Altstadt.

Es war eine Institution in der Innenstadt: Das Wiener Café Wirth in der Spitalerstraße ist Anfang des Jahres geschlossen worden. Nach beinahe 140 Jahren bedeutete die Schließung für viele Hamburger auch, dass wieder ein Stück Kaffeehaus-Kultur verloren gegangen ist. Nun steht fest, was aus dem historischen Gebäude wird, das während des Zweiten Weltkrieges dreimal ausgebombt worden ist: Nach aufwendigen Umbauarbeiten soll hier in knapp einem Jahr eine weitere Filiale von „& Other Stories“ eröffnen. Das erste Geschäft der neuen Premium-Modemarke der H&M-Gruppe hat im Oktober 2014 im Neuen Wall aufgemacht. Kleider, Kosmetika und Schuhe also statt Kaffee, Kuchen und Schlagobers.

Ein großer Bauzaun vor dem Wirthhaus zeugt von dem Ende des beliebten Cafés. Drinnen im zweiten Stock haben Bauarbeiter vor drei Tagen mit den Abrissarbeiten der historischen Einrichtung begonnen. Sie werden nicht wissen, dass hier schon 1826 eine Bäckerei stand.

Bäckermeister Andreas Wirth war auf seinen Wanderjahren von Baden-Württemberg nach Hamburg gekommen und hatte 1876 die Bäckerei gekauft. Sein Sohn Franz übernahm 1895 den Betrieb. Dessen Sohn Franz Ernst wiederum hatte 1925 in Wien seine Bäckermeisterprüfung abgelegt, und so wurde aus dem Geschäft 1934 die „Wiener Weißbäckerei und Konditorei“ in der Spitaler Straße.

„Mein Vater war der einzige Bäcker in Hamburg, der Wiener Backwaren verkaufen durfte“, erzählt seine Tochter Margot Brandes, die den Betrieb 1983 übernommen hat. Nach 30 Jahren hat sie die Geschäfte an ihre Töchter übergeben. Die Zwillingsschwestern Christiane Eiberger und Cornelia Pittarello führen das Haus jetzt in fünfter Generation – und haben sich schweren Herzens zur Aufgabe des Cafés entschlossen.

„Im Vordergrund stand der Wunsch, diese Immobilie im Familienbesitz zu belassen“, sagen sie. „Zu viele Objekte in der Innenstadt sind inzwischen an Investoren verkauft worden.“ Aber es sei aus mehreren Gründen nötig gewesen, neue Wege zu gehen. „Das Haus hat einen großen Sanierungsbedarf und ist stark renovierungsbedürftig“, sagt Christiane Eiberger. „Mit Kaffee und Kuchen war die Immobilie an dieser Stelle nicht mehr wirtschaftlich zu betreiben“, sagt Cornelia Pittarello. Außerdem hätte das Wirthhaus wegen der Abrissarbeiten der HSH Nordbank Passage auf dem Nachbargrundstück sowieso vorübergehend geschlossen werden müssen.

„Es war der richtige Zeitpunkt für die neuen Pläne“, sagt Christiane Eiberger. Und die kommen von dem renommierten Architekten Professor Carsten Roth: Das Gebäude mit seiner relativ schmalen Frontfläche von knapp elf Metern wird weitestgehend entkernt. Im Erdgeschoss und im ersten Obergeschoss entstehen Shop und Verkaufsflächen, im 2. Stock Büro und Lager, im Kellergeschoss ebenfalls Lagerflächen. Die neue Fassade mit einer großflächigen Fensterfront lässt viel Licht in die Räume, in denen zukünftig Hamburgerinnen Mode und Taschen, Schuhe, Schmuck und Kosmetikartikel kaufen können.

So ganz haben die Schwestern die Familien-Tradition aber noch nicht aus den Augen verloren. Die Franz-Wirth-Stiftung ihres verstorbenen Großvaters unterstützt junge, talentierte Musiker. Und schon im alten Gebäude gab es sonntags regelmäßig Musikmatinees. „Kaffee, Kuchen und dazu am Sonntag Musik am Mönckebergbrunnen – an der Umsetzung dieser Idee werden wir weiter arbeiten“, sagt Christiane Eiberger. Und vielleicht feiert in naher Zukunft die Kaffeehaus-Kultur der Familie Wirth in der Innenstadt eine Auferstehung.