Musikalische Trüffelsuche: Das Festival „48h Wilhelmsburg“ verwandelt einen ganzen Stadtteil in eine große Konzertbühne.

Ein ganzer Stadtteil wurde am Wochenende nun schon zum sechsten Mal zu einer lebendigen und bunten Bühne. Beim Festival „48h Wilhelmsburg – Musik von der Insel” erklangen von der einen Ecke der Elbinseln türkische Volkslieder, von der anderen Indierock, Pop oder norddeutsche Lieder. Ein breites Spektrum von Künstlern trat in besonderen und urigen Locations auf. Insgesamt 130 Konzerte ließen von Freitagabend bis Sonntagabend 48h den Stadtteil in einem ganz neuen Sound erklingen.

„Wir haben unglaublich viele gute Musiker, die mit Wilhelmsburg verbunden sind”, sagt Mitorganisatorin Katja Scheer vom Bürgerhaus Wilhelmsburg. Es sei immer wieder eine musikalische Trüffelsuche. Das macht den Reiz des kostenlosen Festivals aus. Musiker, die bei „48h Wilhelmsburg“ auftreten, haben immer eine Verbindung zum Stadtteil. Ob sie dort wohnen, arbeiten oder auch nur einen Proberaum haben, jeder trägt mit seinen Erfahrungen dazu bei, das Festival besonders authentisch zu machen. „Eigentlich ist 48h Wilhelmsburg ein großes Konzert von Nachbarn für Nachbarn. Der Stadtteil wächst näher zusammen”, freut sich Katja Scheer. Viele Besucher sind jedoch am Wochenende auch von der anderen Elbseite herübergekommen.

Links rauschen Güterzüge, vorne dröhnt der Bass von Dubstep, rechts die B75 und im Hintergrund SkatePunk

„So coole Locations gibt es einfach nur in Wilhelmsburg”, meint zum Beispiel Paula, die mit ihren Freundinnen aus Eimsbüttel gekommen ist. Sie liegt am Freitagabend draußen auf dem Rasen vor dem Motorsport-Kirchdorf-Zentrum (MSK) und entspannt bei Dubstep-Musik. Der Boden vibriert von den Bässen, aus den zwei Meter hohen Boxen und von den Güterzügen, die auf der zehn Metern entfernten Bahnschiene vorbeirauschen. Es entsteht ein ganz eigenes Klang- und Stimmungsbild.

Junge Erwachsene sitzen draußen bei einem schönen Sonnenuntergang auf dem Rasen, dazwischen einige Mottorradfahrer in voller, schwarzer Montur vom MSK. Links rauschen Güterzüge, vorne dröhnt der Bass von Dubstep, rechts ist die viel befahrende B75 und im Hintergrund hört man lauten SkatePunk aus einer Halle.

Nach voller Ekstase auf der Bühne schmeißt einer der Gitarristen sein Hemd weg

Hier tritt die Band „Thrashkat“ auf. Die junge fünfköpfige Band hat den ehrgeizigen Plan, das PopPunk-Genre in Deutschland zu revolutionieren. Mit zwei E-Gitarren, einem E-Bass, einem Schlagzeug und zwei lauten Stimmen heizen sie die kleine, dunkle Halle ein. Nach einer halben Stunde voller Ekstase auf der Bühne schmeißt einer der Gitarristen sein Hemd weg. Danach spielt er noch befreiter und lauter. Alle, die die kleine, verrauchte Halle wieder verlassen, stolpern in die helle Welt nach draußen. Hören kann man im ersten Moment nichts mehr, die Ohren haben ihren Geist aufgeben. Nur die regelmäßige Vibration des Basses vom Dubstep erinnert einen daran, wo man gerade ist.

Ein Kontrast-Programm gibt es im Reiherstiegviertel. Dort tritt die Lehrerband der Schulen „Burgweide“ und „Nelson Mandela“ auf. Im italienischen Restaurant „Don Matteo“ spielt die Band Rock und Pop der vergangenen 60 Jahre. Bis auf den letzten Platz ist das kleine Restaurant belegt, viele Wilhelmsburger bleiben auch draußen stehen, um der Musik zu folgen und mit zu singen.

„Son bueschen regen macht wahren insulanerInnen ja nix aus“

Auch der Gewitter-Schauer am Sonnabendnachmittag brachte die Organisatoren nur kurz aus dem Konzept. „son bueschen regen macht wahren insulanerInnen ja nix aus – wenn das mit der technik nicht waere. alle open air verantstaltungen koennen jetzt nicht wie geplant stattfinden”, schreiben die Veranstalter auf Facebook. Schon kurz nach dem Regen ging es jedoch wie geplant weiter. „Das Festival ist ohne Eintritt, aber nicht kostenlos. Wir brauchen Spenden, damit wir auch im nächsten Jahr wieder 48h Wilhelmsburg ausrichten können”, sagt Mitorganisatorin Katja Scheer. In diesem Jahr gab es aus diesem Grund zum ersten Mal Festivalbändchen, die jeder für fünf Euro erwerben konnte. Außerdem konnte überall gespendet werden. Schließlich kostet besonders die Technik Geld. „Ich habe auf jeden Fall Lust, dass es im nächsten Jahr weiter geht“, sagt Katja Scheer. Spendenhotline: 040/46 08 88 88.