Wilhelmsburg. Die Dratelnstraße in Wilhelmsburg soll zumindest teilweise verbreitert werden. Nebenan könnte ein autoarmes Modell-Wohnquartier entstehen.
Dem angekündigten Ausbau der Dratelnstraße zu einer Hauptverkehrsstraße in Wilhelmsburg begegnen Bewohner des Stadtteils mit tiefer Skepsis. So sehr, dass sogar der neue rot-grüne Senat einen Passus zur derzeit zweispurigen Dratelnstraße in den Koalitionsvertrag aufgenommen hat, der beschwichtigen soll: keinen „durchgängig vierspurigen Ausbau“, verspricht die Landesregierung nebulös darin.
Was diese sphinxhafte Formulierung für die Gestaltung der Drateln-straße tatsächlich bedeutet, hat jetzt die Verkehrsbehörde konkretisiert: An ihren Knotenpunkten werde die Straße wohl vier Spuren erhalten, die Strecke selbst zweispurig bleiben, sagt Carola Adel.
Die Leiterin des Referats „Verkehrsbelange in der Stadtentwicklung“ in der Verkehrsbehörde beantwortete am Montagabend im Bürgerhaus Wilhelmsburg bei der Bürgerbeteiligung zur Entwicklung des geplanten Wohnquartiers an der Dratelnstraße die Fragen der etwa 25 Besucher.
Nicht durchgängig vierspurig bedeutet eben teilweise doch vierspurig. Zwar sage der Begriff „Hauptverkehrsstraße“, zu der die Dratelnstraße ausgebaut werden soll, nichts über die zukünftige Ausbaustärke und die Verkehrsstärke aus, betont Carola Adel.
Die Verkehrsbehörde geht aber von einem starken Anstieg des Verkehrs auf der Dratelnstraße aus, wenn die Wilhelmsburger Reichsstraße voraussichtlich 2018 oder 2019 verlegt sein wird.
Befahren heute etwa 7300 Kraftfahrzeuge pro Tag die Dratelnstraße, sollen es im Jahr 2025 etwa 25.200 Kraftfahrzeuge sein. Die Anzahl der Lkw werde von heute 1150 auf 3150 pro Tag steigen. Carola Adel räumt ein: „Die Dratelnstraße hat beschaulichen Charakter. Das wird sich ändern, weil wir andere Bereiche entlasten.“
Damit gemeint ist vor allem das geplante Wohnquartier westlich der Dratelnstraße. Dort werden in der ersten Entwicklungsphase 300 Wohnungen, in einem späteren zweiten Schritt zusätzlich 700 Wohnungen entstehen.
So früh wie nie zuvor dürfen die Bürger bei der Planung mitsprechen. So sollen Stadtplaner und Architekten bereits vor dem städtebaulichen Wettbewerb im Sommer erste Leitlinien erhalten, die sie bei ihren Angeboten zu berücksichtigen haben.
Das neue Wohnquartier in der Wilhelmsburger Mitte ist das süße Dessert zu der bitteren Kröte, welche die Bevölkerung mit der stärker befahrenen Dratelnstraße zu schlucken hat. Denn den Behörden schwebt ein autoarmes Quartier vor, das „Modellstadtteilcharakter“ haben könnte.
Den dann etwa 2500 Bewohnern soll die Möglichkeit zum Car-Sharing eröffnet werden. Eine StadtRad-Station (also Fahrradverleih) könnte in dem Quartier sein wie auch ein Verleih von Lastenrädern und eine Fahrradwerkstatt.
Lieferdienste würden eine zentrale Anlaufstelle ansteuern und nicht mehr die Wohnstraße verstopfen. „Nahmobilität“ heißt neuerdings diese autoarme Vision. Carola Adel hält auch eine neue Buslinie oder zumindest einen zusätzlichen Linienast auf der Dratelnstraße für wahrscheinlich. Das letzte Wort dabei habe aber die Hamburger Verkehrsverbund (HVV).
Trotz der Aussicht auf ein autoarmes Modellwohnquartier: Der Vorsitzende des Wilhelmsburger Stadtteilbeirates betrachtet den vierspurigen Ausbau der Knotenpunkte mit Sorge. Die Verkehrsbehörde schaffe an der Dratelnstraße Scheunentore, so herrlich bequem für Lkw, sagt Lutz Cassel.
Carola Adel antwortet darauf zurückhaltend diplomatisch, wie es auch im Koalitionsvertrag stehen könnte: „Wir sind durchaus frei, den Knotenpunkt anders zu gestalten.“