Harburg. Abendblatt-Autorin Martina Berliner blickt zurück auf die Geschichte dieser Harburger Institution. Heute, in Teil 2: Die 60er- und 70er.
Elvis Presley betört die junge Generation. Die Jungs tragen Haartolle, die Mädels Petticoat und allerorten herrscht Tanzfieber. Rock ‘n’ Roll und Boogie- Woogie halten auch in der Harburger Tanzschule Einzug. Das Ehepaar Hädrich schwimmt auf einer wahren Erfolgswelle. 1957 waren Gerd und Traute einer Einladung der Dance Masters of America gefolgt und hatten in US-Metropolen Wiener Walzer unterrichtet. Jenen Gesellschaftstanz also, der in den Staaten als typisch europäisch gilt.
Von dieser Amerikareise haben sie den Cha Cha Cha mitgebracht. Sie sehen für den Modetanz aus Übersee eine große Zukunft – anders als viele andere Tanzlehrer alter Schule. Hädrichs setzen auf das Neue. In den 60-ern lehren sie neben Cha Cha Cha und Rumba auch Twist, das „Harburger Daddeln“ und den „Harburger Memphis“.
Alle Schüler sollen in die Lage versetzt werden, gepflegt zu schwofen
Weil schon die Vielzahl der Schrittkombinationen der Standard- und Lateinamerikanischen Tänze die meisten Eleven überfordert, kreiert Gerd Hädrich 1963 zur Vereinfachung das „Welttanzprogramm“. Sechs Schritte genügen für den Walzer, acht für den Foxtrott, findet der Meistertänzer. Sein Ziel: Alle Schüler sollen in die Lage versetzt werden, gepflegt zu schwofen. Mit jedem beliebigen Partner, an jedem Ort der Erde und zu jeder Musik.
1963 folgen Gerd und Traute Hädrich einer Einladung der Tanzlehrer Süd-Afrikas. Als Fachlehrer unterrichten sie das Welttanzprogramm. Hier hat die von Wolfgang Opitz trainierte Standard Formation ihren ersten Auftritt. Der Gruppe steht eine kometenhafte Karriere bevor. Bis 1975 wird die Formation elf Deutsche-, acht Europa-, zwei Welt- und drei Britische Meisterschaften gewinnen.
Als die Säle nicht mehr ausreichen wird unter anderem Dach getanzt
Es gibt zu dieser Zeit viele Tanzbegeisterte, die bereit sind, hart an sich zu arbeiten, um sportlich erfolgreich zu sein. Der Andrang Ehrgeiziger ist so groß, dass die Säle im Keller der Paul-Gerhardt-Straße 12 nicht mehr ausreichen.
Um anderswo Trainingsmöglichkeiten für die jungen Talente zu eröffnen, wird unter dem Dach des Harburger Turnerbunds der Tanz-Turnier-Club (TTC) Harburg gegründet. Die Turniertänzer proben nun auch in Sporthallen. Als erfolgreichstes Paar glänzen Werner und Ingrid Führer.
Als Tanzlehrer Wolfgang Opitz‘ Partnerin kurz vor einer Gala beim Premierenball krankheitsbedingt ausfällt, springt Evelyn ein. Sie, die nur die Basics erlernte, niemals an einem Turnier teilnahm, steht plötzlich mit Profis auf dem Parkett – auch mit ihren Eltern. Ein Moment, der ihr Leben verändert. Sie verliebt sich ins Tanzen und in Wolfgang Opitz. Die beiden werden ein Paar, auch auf dem Parkett. Sie spezialisieren sich auf lateinamerikanische Tänze und finden ihren eigenen Stil. Anstatt der bis dahin üblichen statischen Haltung präsentieren die beiden anspruchsvolle Isolationstechnik: Ober- und Unterkörper bewegen sich getrennt voneinander.
Konträre Beurteilungen der Juroren
So etwas Sinnliches haben die Wertungsrichter noch nicht gesehen. Diese intensive Wahrnehmung der Körperlichkeit! Und selbst der Mann bewegt beim Tanzen sein Becken! Die einen reagieren begeistert, die anderen schockiert. Manche fordern, das Paar zu disqualifizieren. Gleichgültig lassen die Opitz‘ jedenfalls niemanden. Schließlich bekommen Wolfgang und Evelyn fünfmal Note 1 und sechsmal die 6 für ihre Darbietung. Konträrer kann eine Beurteilung nicht sein.
1972 ist die Zeit reif für ihre Kunst: Die Waagschale neigt sich zu ihren Gunsten. Wolfgang und Evelyn Opitz werden in der Royal Albert Hall in London zu Weltmeistern der Professionals in den Lateinamerikanischen Tänzen gekürt und erhalten im gleichen Jahr die Goldene Ehrennadel des Berufsverbands ADTV.
1971 wird Hädrich der Carl-Alan-Award verliehen
Dem Allgemeinen Deutschen Tanzlehrerverband steht seit 1963 Gerd Hädrich vor. Unter seiner Führung wird die Ausbildungsordnung erneuert und von ehemals zwei auf drei Jahre Lehrzeit erweitert. Er wird bis 1977 im Amt bleiben und danach zum Ehrenpräsidenten ernannt werden. 1971 wird ihm in London von keinem Geringeren als Prinz Philipp der Carl-Alan-Award verliehen. Eine Auszeichnung, die dem „Oscar“ der Filmbranche entspricht. Spätestens jetzt ist Gerd Hädrich der Star der internationalen Tanzwelt. Er führt den Welttanztag, den Goldenen Tanzschuh und das Medaillen-Tanzen in Deutschland ein und wird schließlich zum Vizepräsidenten des Weltverbands (ICBD) gewählt.
Während ihr Mann durch die Welt reist, leitet Traute Hädrich daheim mit den Mitarbeitern die Tanzschule. Sie ist die Seele des Geschäfts, kennt alle Schüler und bemüht sich nach Kräften, die Kurse so zusammen zu stellen, dass ein jeder einen passenden Partner findet. So wird sie zur Ehestifterin für ungezählte Paare.
Übrigens: Über Einsendungen von Bildern und Berichten über eventuelle Eheschließungen und Freundschaften ehemaliger Schüler würde sich die Tanzschule freuen.
Zum Jubiläum werden auch einige prominente Gäste kommen
Anlässlich des Jubiläumsballs zum 70. Geburtstag der Tanzschule werden Promis bei Hädrich zu Gast sein: Markus Weiß und Isabel Edvardsson, Stars von „Let’s dance“. Am Sonnabend, 19. September, bieten die beiden von 16 bis 18 Uhr einen Tanzworkshop am Großen Schippsee an.Eine Kostprobe seines Könnens wird das Traumpaar am selben Abend im Rahmen des Balls geben. Neben der Tanzschau der Fernsehstars präsentieren Hädrichs Tanzlehrer während der Ballnacht einen weiteren besonderen Augenschmaus: Eine tänzerische Reise durch sieben Jahrzehnte. Die Kartenreservierung beginnt am Montag, 1. Juni. www.tanzschulehaedrich.de