Sinstorf. Kehrwieder Brauerei will im August den Betrieb in Sinstorf aufnehmen. Oliver Wesseloh zeigt die Produktion und lädt zum Probieren.

Bier brauen ist spannender als Bier trinken, dachten sich drei Freunde von Lothar Becker und schenkten ihm einen Braukurs. Rüdiger Hoins kam zum selben Ergebnis und legte den Gutschein seiner Partnerin Vera Paasch unter den Tannenbaum. Am Sonnabend trafen sich dann alle bei Oliver Wesseloh, dem Chef der Kehrwieder Kreativbrauerei, in Sinstorf. Vera Paasch kannte ihn bereits. Sie betreut seine Tochter im Hort. „Meine Freunde“, erzählte Becker, „haben Wesseloh in der NDR-Talkshow gesehen.“ Keine schlechter Start also für den Brauerei-Chef, der kurzweilig aber präzise über seinen Beruf erzählen kann, der bei ihm eher Berufung ist.

Im November hatte der weit gereiste gelernte Brauer und studierte Brau-Ingenieur, der aus beruflichen Gründen unter anderem in Florida und auf den Cayman Inseln gelebt hat, in Sinstorf mit dem Aufbau seiner Anlage begonnen. In zwei Monaten soll nun die Produktion beginnen. „Die SPD-Fraktion in Harburg hat mit sehr geholfen“, lobt er den Kurs der Sozialdemokraten. Bis zum Spätsommer lässt er seine Marke Prototyp und die Serie seiner Shipa-Biere noch bei anderen Unternehmen brauen. 20 bis 25 Sorten hat er ausprobiert. Versorgt werden Einzelhandel, Gastronomie und inzwischen auch ein Großhändler. „Wir haben aber noch niemanden durstig nach Hause geschickt, der bei uns vorbeigekommen ist“, sagt Wesseloh.

Mietvertrag läuft für fünf Jahre mit Option auf weitere fünf

Kein Wunder: Schon jetzt trägt sein Geschäft die Kosten, auch wenn er sich und seiner Frau Julia noch keine Gehälter zahlt. Seine Investition von rund 100.000 Euro hat er bisher aus Rücklagen finanzieren können und verdient das Geld zum Leben mit Brauereiberatungen, für die er oftmals auch in den USA. unterwegs ist. Läuft die Anlage an, werden pro Sud rund 500 Liter entstehen, die für Spezialbiere zunächst ausreichen. Doch auf dem Gelände der ehemaligen Hansano-Meierei ist noch genügend Platz für einen Ausbau, etwa eine bislang abgegrenzte Halle mit 300 Quadratmetern. Mit einem größeren Sudhaus könnten in zwei Jahren in einem Arbeitsgang 2000 Liter entstehen, so jedenfalls fasst Wesseloh erste Überlegungen zusammen. Der Mietvertrag gilt erst einmal für fünf Jahre mit einer Option auf weitere fünf. „Die Finanzierung von einer Million Euro für eine ausgeweitete Produktion und die entsprechende Abfüllanlage könnten wir dann aber voraussichtlich nicht allein stemmen.“

Kursteilnehmer Ulli Treusch rührt mit einem Maischpaddel Malz in Wasser ein
Kursteilnehmer Ulli Treusch rührt mit einem Maischpaddel Malz in Wasser ein © HA | Rolf Zamponi

Für die sieben Seminarteilnehmer geht es jetzt erst einmal um 50 Liter. Dafür haben sie, natürlich mit Anleitung des Experten, ein Rezept zusammengestellt, die einzelnen Malzsorten von Hand geschrotet und sie dann in einem Behälter in 45 Liter Wasser eingerührt. Später wird die erhitzte Flüssigkeit durch ein Sieb fließen, um die Getreidespelzen herauszutrennen. Die flüssige Würze wird dann mit Hopfen versehen, dessen Aromen von Schwarztee über Beeren bis hin zu Mango oder Maracuja schwanken können. Es folgt das Kühlen und die Zugabe von Hefe, die den Zucker des Suds in Alkohol wandelt. Dieser Vorgang jedoch dauert drei bis sieben Tage und danach muss das Getränk noch drei Wochen gelagert werden. Schade für die Kursteilnehmer, die aber wiederkommen und ihr Produkt kosten dürfen. Immerhin: Zwischendurch durften sie schon einmal ein ähnliches, bernsteinfarbenes Bier probieren. Gemeckert hat keiner.

Mit seinen Seminaren für 129 Euro pro Kopf, mit denen er im Januar begonnen hat, will Wesseloh die Kunden von seinem Produkt „begeistern“, aber auch auf die „Wertigkeit von Bier“ aufmerksam machen. Schließlich ist er seit Herbst 2013 amtierender Weltmeister der Bier-Sommeliers, also ein ausgewiesener Fachberater. Im Juli soll nun er bei den anstehenden Weltmeisterschaft seinen Nachfolger mitbestimmen. In Sao Paulo wird er dazu in der Jury des Wettbewerbs sitzen.