Harburg. Nach Ansicht der kleinen Harburger Fraktionen bemächtige sich die GroKo oft fremder Anträge. Bilanz der Bezirksversammlung, Teil 2.
Heute tagt die Bezirksversammlung im Rathaus zum letzten Mal vor der Sommerpause. Auf der Agenda stehen noch mal üppige 40 Anträge der Fraktionen. Die Hälfte davon entfällt auf die Opposition. Das bedeutet aber nicht, dass ihr die Große Koalition viel Luft zum Gestalten ließe. Hier ist der zweite Teil unserer Bilanz des ersten Jahres der neuen Legislatur.
Abgeordnete der kleinen Parteien müssen oft mit der Ablehnung ihrer Anträge leben
Gegen solch klare Mehrheitsverhältnisse wie in der Harburger Bezirksversammlung gute Kommunalpolitik zu machen, ist nicht einfach. Die Abgeordneten der kleinen Parteien, mit 19:32 Sitzen numerisch klar unterlegen, müssen oft damit leben, dass ihre Anträge serienweise abgelehnt werden.
Fast noch ärgerlicher aber ist für viele, wenn ihre erst abgewiesenen Ideen und Initiativen später in leicht variierter Form wieder auftauchen, dann aber als Anträge mit dem Label der GroKo. Beispiele für diese Verfahrensweise kann fast jede der Oppositionsfraktion ins Feld führen.
„Unser Antrag vom März zu den erstmalig herzustellenden Straßen im Bezirk wurde abgelehnt und dann von der CDU in ähnlicher Gestalt im Mai 2015 als Anfrage wieder eingebracht“, sagt Kay Wolkau, Fraktionschef der Neuen Liberalen. Britta Herrmann, Fraktionschefin der Grünen, verweist auf den Antrag zur Aktualisierung und Fortschreibung des Integrationskonzepts für Flüchtlinge: „Auch der ist von der GroKo erst abgelehnt und später, neu formuliert, wieder aufgetaucht.“
Stark und unnachgiebig sind die Linken bei allen sozialpolitischen Themen
Der FDP-Abgeordnete Carsten Schuster erinnert an den Antrag der Liberalen zur Steigerung der Verkehrssicherheit am Ehestorfer Weg/Ecke Vahrenwinkelweg vom März 2013. Die SPD erneuerte ihn später und feierte sich Anfang Mai auch noch selbst dafür, dass die Ampel statt Ende 2015 nun schon im Juli kommen soll.
Die Linke fühlt sich sowohl beim Thema Beachclub am Veritaskai (Dringlichkeitsantrag im Februar 2015), wie beim Sportplatz in Sandbek unrechtmäßig beerbt. Fraktionschef Jörn Lohmann sieht das aber pragmatisch: „Grundsätzlich sind wir froh, wenn die GroKo einen unser Anträge für sich entdeckt.“ Bedauerlich sei zwar, dass sie es offenbar nötig habe, sich mit fremden Federn zu schmücken. „Für uns ist das Ergebnis am Ende aber doch wichtiger, als eitle Prestigeerfolge“, so Lohmann.
Stark und unnachgiebig sind die Linken traditionsgemäß bei allen sozialpolitischen Themen. „Wir sind das soziale Gewissen des Bezirks. Deshalb stellen wir immer wieder Fragen, ob zum sozialen Wohnungsbau, zu den Unterbringungsstandards der Flüchtlinge, oder zum Zusammenleben der Menschen im Bezirk“, sagt Lohmann.
Mit insgesamt 45 Anträgen sind die Grünen die umtriebigste Oppositionsfraktion. Viele sind dem klassischen Kernthema der Partei, dem Umweltschutz, gewidmet. So wurden Anträge zu Urban Gardening, der Messung von Lärm- und Schadstoffemissionen sowie zu Biotonnen eingebracht. „Wir haben aber auch in der Beteiligungskultur aller Menschen im Bezirk einen Schwerpunkte“, so Britta Herrmann.
Etliche der 27 Anträge kreisen um das Thema Bürgerbeteiligung
Hier gibt es viele Überschneidungen mit den Neuen Liberalen. Etliche der 27 Anträge kreisen um das Thema Bürgerbeteiligung. „Dazu gehören auch bessere Informationen und mehr Transparenz über die Arbeit der Bezirksversammlung“, erklärt Wolkau. Die wichtigsten Anträge der FDP waren für Carsten Schuster jene zur Einrichtung eines Bürgerfonds, zum mangelhaften Stadtmarketing und zur Flüchtlingspolitik.
Noch nicht angekommen in der Bezirksversammlung ist offenbar die Alternative für Deutschland (AfD). Auf gerade sechs Anträge hat es die dreiköpfige Fraktion bislang gebracht. Bis auf eine zum Fracking galten alle anderen Verkehrsfragen. Hinzu kamen noch 18 Anfragen. Eine recht dürftige Bilanz für eine Partei, die das ambitionierte Wort Alternative im Namen trägt.
An der GroKo ließ die Opposition derweil unisono kaum ein gutes Haar. Die Linke sieht viele Berichtsanträge als „Minimalkonsens“ und wenig „klares politisches Handeln“. CDU und SPD hätten es sich offenbar zur Aufgabe gemacht, gute Ideen und Ansätze „zu verhindern und zu verschleppen“, sagen die Grünen. Beispielhaft dafür wäre der Umgang mit ihrem Antrag zu „Liquid feedback“, der an Peinlichkeit nicht zu überbieten sei.
Dass CDU-Fraktionsvize Uwe Schneider kürzlich kundtat, er sei von den ständigen Forderungen nach mehr Bürgerbeteiligung genervt, finden die Neuen Liberalen bezeichnend. Noch deutlicher wurde die FDP. Der GroKo fehle es an Mut und neuen Ideen. Der Ist-Zustand würde verwaltet, innovative Vorschläge zumeist lieblos abgebügelt. „Die Leidenschaft über die Geschäftsordnung möglichst viel Bürgerbeteiligung und Opposition zu verhindern, vereint beide Parteien. Für Harburg bedeutet das Stillstand, statt Fortschritt“, so Schuster.