Hamburg. Kinderhilfswerk befürchtet “fatale Signalwirkung“ sollte der Bundesgerichtshof die Mietreduzierung von Nachbarn für rechtens erklären.

Fußball ist Volkssport Nummer eins. Doch der Spaß hört schnell auf, wenn vor dem Haus gekickt wird. In welchem Maße Mieter den Lärm eines benachbarten Bolzplatzes dulden müssen, will der Bundesgerichtshof (BGH) von Mittwoch an klären. Die Richter müssen prüfen, ob Mieter in Eißendorf ihre Miete wegen kickender Jugendlichen mindern dürfen. Noch am Mittwoch soll das Urteil fallen (Az.: VIII ZR 197/14).

Das Deutsche Kinderhilfswerk befürchtet, dass von einem Urteil des Bundesgerichtshofes zugunsten der Beklagten eine fatale Signalwirkung ausgeht. "Schon jetzt können wir beobachten, dass Kinder- und Jugendeinrichtungen an die Stadtränder oder in unattraktive Stadtgebiete gedrängt oder von Lärmschutzwänden eingemauert werden", sagte der Bundesgeschäftsführer des Deutschen Kinderhilfswerks gegenüber dem Hamburger Abendblatt.

Vermieter verklagte zusammen mit der Stadt die Mietminderer

Der Bolzplatz war nachträglich auf dem Gelände der Schule Alte Forst gebaut worden. Benachbarte Mieter kürzten daraufhin ihre Miete um 20 Prozent. Sie sehen sich durch Jugendliche gestört, die außerhalb der Öffnungszeiten des Bolzplatzes kicken. Ihre Vermieter verklagten sie daraufhin. Die Stadt Hamburg trat dem Streit bei.

Die Mieter hatten die Erdgeschosswohnung 1993 gemietet. Sie liegt direkt neben der Schule. 2010 wurde auf deren Gelände ein neuer Bolzplatz gebaut – 20 Meter von der Terrasse des Paares entfernt. Eigentlich sollen auf dem von einem hohen Metallzaun umschlossenen Bolzplatz mit einem Tor nur Kinder bis zu zwölf Jahren spielen und das auch nur unter der Woche bis 18 Uhr.

Nachbarn fühlen sich für Jugendliche am Wochenende gestört

Ab Sommer 2010 beschwerten sich die Mieter gegenüber ihren Vermietern jedoch über Lärmbelästigungen. Sie stören sich an Jugendlichen, die abends und am Wochenende kicken. „Dabei geht es ihnen nicht um spielende Kinder“, sagt die Anwältin der Mieter, Catharina Narjes.

Weil nur ein Tor da sei, kickten die Spieler den Ball ständig gegen den Metallzaun oder gegen nebenstehende Container, sagt die Anwältin. Besonders dieser Lärm setze ihren Mandanten und der gesamten Nachbarschaft zu, die Terrasse sei kaum noch nutzbar. Die Mieter kürzten die Miete.

Die Vorinstanzen billigten diesen Schritt. Während der Schulzeiten müsse das Paar den Lärm akzeptieren, entschied zuletzt das Hamburger Landgericht. Beim Abschluss des Mietvertrages 1993 hätten sie die Entwicklungen auf dem Bolzplatz aber noch nicht absehen können. Dieser Lärm sei nicht vom Mietvertrag umfasst, die Mieter dürften also kürzen.

Der BGH wird prüfen, ob das Urteil Bestand haben kann. Dabei spielt auch eine Regelung eine Rolle, wonach die Lebensäußerungen von Kindern von Nachbarn akzeptiert werden müssen und in der Regel keine „schädliche Umwelteinwirkung“ sind. Das Landgericht war der Meinung, dass dieser Paragraf 22 Absatz 1a des Bundesimmissionsschutzgesetzes nicht zulasten der Mieter anwendbar ist, da die Norm erst 2011 eingeführt worden war, nachdem es vermehrt Prozesse gab.

Kinderhilfswerk befürchtet präventive Klagen von Investoren

Der Chef des Kinderhilfswerk, Holger Hoffmann, sieht generelle rechtliche Probleme. Die Gesetzesänderung wird an vielen Stellen bei Konflikten nicht zur Befriedung der Situation beitragen können, wenn gleichzeitig auf zivilrechtlichem Weg Kinderlärm als Grund für eine Mietminderung akzeptiert wird, sagt er. "Das wird insbesondere Investoren von Wohnanlagen dazu verleiten, präventiv gegen Kinderspielplätze, Bolzplätze und Skateranlagen vorzugehen, um das Risiko möglicher Mietminderungen zu minimieren." Das ist nicht im Sinne der UN-Kinderrechtskonvention, die seit 1992 in Deutschland geltendes Recht ist und eine Vorrangstellung des Kindeswohls bei allen Kindern betreffenden Entscheidungen normiert.