Eissendorf. Eltern kämpfen für Tempo 30 an der Kita Harburger Berge am Hainholzweg. Die verantwortlichen Behörden lehnen die Beschränkung des Verkehrs ab.

Jedes Mal, wenn sich Matthias Steinheuer an den Nachmittag des 18. Mai erinnert, läuft ihm ein eiskalter Schauer über den Rücken. Auf dem Hainholzweg vor der Kita Harburger Berge will er gerade seinen auf der Rückbank links sitzenden, zweijährigen Sohn Henri anschnallen, als ihm ein betagter Kia-Fahrer in die geöffnete Tür fährt. Nur mit viel Glück bleibt er unverletzt und kommt mit dem Schrecken davon. Ebenso wie Henri und dessen sechsjähriger Bruder Dorian, der auf der rechten Seite sitzt.

„Ein paar Sekunden zuvor hatte ich unseren Junior noch auf dem Arm. Unvorstellbar, was hätte passieren können, wenn wir nur einen Tick später eingestiegen wären“, sagt Matthias Steinheuer. Doch gefährliche Szenen wie diese, gebe es auf dem Hainholzweg immer wieder. „Auch wenn es nicht immer zu einer solch dramatischen Zuspitzung wie im konkreten Fall kommt, sehen wir die dringende Notwendigkeit, dass hier verkehrsberuhigende Maßnahmen umgesetzt werden“, so Volker Braun. Er ist nicht nur Elternvertreter an der Kita, sondern auch Mitglied einer Interessengemeinschaft, die seit drei Jahren Tempo 30 für den Hainholzweg fordert.

„Es ist eine Tatsache, dass hier oft zu schnell und zu riskant gefahren wird“

Am 1. Februar 2012 ist die vom DRK betriebene Kindertagesstätte offiziell eröffnet worden. Sie bietet verlängerte Öffnungszeiten von 5.30 bis 22 Uhr und ist deshalb sehr gefragt. Momentan werden dort 95 Kinder umsorgt. Doch ihre Abgabe in den Morgenstunden ist oft heikel, weil sichere Parkflächen im näheren Umfeld rar sind.

„Es ist eine Tatsache, dass hier oft zu schnell und zu riskant gefahren wird“, sagt Henrike Kroll, die ebenfalls zwei Kinder in der Kita hat. Der zweispurige Hainholzweg habe in diesem Abschnitt nicht nur Kurven, dort dürfe auch auf der Straße geparkt werden, was häufig zu einer wilden Slalomfahrt zwinge. „Und dann sind da noch die Gelenkbusse der Linie 143, die zu den Stoßzeiten in einer hohen Taktung verkehren. Angesichts dieser Gemengelage halten wir unsere Forderung für absolut plausibel und nachvollziehbar“, so Henrike Kroll.

Zumal es auf dem Beerentalweg ja eine 600 Meter lange Passage gibt, die als Tempo-30-Zone ausgewiesen ist. Laut Stellungnahme der Innenbehörde gehört der Beerentalweg, ebenso wie Strucksbarg und Hainholzweg, zu einer der Eißendorfer Hauptachsen. Doch keine der genannten Straßenzüge steht in der Liste der Hauptverkehrsstraßen, auf denen Tempo-30-Zonen, wenn überhaupt, nur an Schulen ausgewiesen werden dürfen.

Kein erhöhtes Unfallaufkommen,keine signifikante Gefahrenlage

„Dass am Beerentalweg entlang des Friedhofs Tempo 30 möglich ist, an einer Kita aber nicht, ist doch ein Unding. Ist der Schutz der Totenruhe wichtiger als der Schutz von Kindern“, fragt Henrike Kroll. Am Hainholzweg gebe es bis zum heutigen Tag ja noch nicht mal ein Schild, das auf die Existenz der Kita hinweise, die durch die Bebauung ringsum nicht sofort sichtbar sei.

Bislang haben die verantwortlichen Behörden jede Beschränkung des Verkehrs abgelehnt. „Es wurden keine Umstände festgestellt, die ein erhöhtes Gefahrenpotenzial für Fußgänger begründen“, heißt es in einem Schreiben von Volker Schiek, Staatsrat der Harburger Innenbehörde, vom 20. Februar dieses Jahres. Grundlage für diese Einschätzung seien zum einen die Unfallstatistik, zum anderen Verkehrszählungen und Geschwindigkeitsmessungen.

Laut Dietmar Thoden, Abteilungsleiter Prävention und Verkehr beim hiesigen Polizeikommissariat 46, hat es in den vergangenen beiden Jahren lediglich 13 Unfälle gegeben, davon neun mit Sachschäden, insgesamt viermal gab es Leichtverletzte. Die Auswertung der Tempomessungen im September und November 2012 auf Höhe der Kita hätten eine Durchschnittsgeschwindigkeit von 45 km/h und eine gefahrene Höchstgeschwindigkeit von 57 km/h ergeben. Thoden: „Das alles ist unauffällig. Es gibt weder ein erhöhtes Unfallaufkommen, noch eine signifikante Gefahrenlage.“

Für die Elternvertreter der Kita Harburger Berge bleibt diese Bewertung unbefriedigend. „Der starken baulichen Verdichtung in dem Wohngebiet wurde keine Rechnung getragen. Seit Jahren ist der Hainholzweg wegen diverser Baustellen durch Ausweichverkehre, auch von der A7 und der A1, zunehmend belastet. Dass all das ignoriert und ausgesessen wird, ist unverständlich“, sagt Volker Braun. „Wir leben hier tagtäglich vom Glück, dass nichts passiert“, ergänzt Henrike Kroll. Deshalb werde man weiter kämpfen. Als nächstes ist nun ein Schreiben an Bundesverkehrsminister Alexander Dobrindt (CSU) geplant.