Wilhelmsburg. Der Bunte Kuh Verein baut bis Mitte Juni am Wilhelmsburger S-Bahnhof mit bis zu 4000 Kindern und Erwachsenen eine Fantasiewelt aus Lehm.
Wer in diesen Wald spaziert, der kommt verzaubert wieder heraus. Dieses Versprechen gibt der sechs Jahre alte Luis aus Wilhelmsburg. Und die Erklärung zu seinem kleinen Fantasiemodell fand auch die Jury derart überzeugend, dass nun unweit des Wilhelmsburger S-Bahnhofs, beim Lehmbaufestival in der Bahnhofspassage, sein Zauberwald in begehbarer Größe bis Mitte Juni in Handarbeit von Kindern, Jugendlichen und Erwachsenen gebaut wird.
„Bereits 1800 Kinder aus Kitas und Schulen sind angemeldet“, sagt Veranstalterin Karen Derksen vom Hamburger Verein „Bunte Kuh“. Und wenn am Sonntag, 14. Juni, der Zauberwald aus gut 60 Tonnen Lehm fertiggestellt ist und das Ereignis von 15 bis 18 Uhr gefeiert wird, dann werden bis dahin gut 4000 Menschen an dem Bauwerk gearbeitet haben. Auf mehr als drei Meter Höhe soll der Zauberwald bis zu seiner Fertigstellung angewachsen sein. Und ob dann alle, die in diesen Wald hinein gehen auch verzaubert wieder herauskommen, wird sich zeigen. Der Zauberwald wird als Ausstellung in der Zeit vom 16. bis 28. Juni, dienstags bis sonntags, jeweils in der Zeit von 10 bis 18 Uhr geöffnet sein. Anschließend geht der Lehm als das älteste Baumaterial der Menschheit wieder zurück in die Tonne. „Lehm lagert häufig an den Rändern von Flüssen, besteht aus Sand, Wasser und Ton und kann unendlich häufig recycelt werden, sofern er nicht im Brennofen zu Ziegeln verarbeitet worden ist“, sagt Nepomuk Derksen, der im Hauptberuf an der Hafencity-Universität in der Architektenausbildung tätig ist.
„Es soll ein Beitrag zur Verbesserung der Lebensbedingungen insbesondere von Kindern und Jugendlichen in sozialen Brennpunkten geleistet werden“
Derksen entstammt einer Pädagogenfamilie, hat selbst Kunst und Architektur studiert und mit Gründung des gemeinnützigen Vereins „Bunte Kuh“ bereits 1985 aus den drei Disziplinen Pädagogik, Kunst und Architektur heraus das Lehmbau-Festival entwickelt. Zunächst gab es bundesweite Aktivitäten. Seit 17 Jahren hat der Verein seine Arbeit, die mit hohem ehrenamtlichen Engagement verbunden ist, auf das Hamburger Stadtgebiet räumlich begrenzt. Das Bunte Kuh-Team zählt auf aktiver Ebene 22 Mitwirkende. Das mit der Arbeit verbundene Ziel lautet: „Es soll ein Beitrag zur Verbesserung der Lebensbedingungen insbesondere von Kindern und Jugendlichen in sozialen Brennpunkten geleistet werden, indem es vor Ort durch niedrigschwellige Lehmbau-Mitmach-Aktionen - für alle Besucher, offen und kostenlos - kulturelle Bildung im Bereich Architektur/künstlerisches Gestalten anbietet.“
Das generationsübergreifende Angebot bringt zwanglos Menschen jeden Alters, jeder sozialen Schicht und jeder Herkunft zusammen, weckt Kreativität, kommt der Gesundheit durch Bewegung an frischer Luft zugute, belebt die Stadtteilkultur, integriert körperlich und geistig behinderte Menschen und wirkt nicht zuletzt positiv auf Umweltbildung und Gewaltprävention,
Dass die Teilnahme von Kindern, Jugendlichen und Erwachsenen am Lehmbau-Festival kostenlos angeboten werden kann, ist einem starken Netzwerk finanzieller Unterstützer zu verdanken. Karen Derksen, die Ehefrau des Vereinsgründers, nennt an erster Stelle die Kultur- und Tourismustaxe der Hamburger Kulturbehörde, daneben die Homann Stiftung, die Hildegard-Sattelmacher-Stiftung, die Deutsche Telekom oder auch Airbus.
„Früher lebten Kinder mit Eltern und Großeltern zusammen und lernten von ihnen“
Für die Zukunft möchte Nepomuk Derksen mit neuem Denken und Handeln die Architekturausbildung an der HafenCity Universität (HCU) auf künftige Veränderungen ausrichten. Er spricht von einem neuen Fachgebiet „U18“, von Architektur von Kindern und Architektur für Kinder. Derksen: „Wir befinden uns derzeit am Anfang eines Innovationsschubs. Es ist der Zeitpunkt, als hätte die Menschheit gerade das Rad, die Landwirtschaft, den Buchdruck und die Raumfahrt in einem Moment erfunden. Die jetzige Globalisierung und Digitalisierung bringt Ideen vieler Milliarden Menschen zusammen. Immer mehr Menschen werden in Städte ziehen.“
Beim Lehmbau-Festival zeigt sich die Kreativität der Kinder für begehbare Räume. Derksen: „Früher lebten Kinder mit Eltern und Großeltern zusammen und lernten von ihnen. Heute sind Kinder in Ganztagsschulen untergebracht und Großeltern in Altersheimen. Das voneinander Lernen klappt so nicht mehr. Der Lehmbau leistet einen Beitrag die Generationen zusammenzubringen.“