Dass die Brauanlage aus ehemaligen Molkereibottichen konstruiert wurde, passt zum Standort: Die Mikrobrauerei Kehrwieder entsteht in einer Halle der ehemaligen Hansano-Meierei in Sinstorf.
Sinstorf. Über 30 Jahre, nachdem die Brauerei am Schwarzenberg abgerissen wurde, könnte demnächst wieder Harburger Bier in ganz Deutschland von sich Reden machen: In Sinstorf baut Olli Wesseloh eine Biermanufaktur auf. Gerade wurden die Anlagen angeliefert.
Das Tor ist zu niedrig. Oder der Läuterbottich zu hoch. Auf alle Fälle müssen erst der Messstab und dann der 13er bemüht werden. Wenn die Halterung für das Rührwerk abmontiert ist, müsste es passen. Ein Rührwerk braucht der Läuterbottich ohnehin nicht, die Halterung ist noch ein Überbleibsel aus dem vorherigen Leben des Tanks als Molkereibehälter. Olli Wesseloh pumpt den vorderen Hubwagen vorsichtig hoch, Christian Müller den hinteren. Knapp wird es immer noch: Der Hubwagen muss höher, damit er unten nicht auf der Hallenschwelle aufliegt, gleichzeitig kommt der Behälterdeckel immer näher an die obere Torkante. Millimeterarbeit. Am Ende ist es geschafft. Die Männer klatschen sich ab.
Dass die Brauanlage aus ehemaligen Molkereibottichen konstruiert wurde, passt zum Standort: Die Mikrobrauerei Kehrwieder entsteht am Sinstorfer Kirchweg, in einer Halle der ehemalige Hansano-Meierei.
Oliver Wesseloh ist gelernter Brauer, studierter Brau-Ingenieur und amtierender Weltmeister der Bier-Sommeliers. Er hat die Anlage selbst konstruiert. Trotzdem hat er sie nicht gleich in Sinstorf gebaut. Ein befreundeter Brauer in Süddeutschland hat parallel mit ihm an seiner eigenen Anlage gelötet – in den Hallen einer Klempnerei, mit deren Inhaber der süddeutsche Kollege befreundet war. „Das war Luxus“, sagt Wesseloh. „Alle Werkzeuge und Maschinen, die wir brauchten, waren vorhanden.“
Brauanlagen hat Wesseloh schon viele konzipiert und aufgebaut: Er war jahrelang Vertriebsschef eines Brautechnologieherstellers für Nordamerika und die Karibik, lebte in Florida und auf den Cayman Islands. Das sonnige Gemüt nahm er von dort mit. Durch seinen Job kam er Kontakt mit den vielen Kleinbrauereien, die in den USA und Kanada seit einigen Jahren entstehen und sich mit so genanntem „Craft Beer“ also „Handwerksbier“ erfolgreich gegen die industrialisierte Massenware durchsetzen.
„Das war für mich die zweite Erweckung“, sagt Wesseloh. Die erste war sein Entschluss, Brauer zu werden, Anfang der 90er Jahre. „Beim Schüleraustausch mit Kanada fiel auf, wie sehr die Kanadier vom deutschen Bier schwärmten“, erinnert er sich. „Da habe ich mir gedacht: Ich werde Brauer und braue den Kanadiern deutsches Bier.“
Der Kontakt mit den Craft Brewern erinnert ihn daran, was er eigentlich will: Gutes Bier brauen. Und es zieht den Eißendorfer zurück nach Harburg. Seine Kreativbrauerei „Kehrwieder“ betreibt Wesseloh schon seit zwei Jahren – nur nicht mit eigener Anlage. „Noch bin ich Wanderbrauer“, sagt er. „Ich nutze die Anlagen anderer Kleinbrauereien, um meine Biere zu produzieren. Das hat auch etwas für sich: Man ist ständig im Austausch mit neuen Kollegen und bekommt neue Ideen.“
So braute Wesseloh schon in Dänemark, Bayern und der Pfalz. Gerade kommt er aus Bayern zurück. Er hat ein nassgehopftes Bier angesetzt. Dabei kommt der Hopfen frisch vom Feld ins Bier. Nach der Ernte muss der Hopfen innerhalb von 12 Stunden verarbeitet werden, sonst taugt er nichts mehr. Üblicherweise wird er als Presshopfen haltbar gemacht und vertrieben. Frisch verarbeiten kann man den Hopfen nur einmal im Jahr. „Das gibt eine ganz andere Würze“, schwärmt Wesseloh. „Die ätherischen Öle des Hopfens kommen so nämlich anders zur Entfaltung.“
Das Nassgehopfte wird in ein paar Wochen fertig sein und von Sinstorf aus vertrieben werden. Momentan bietet „Kehrwieder“ zwei Sorten an: Den Prototyp – ein Lagerbier, das erst gehopft wird, wenn der Sud schon abgekühlt ist, so dass der Hopfen weniger Bitterstoffe abgibt und das SHIPA, ein Pale Ale für Genießer, die einen sehr bitter-fruchtigen Hopfencharakter schätzen.
Bis die Anlage endgültig steht und die Genehmigungen da sind, dauert es noch ein paar Monate. Dann wird in Harburg wieder gebraut. Auch für Nachwuchs wird „Kehrwieder“ sorgen: Christian Müller will aufsteigen: Vom Hubwagenhelfer zum Lehrling.