Lindhorst. Der Lokalmatador überlistet beim 41. Hähnewettkrähen in Lindhorst alle Konkurrenten in seiner „Gewichtsklassen“mit langem Schweigen.

Geschlagene zehn Minuten stand Hugo vom Voßdamm stumm in seiner Box mit der Nummer vier und gab nicht einen müden Mucks von sich. Etwas irritiert blickte der stolze Hahn mal nach links und mal nach rechts. Doch dann schien ihm langsam zu dämmern, weshalb er an diesem kühlen und windigen Vatertag in dem Drahtverschlag hockte: Siegen beim 41. Hähnewettkrähen in Lindhorst hieß doch die Mission. Und die erfüllte der rassige Rodeländer dann auch.

Hahn Hugo beeindruckt mit Performance

Bestaunt von gut 500 Schaulustigen reckte der Lokalmatador in seiner Box auf der grünen Wiese des Hofes Dreves den Hals und krähte, dass ihm der Kamm schwoll. In Windeseile hatte Hugo den Rückstand auf die Konkurrenz weggekräht. Seine Performance war offenbar dermaßen beeindruckend, dass einige Rivalen das Krähen vorzeitig einstellten – oder gar nicht erst damit begannen.

„In der Klasse große Hähne gab es gleich vier von 14 Startern, die am Ende mit Null zu Buche standen“, so Reiner Dettmann, Sprecher des veranstaltenden Nutzgeflügel-Zuchtverein Klecken und Umgebung von 1921, kurz NGZV. So langten Hugo vom Voßdamm nach dem 60-minütigen Wettstreit bescheidene 80 Kräher, um zu triumphieren. Der Vorjahressieger, eine Appenzeller Spitzhaube, war hingegen mit 133 Rufen ans Ziel gelangt.

Die Klasse der kleinen Hähne

Deutlich aktiver als die großen Vertreter ihrer Zunft hatten sich einmal mehr die 30 Wettbewerber in der Klasse der kleinen Hähne ins Zeug gelegt. Offenbar versuchen sie mangelnde Größe mit hochfrequenterem Krähen wettzumachen. Jedenfalls brachte es der Schwarze Thüringer Barthahn von Jürgen Niemeyer, der 1974 zu den Initiatoren des Lindhorster Spektakels gehörte, als Triumphator der lütteren Schreihälse auf 97 Schreie.

Beide Siegerleistungen nehmen sich in der Statistik unterdessen deutlich unterdurchschnittlich aus. Die Lindhorster Allzeitrekorde stammen aus dem Ende des vergangenen Jahrtausends. 1998 soll ein kleiner Hahn aberwitzige 344-mal gekräht haben, also mehr als fünfmal pro Minute. Auf immerhin 232 Kräher hatte es 1999 ein großer Hahn gebracht.

Veterinärin Dr. Katja Taubhorn begutachtet vor dem Wettbewerb alle Starter
Veterinärin Dr. Katja Taubhorn begutachtet vor dem Wettbewerb alle Starter © Lutz Kastendieck | Lutz Kastendieck

Sieg bei der ersten Teilnahme

Rosemarie Detje und Grit Heinze war das ziemlich egal. Der Sieg ihres Hugos erfreute die beiden Damen über alle Maßen. „Wir haben schließlich zum ersten Mal einen Hahn an den Start gebracht“, erklärte Rosemarie: „Dass der dann auch gleich auf Anhieb gewinnt, haben wir nun wirklich nicht erwartet.“

Hugo, der seinen „adligen“ Zunamen der Straße verdankt, in dem er mit seinen Besitzerinnen lebt, ist ein Geschenk des Bruders von Rosemarie Detje, der in Hessen wohnt. „Im Juli des Vorjahres hatte er uns gleich sieben auf einem Streich vermacht, da waren wir doch etwas überfordert“, so die Altenpflegerin bei der Diakonie. Also habe man sich schweren Herzens von Fünfen wieder getrennt: „Hugo haben wir nur behalten, weil er der Kleinste von allen war. Vielleicht wollte er auf diese Weise noch mal Danke sagen.“

Nach diesem Triumph habe sich Hugo, der noch nicht mal ein Jahr alt, daheim aber schon Herr über sechs hübsche Hühner sei, für immer sein Gnadenbrot verdient. Rosi: „Der wird nicht geschlachtet, der kommt nicht in den Topf, Ehrenwort. Der bleibt bei uns, bis er von selber umfällt.“

Titelverteidigung 2016 noch nicht sicher

Ob Hugo im nächsten Jahr seinen Titel verteidigen wird, steht derweil noch nicht fest. Hähne krähen „wettkampftechnisch“ zumeist nur einen Frühling. Das bestätigt auch Eckhard Hermes, der mit seiner Familie, Lebensgefährtin Marion Möhring, Vater Bernhard, Sohn Robert und dessen Freundin Mandy, wohl die längste Anreise hatte. Alle stammen aus der Nähe von Haldensleben in Sachsen-Anhalt, rund 200 Kilometer von Lindhorst entfernt.

„Seit 1991 machen wir uns an Himmelfahrt regelmäßig auf dem Weg, um unsere Hähne hier ins Rennen zu schicken. Doch nur selten hatten wir einen zweimal am Start. Für die Zucht braucht es einfach junge Hähne. Mit drei sind sie im Grunde schon nicht mehr leistungsfähig genug“, erklärt Eckhard Hermes.

Tolle Stimmung und bekannte Gesichter

Diesmal hatte die Familie aus der Börde drei Zwerghähne der Rassen New Hampshire und Niederrheiner mitgebracht, landete mit ihnen aber nur im geschlagenen Feld. „Das ist überhaupt nicht tragisch, das frühe Aufstehen um sechs Uhr hat sich auf jeden Fall wieder gelohnt“, versicherte Vater Bernhard.

„Für uns ist das Wettkrähen in Lindhorst schon zur schönen Tradition geworden. Die Stimmung ist hier immer prächtig und es gibt viele Stammbesucher wie uns, die man gern wieder trifft“, sagt Eckhard Hermes. Und vielleicht gelinge ja auch mal wieder ein Erfolg im hohen Norden. So wie vor zehn Jahren, als Vater Bernhard mit einem Großen New Hampshire den Sieg davontrug. (Lutz Kastendieck)