Der Harburger Regisseur Dennis Albrecht komplettiert sein Serienexperiment „Filmstadt“ bei einem Dreh in Wilhelmsburg
Gegen 15 Uhr hat die Hamburger Schauspielerin Claudia Reimer das Aida-Kreuzfahrtschiff in Finnlands Hauptstadt Helsinki verlassen. Fünf Stunden später steht sie fertig für die Dreharbeiten in Gala-Garderobe vor dem Museum Elbinsel Wilhelmsburg. Am nächsten Morgen geht es weiter zum Filmfest nach München. Aber Hamburgs Fernsehschauspieler jetten gerne, wenn der Harburger Regisseur Dennis Albrecht zu seinem Serienexperiment „Filmstadt“ ruft. Am Wochenende hat er in Wilhelmsburg finale Szenen der letzten Staffel gedreht – mit dem Amtshaus von 1724 als standesgemäße Kulisse für eine Gala der Gemeinheiten.
Auch wenn einzelne Szenen noch bis Oktober entstehen, ist die Serie „Filmstadt“ mit den Aufnahmen vom Wochenende nahezu „durchgedreht“. Dennis Albrecht drückt aufs Tempo, weil er eine Kinoversion schneiden und sich damit für das Filmfest Hamburg bewerben will.
Allein 25 Schauspieler und acht Komparsen an zwei Drehtagen – eine so große Crew ist bei Deutschlands zurzeit größten Independent-Serienproduktion noch nicht am Set zusammengekommen. „Wir filmen das große Finale. Da fände ich es schade, nicht dabei zu sein“, erklärt Claudia Reimer die Anreise aus Helsinki.
Die Serie „Filmstadt“ erzählt die Geschichten von den vielen unbeachteten Schauspielern, Statisten, Regisseuren und Autoren, die ihren Platz in der Filmbranche suchen. Die Filmleute dürfen darüber ätzen, was in ihrer Branche schiefläuft – das macht sie bei den Serienschauspielern so beliebt. Dennis Albrecht befreit sie aus den stereotypen Rollen, in denen sie sonst gefangen sind.
Katrin Ingendoh weiß das zu schätzen und wirkt im „Filmstadt“-Finale mit. Ihre Karriere geht zurzeit bergauf. Sie spielt die Hauptrolle in der neuen NDR-Comedyserie „Jennifer – Sehnsucht nach was Besseres“ – zusammen mit Olli Dittrich und Doris Kunstmann.
Claudia Reimer spielt eine Produzentin, die - freundlich gesagt - die Ellenbogen einzusetzen weiß. Sie lässt Konkurrenten über die Klinge springen. Und Sandra Quadflieg dürfte sich vermutlich wieder so wie damals fühlen, als sie eine Tänzerin in Sebastian Schippers Kultfilm „Absolute Giganten“ spielte.
„Fernsehen scheint mir doch irgendwie altmodisch zu sein!“
In „Filmstadt“ gibt sie das Stehaufmännchen, dass sich bei YouTube mit Videos vom korrekten Entpacken und Installieren von Computerspielen zwar „zum Horst macht“, aber mit einer Million Clicks so etwas wie ein Star wird. „Fernsehen scheint mir doch irgendwie altmodisch zu sein“, ätzt sie überlegen einen Fernsehmacher an, der in ihr seine letzte Chance sieht.
Geht es nach Dennis Albrecht, soll das Publikum solche Sätze auch in deutschen Telenovelas hören dürfen. Der Regisseur und Produzent ist davon überzeugt, dass in Deutschland qualitativ gute Vorabendserien möglich seien. Mit seinem ambitionierten Fernsehexperiment „Filmstadt“ will er das trotz Mini-Budgets beweisen. Für das Serienfinale haben die beiden Produzenten Dennis Albrecht und seine Frau Emma Gross mehr als 7000 Euro mit einer Crowdfunding-Kampagne gesammelt. In der Kulisse des herrschaftlichen Museumsgebäudes inszeniert Dennis Albrecht in Wilhelmsburg eine Gala, die als Farce endet. Der gescheiterte Produzent Gorweiler (Oliver Hermann) rechnet mit allen ab, von denen er sich verraten fühlt. Wegen Insolvenzverschleppung ist der eifrigste Staatsanwalt der Stadt hinter ihm her. Doch so ist das in der Glitzerwelt des Films. Gorweiler hat noch einen starken Auftritt – und Sekunden später bleibt er allein zurück. Die Meute hastet aus dem Saal.
Was bedeutet schon eine gescheiterte Existenz, wenn das Büfett eröffnet? „Das ist wie im echten Leben“, sagt Dennis Albrecht, „die Party geht immer weiter.“ Durchgedreht eben.