Harburg. Die gemeinnützige Organisation sucht etwa 20 zusätzliche freiwillige Helfer, um noch mehr asylsuchende Menschen versorgen zu können.

Mit der Nachricht, dass die Lidl-Filiale in der Buxtehuder Straße 28 an diesem Wochenende ihre Verkaufsfläche umgestaltet, kommt Peter Wilkens ins Büro der Harburger Tafel am Helmsweg gestürzt. „Der gesamte Bereich für Obst und Gemüse muss geräumt werden, das können wir uns alles abholen“, sagt der 71-Jährige.

130 ehrenamtliche Helfer seien zu wenig

Für Ursula Müller, die die Tafel seit fast 18 Jahren leitet, ist das eine gute und schlechte Botschaft zugleich. Gut, weil damit auf einen Schlag eine größere Lieferung ins Haus steht, mit der Bedürftige versorgt werden können. Schlecht, weil sie nicht weiß, wie sie die Lidl-Gabe ins Tafel-Lager bekommt.

„Wir sind mit unseren 130 ehrenamtlichen Helfern, von denen zwei Drittel Frauen sind, längst am Rande des Leistbaren angekommen“, sagt die 74 Jahre alte Jesteburgerin. Von Montag bis Freitag würden drei Tonnen Waren bewegt, pro Tag! Die Lebensmittel müssten mit den beiden Tafel-Transportern von den Discountern und anderen Spendern abgeholt, dann gesichtet, sortiert und eingelagert werden. „Manche Kisten wiegen bis zu 30 Kilo. Die können nicht von allen geschleppt werden“, weiß Müller, bei der seit 1997 alle Fäden zusammenlaufen. Viele der Freiwilligen sind längst im Rentenalter, der älteste ist gerade 80 geworden.

600 Bedürftige kommen regelmäßig einmal in der Woche

30 Seiten umfasst ihre „Kundenkartei“, in der 1300 Namen stehen. 600 Bedürftige kommen regelmäßig einmal in der Woche, um für zwei Euro Lebensmittel im Wert von rund 40 Euro in Empfang zu nehmen. Müller: „Damit versorgen wir nicht nur etwa 1200 Haushalte im Bezirk. Wir beliefern ja auch etliche Kitas und andere Einrichtungen wie das Abrigado am Schwarzenberg, das ASB-Löwenhaus im Phoenix-Viertel und den Jugendclub Heimfeld.“ Zudem gibt es drei Filialen in Neuwiedenthal, Buchholz und Winsen.

Doch seit einigen Monaten gibt es neben vielen Rentnern und Sozialhilfeempfängern eine weitere Gruppe, die auf Lebensmittelspenden der Tafel hofft – die der Flüchtlinge. „Auf unserer Warteliste stehen momentan 60 Namen. Die meisten davon gehören Bewohnern der Transit im Binnenhafen“, sagt Ursula Müller.

Susanne Schwendtke, Sprecherin des städtischen Betreibers fördern & wohnen bestätigt, dass die Flüchtlinge vom Wohnschiff im Begrüßungsordner auf die Existenz der Tafel hingewiesen und durch ehrenamtliche Lotsen sogar zum Helmsweg geführt werden. Angesichts der staatlichen Finanzhilfen zwischen 217 Euro pro Monat für Kinder bis sechs Jahren und 359 Euro, für Alleinstehende Erwachsene über 18 Jahren ist das kaum verwunderlich.

Der Ansturm der Asylbewerber auf die Tafeln ist indes längst zum Problem geworden, und das landesweit. Jüngst hat Jochen Brühl, der Vorsitzende des Bundesverbands der aktuell 923 Tafeln in ganz Deutschland Alarm geschlagen. Es würden mehr Lebensmittel – und Geldspenden, aber auch mehr freiwillige Helfer benötigt, um den Andrang bewältigen zu können, mahnte Brühl auf der Jahrespressekonferenz des Verbandes in Berlin. Dessen Schätzung zufolge suchen bis zu 100.000 Flüchtlinge Hilfe bei den deutschen Tafeln.

„Durch meinen Tafel-Einsatz Not lindern zu können, erdet ungemein“

„Wir fühlen uns von der Politik im Stich gelassen, sie lässt uns im Regen stehen“, sagt auch Ursula Müller. Die Harburger Tafel hätte schon immer viele Flüchtlinge versorgt, etwa Spätaussiedler aus Kasachstan und Russland. Doch nun stoße das Engagement der Ehrenamtlichen an Grenzen: „Wir haben eigentlich genügend Lebensmittelspenden. Sie müssen von uns aber auch händel- und verteilbar sein.“

Schon mit 20 zusätzlichen Helfern könnte die Tafel laut Müller deutlich mehr leisten: „Wir könnten längere Öffnungszeiten anbieten und mehr Bedürftige versorgen.“ So hofft die emsige Organisatorin, dass sich zeitnah weitere engagierte Ehrenamtliche finden, wie etwa Joachim Darkow oder Kristin Voß-Mönke.

Darkow war 41 Jahre bei der Polizei und hilft nun seit sechs Jahren bei der Tafel. „Nach dem Ruhestand nur zu Hause sitzen, das kann es doch nicht sein. Ich fühle mich einfach besser, wenn ich hier meinen sozialen Beitrag leisten kann“, sagt der ehemalige Verkehrserzieher.

Auch für die dreifache Mutter Kristin Voß-Mönke ist die Arbeit bei der Tafel längst zu einer Herzensangelegenheit geworden. „Ich habe erst überlegt, ob ich meinen Teilzeitjob als Erzieherin aufstocke. Doch dann hörte ich, dass hier dringend Hilfe benötigt wurde. Zu erleben, wie durch die Tafel Not gelindert werden kann, ist eine wertvolle Erfahrung. Und erdet ungemein“, so die 48-Jährige.