Hamburg. Schönheitsreparaturen müssen nicht mehr von den Bewohnern gezahlt werden. 80 Prozent der Hamburger Mietverträge vom Urteil betroffen.

Ein Richterspruch aus Karlsruhe hat weitreichende Folgen in Hamburg. Nach dem Urteil des Bundesgerichtshofes (BGH) dürfen Mieter nicht mehr vertraglich zu Schönheitsreparaturen in unrenoviert übernommenen Wohnungen verpflichtet werden.

Deshalb rechnet der Mieterverein zu Hamburg mit Entlastungen in Millionenhöhe. Ein Großteil der 700.000 Hamburger Mieter sei nun nicht mehr an entsprechende Mietvertragsregelungen gebunden. „Das ist eine enorme finanzielle Entlastung“, sagt Sigmund Chychla, Geschäftsführer des Mietervereins.

Das Urteil sei bahnbrechend für alle Mieter. Denn nun gelte wieder der Grundsatz, dass Vermieter für Renovierungen aufkommen müssen. Nach Einschätzung des Mietervereins betrifft das 80 Prozent aller Hamburger Mietverträge. Bei 60.000 Umzügen pro Jahr würden sich die bisher auf Mieter umgelegten Kosten auf 90 Millionen Euro jährlich summieren. „Jahrelang haben sich Vermieter unrechtmäßig bereichert“, sagt Chychla. Dem habe der BGH nun Einhalt geboten.

Der Bundesgerichtshof hatte die Praxis von Vermietern gestoppt, Kosten für Schönheitsreparaturen auf Mieter abzuwälzen. Quotenklauseln, die Mieter nach gewissen Zeiträumen zu Renovierungen zwingen, kassierte der BGH ebenfalls. Laut Urteil stellt es eine unangemessene Benachteiligung des Mieters dar, wenn er Kosten für die Beseitigung von Gebrauchsspuren tragen soll, die nicht er, sondern der Vormieter verursacht hat.

Rainer Maaß, Justiziar beim Verband norddeutscher Wohnungsunternehmen, spricht von „keinem angenehmen Urteil“ für die Wohnungswirtschaft. Die betreffenden Mietverträge seien „millionenfach“ ausgegeben worden und nun unwirksam. Als Bestandshüter von 280.000 Wohnungen in Hamburg habe der Verband allen Mitgliedsunternehmen empfohlen, in neuen Verträgen die Quotenklauseln ersatzlos zu streichen. Zudem, so Maaß, werde künftig der erste Satz in Mietverträgen aus Selbstschutz lauten: „Der Vermieter schließt die Pflicht zu Schönheitsreparaturen aus.“ Als Konsequenz aus dem Urteil müssten nun beide Parteien bei Vertragsabschlüssen den Zustand von Mietwohnungen ex­trem penibel dokumentieren.

Nachteile erkennt auch der Grundeigentümerverband Hamburg für seine 31.000 Mitglieder. Der BGH habe eine „aberwitzige Entscheidung“ getroffen, so der Vorsitzende Heinrich Stüven. „Das Urteil geht völlig an der Wirklichkeit vorbei.“ Ohne Not werde ein funktionierendes System torpediert. Stüven rechnet nun mit flächendeckenden Mieterhöhungen, da für Vermieter höhere Kosten entstünden. Langfristig müsse eine „sinnvolle gesetzliche Regelung“ gefunden werden.

Für die Saga/GWG, mit 130.000 Wohnungen der größte Vermieter der Stadt, kommt der Richterspruch einem Gesetz gleich. „Wir halten uns daran“, sagt Sprecherin Kerstin Matzen.