Fliegenberg. Jung-Unternehmerin Sandra Speer setzt auf Freilandhaltung – jeder soll sehen können, dass es den Hennen gutgeht.
Um 10 Uhr endet für die Hühner die Nacht. Wenn Sandra Speer die Luke öffnet, rennen die 320 Legehennen nach draußen, unter ihnen frisches Gras. Die junge Frau streut etwas Futter in die Menge, und auf einmal sind die Menschenbeine umhüllt von einem Teppich aus hellbraunen, weichen Federn. Ein Huhn betrachtet neugierig die Kamera, so ein Fotoshooting mit dem Abendblatt hat man ja als Huhn nicht alle Tage. Die Hühner folgen auf Schritt und Tritt. „Sie sind neugierig, aber sie fühlen sich so auch sicherer“, erklärt Sandra Speer.
Speers Hühner leben in einem mobilen Hühnerstall
Seit gut einem Monat ist die 35-Jährige aus Fliegenberg an der Elbe Unternehmerin: Gerade baut sie ihren Vertrieb von Eiern aus Freilandhaltung auf. Die Besonderheit: Speers Hühner leben in einem mobilen Hühnerstall. Auf einem Chassis ist der Stall, der etwa die Größe eines 40-Fuß-Containers hat, montiert. Somit kann den Hühnern regelmäßig neue Auslauffläche geboten werden – ist ein Wiesenstück abgefressen, zerscharrt und vollgemistet, wird der Anhänger einfach an einen anderen Ort gezogen.
Auf hühnergerechten Komfort müssen die Tiere dabei nicht verzichten: Legenester, Wasser und Futter, Schlafplätze, Einstreu – alles ist vorhanden. Mit Plexiglas-Klappen an der Unterkante des Wagens kann den Hühnern ein Wind- und Raubtierschutz geboten werden. Sogar ein „Gartenhäuschen“ haben die Hühner. Eine – ebenfalls auf Rädern platzierte – Sandkiste mit Dach gibt den Vögeln die Möglichkeit, im Staub zu „baden“, wenn ihr Auslauf nach einem Regen matschig ist. Das Einstäuben dient der Pflege des Gefieders und hilft dabei, Parasiten loszuwerden. Weil es aber in den vergangenen Tagen doch eher wenig geregnet hat, sind auf der Wiese zahlreiche Kuhlen zu finden, die die Hühner „gehudert“ haben.
Schon in der zweiten Woche kamen sie nach draußen, weil es zu heiß war
Anfang Juni sind die Hühner in ihr neues Mobilheim gezogen, zwei Wochen sollten sie zur Eingewöhnung drinnen bleiben. Doch schon in der zweiten Woche kamen sie vorzeitig nach draußen, weil es zu heiß war. Der erste Standort ist noch am vergilbten Gras zu erkennen. In acht bis zehn Wochen wird sich die Fläche erholt haben. Jetzt steht der Stall ein paar Meter daneben „Noch etwa eine Woche, dann muss der Stall wieder umziehen“, erklärt Sandra Speer. „Die EU-Norm schreibt vier Quadratmeter Auslauf pro Huhn vor. Wir kommen hier auf acht bis neun“, erklärt sie. Trotzdem halten sich die Hühner gern unter dem Wagen auf, geschützt und im Schatten. Bisher hat es noch kein Fuchs geschafft, zu ihnen vorzudringen. Außerdem passen einige Hähne auf die Hennen auf.
Die Idee, ins Eiergeschäft einzusteigen, entstand relativ spontan. Die Familie Speer hatte ihre Milchviehhaltung schon länger aufgegeben, der Hof hat sich inzwischen auf Erzeugung und Vertrieb von Kleintierstreu und -futter spezialisiert. „Aber die Märkte verändern sich schnell, es ist besser, nicht nur von einem Produkt abhängig zu sein“, sagt Sandra Speers Vater Reinhard. Er war mit einem Jagdkameraden, der einige Hühner hält, ins Gespräch gekommen. „Wir haben ein paar Tage überlegt und gesagt: wir machen das.“ Und für Sandra Speer war das der Sprung in die Selbstständigkeit. „Ich war zehn Jahre lang als Industriekauffrau bei Airbus beschäftigt. Dann wurde mir aber klar, dass ich wieder auf unseren Hof möchte“, erzählt sie.
„Mittlerweile bin ich mit Leidenschaft dabei“, sagt Speer
Das Prinzip der mobilen Ställe begeistert sie ebenso wie die Hühner selbst. „Mittlerweile bin ich mit Leidenschaft dabei“, sagt sie und lacht. Im Moment ist die Hühnerhaltung vor allem mit viel Arbeit verbunden. Automatisiert ist hier nichts, zweimal täglich muss Sandra Speer nach dem Rechten schauen. Sehen, ob es den Hühnern gut geht. Deswegen kam für sie nur Freilandhaltung infrage, und dank der Mobilställe kann und soll das jeder sehen: „Wir wollen zeigen, dass es den Hühnern gut geht.“ Deswegen sind später Gästeführungen geplant.
Doch damit das Geschäft sich lohnt, die Eier zu einem konkurrenzfähigen Preis angeboten werden können, reicht ein Stallanhänger auf Dauer nicht. Sandra Speer plant daher, auf rund 7000 Hühner aufzustocken. Es gibt auch größere Mobilstall-Varianten, bei denen die Eier über Förderbänder transportiert werden. Auch mehr Personal wird dann nötig sein. „Das ist eine Investition von rund einer Million Euro“, sagt Reinhard Speer. Der Vertrieb erfolgt direkt ab Hof (Fliegenberg 38) sowie über Verkaufsautomaten, für die noch Standorte gesucht werden. Ende nächster Woche geht’s los.
Infos in Kürze unter www.heilight-elbmarsch.de