Wilhelmsburg. Bald heißt es „Pizza statt Party“: Wie Clubchefin Mona Michels den Technoclub „Turtur“ in Wilhelmsburg genussreich durch den Sommer bringt.

Musikclubbetreiber müssen Überlebenskünstler sein. Wie Mona Michels den Technoclub „Turtur“ in Wilhelmsburg durch den Sommer bringt, ist in Hamburg einzigartig. Sie stellt den Partybetrieb bis Anfang Oktober ein und verwandelt den Tanzschuppen in eine Pizzeria. Eröffnung nach einer Komplettrenovierung ist am Freitag, 29. Mai.

„Die Menschen möchten im Sommer lieber draußen sein und nicht in einem stickigen Club“, sagt Mona Michels. Wenn Freiluft-Festivals den Musikclubs das Publikum abgraben, wechselt das „Turtur“ gleich die Branche. Pizza statt Party – Mona Michels räumt ein, dass ihre Idee radikal daherkommt. Aber das Konzept sei auf den Stadtteil Wilhelmsburg maßgeschneidert. Der Standort mit Blick auf den Veringkanal sei dabei das große Plus. „Wer es sich nett machen will, geht doch ans Wasser“, sagt Mona Michels. Etwa 50 Sitzplätze entlang des Uferweges am Veringkanal und auf der clubeigenen Terrasse wird die „Turtur Pizzeria“ bieten Auf St. Pauli, sagt sie, würde so ein Konzept nicht funktionieren.

Eine Pause von der Party

Ein gutes halbes Jahr nach Eröffnung des „Turtur“ bietet sich dem Personal die Gelegenheit, die Nachtschicht zu verlassen. Jeder brauche mal Pause von der Party, sagt Mona Michels. Die Küche wird mittwochs bis freitags bis 22 Uhr und am Wochenende bis 23 geöffnet haben. Für Menschen, die sonst bis nach den Sonnenaufgang arbeiten, bedeuten solche Arbeitszeiten beinahe bürgerliche Normalität.

Ursprünglich war der gläserne Pavillon am Kanalufer, in den heute der Musikclub eingezogen ist, zur Nutzung als Kantine gebaut worden. Die frühere Küche nutzt der Technoclub heute zwar als Garderobe, bietet aber alle Voraussetzungen für die Gastronomie. Mitarbeiter haben bei den Gästen Geld für einen Pizzaofen gesammelt, mit dem das Turtur seine Küche nachrüsten wird.

Lifting für den Partytempel

Der Technoclub ist bereits in den Sommerschlaf gefallen. Mona Michels verpasst dem Partyschuppen ein Gesichtslifting, um dem müden Antlitz nach sechs Monaten Dauerparty die Falten auszutreiben. Die Elektrik, die Toiletten, der Boden – alles wird komplett renoviert. Die Wände erhalten einen neuen Anstrich. Die in der Clubkultur üblichen Schmierereien an Fenstern und Wänden verschwinden. Der Wandel vom Tanzclub zur Pizzeria zeigt sich auch darin, dass Saftschorle jetzt dort lagert, wo vorher Ginflaschen waren.

Die Karte bleibt überschaubar. „Bloß nicht verzetteln“, lautet das oberste Gebot. „Wir sind kein Italiener, werden keine Pasta anbieten“, sagt Mona Michels. Zwischen zehn Pizzen in jeweils zwei Größen wird der Kunde wählen können. Für Fleischesser, Vegetarier und Veganer wird etwas dabei sein. Alles nach italienischem Rezept, natürlich auch die Pizza Bruschetta. Dazu bietet die Karte Salate. Mona Michels verspricht „Megaportionen“.

Fair gehandelte Bohnen aus Mexiko

Der Kaffee am Kanal kommt vom Nachbarn. Das selbstverwaltete Kaffeekollektiv Aroma Zapatista in den Veringhöfen vertreibt fair gehandelten Bohnen aus Mexiko. Mona Michels, die selbst im Wilhelmsburger Reiherstiegviertel lebt, legt Wert auf gute Nachbarschaft. Preise kalkuliert sie so, dass die „Turtur Pizzeria“ das „Café Liebe“ nicht unterbietet. Pizzeria und Café denken an ein gemeinsames Grillen im Sommer am Veringkanal nach.

Auch wenn der Techno in diesem Sommer woanders tanzt, läuft das Format „Funksoulsession“ weiter. Die Musik sei wunderbar, um nebenbei Pizza zu essen. Das „Turtur“ beteiligt sich auch mit Partys und Konzerten am Festival „48h Wilhelmsburg“. Am Sonntag treffen sich Gäste weiterhin zum gemeinsamen „Tatort“ gucken.

Die Pizza-Saison am Veringkanal endet dann wieder am 2. Oktober. Dann vertreiben Techno-Beats jeden Gedanken an Winterschlaf. (Thomas Sulzyc)

„Turtur Pizzeria“, 29. Mai bis 2. Oktober, Am Veringhof 13 in Wilhelmsburg, Mi bis Fr 15 bis 22 Uhr, Sa und So 14 bis 23 Uhr, Mo und Di Ruhetag