelabend“ mit Kartenspiel.
Das sollten sich Besucher nicht entgehen lassen
Der Gasthof ist immer noch die gute Stube der Gemeinde
Die „Eiche“ ist und bleibt Ollsens Treffpunkt, die „gute Stube“ der Dörfler. Die prächtigen Hirschgeweihe, die das Gastzimmer schmücken, hat ein Ortsansässiger gestiftet, dessen Gattin keine Trophäen über dem heimischen Sofa duldet. Nun genießt er den Anblick eben im Restaurant. Die Feuerschale vor dem Eingang wird von einem hilfsbereiten Nachbarn befeuert. Wenn es schneit, räumt die Feuerwehr den großen Parkplatz – kostenlos.
„Viele Hände, gutes Ende“, reimt Christa Kröger vergnügt. Die 73-Jährige gehört zu den guten Geistern der Küche. Ihre Spezialität ist der Gurkensalat, der zum Original Wiener Kalbsschnitzel gereicht wird. Liesel Homann, 65, ist für die Vorbereitung der Kartoffeln zuständig. Beide „Schnibbelfrauen“ arbeiten dem Koch zu und bereichern den Speiseplan mit Rezepten von anno dazumal. So gibt es zuweilen Zungenragout, Tafelspitz, Kohlrouladen, Bohnen, Birnen und Speck, Hamburger Pannfisch oder Steckrübeneintopf. Auf der Karte stehen aber auch asiatische Gerichte oder französische Fischsuppe. „Nur, dass die hier mit Rücksicht auf das norddeutsch bäuerliche Ambiente nicht Bouillabaisse heißt, sondern Ollsener Fischpott“, sagt Küchenchef Björn Winkler.
Gerade darin liegt die Herausforderung, weiß Claudia Albers. „Es ist leichter, 1000 Leute mit Catering zu versorgen als 50 à-la-carte-Gäste.“ In den ersten Monaten nach der Eröffnung war zuweilen Geduld nötig. Ein Schluck Schnaps vor dem ersehnten Essen erwies sich als geeignet, unruhige Mägen und Gemüter zu besänftigen. Um auf vergnügliche Weise „einen Zwitschern“ zu können, konstruierte ein erfinderischer Dörfler einen Nistkasten für Birnenbrand und Schnapsgläser. Ein anderer ergänzte eine Beschallungsanlage. So entstand der Ollsener „Zwitscherkasten“, der nicht nur Schnapsdrosseln begeistert.
So erreichen Sie den Landgasthof „Zur Eiche“
Lieblingsrezept vom Küchenchef: Lachs-Kräutercrêpes-Röllchen
Zutaten (Vorspeise für vier bis fünf Personen): 2 Eier, 150 g Mehl, 250 ml Milch, eine Prise Salz, eine Handvoll frischen Dill und Petersilie, 1 Packung Frischkäse, frischer Meerrettich (Menge je nach Geschmack), zwölf Scheiben geräucherter Lachs, eine Hand voll Rucola.
Zubereitung: Für den Teig werden die Eier, das Mehl, die Milch und klein gehackte Kräuter vermengt und zu einem dünnen Teig gemischt. Daraus werden möglichst dünne Pfannkuchen gebacken. Das kann gerne auch am Vortag geschehen. Für die Füllung den Frischkäse mit frisch geriebenem Meerrettich, Salz und Pfeffer vermischen, dann auf die Pfannkuchen streichen, mit geräuchertem Lachs und Rucola belegen, einrollen etwas durchziehen lassen und schräg aufschneiden.
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