Ex-Michel-Pastor und Abendblatt-Kolumnist Helge Adolphsen über ein ganz besonderes Fest. Das er in einem Jahr auf zwei ganz unterschiedliche Arten feierte.

Harburg/Winsen Vor einigen Jahren hatten wir das Glück, zwei Mal Ostern zu feiern. Am Ostermontag flogen wir in den Urlaub nach Kreta. An den folgenden Tagen erlebten wir dort die Karwoche und Ostern mit, das „Fest aller Feste“, den höchsten christlichen Feiertag.

Was Weihnachten bei uns geworden ist, ist in allen orthodoxen Kirchen das Osterfest. Wir verdankten das doppelte Feiern der unterschiedlichen Festsetzung von Ostern in den westlichen und östlichen Kirchen. Bei uns nach dem gregorianischen Kalender und dort nach dem julianischen.

Diese Osterfeierlichkeiten wurden für uns zu einem unvergesslichen Erlebnis. Sie sind stark geprägt durch überliefertes Brauchtum und Jahrhunderte alte kirchliche Riten. Hier geht alles der Reihe nach. Bei uns hängen schon seit Tagen, sogar seit Wochen die bunten Ostereier an den Bäumen in den Gärten.

Das Ostereiersuchen wird auf Samstag gelegt. Und Osterbrunch findet hier und da schon am Karfreitag statt. Auf Kreta erlebten wir, wie die Menschen den tieferen Sinn der Tage erleben. Wie sie sich auf die Botschaft einlassen und sie mit Leib und Seele erleben. Die Kreter essen in der Karwoche trockenes Brot, eingelegte Oliven und Bohnen. In jedem Fall kein Fleisch.

Die Woche ist nicht nur Fastenzeit, sondern Trauerzeit. In diesen Tagen leben sie die Passion Jesu sinnlich und körperlich nach. Täglich läuten die Glocken morgens und abends zum Gottesdienst.

Am Gründonnerstag färbten unsere Gastgeber viele Eier mit roter Farbe und verzierten sie mit Blumen. Die rote Farbe erinnert sie an das vergossene Blut Christi. An diesem Tag werden traditionell Zöpfe mit einem eingelegten roten Ei gebacken.

Wir erlebten mit, wie am Abend das überdimensionale Kreuz mit der Christusfigur mit Blumen und bunten Bändern geschmückt wurde.

Die Menschen legten Blumen und Kränze auf und neben das Kreuz, um ihre Trauer über den Tod Jesu auszudrücken. Junge Frauen und Männer schmückten einen hölzernen Sarg mit weißen und roten Blumen.

Am folgenden Tag, dem Karfreitag, dem Todestag Jesu, nahm der Priester Christus vom Kreuz, hüllt ihn in ein Tuch und legt ihn ins „Grab“. Danach breitet er ein goldbesticktes Tuch mit der Darstellung der Grablegung über einen Tisch.

Frauen schmückten den Sarg mit Blüten von Blumen, so wie man einem ehrwürdigen Toten die letzte Ruhestatt bereitet. In Erinnerung an die Passionsgeschichte, nach der die Soldaten den Leichnam bewachen, wird am ganzen Tag die Totenwache gehalten.

Auf einer Fahrt am Nachmittag sahen wir auf einem See eine Strohpuppe. Sie stellt Judas, den Verräter Jesu, dar. Abends wurde sie dann verbrannt. Spät am Abend waren wir dabei, als der geschmückte Sarg aus der Kirche getragen und durch die Gassen des Dorfes geführt wurde. Überall brannten Strohfeuer.

Immer wieder blieb der Trauerzug vor Häusern stehen. Deren Bewohner überreichten dem Priester einen Zettel mit einer Fürbitte. Gegenseitig wünschten sich die Nachbarn „viele glückliche Jahre“. Am darauf folgenden Tag, dem „Großen Samstag“, wird überall das Osterlamm geschlachtet. Die Innereien wandern noch an diesem Tag in den Kochtopf. Sie sind Bestandteil der traditionellen Ostersuppe.

Um 23 Uhr rufen die Glocken zum Gottesdienst. Die schwarzen Trauerflore werden durch weiße Bänder ersetzt, Zeichen der Freude. Der Priester tauscht das schwarze Gewand gegen eine weiße Prachtrobe. Wir standen unter den dicht gedrängten Menschen in der kleinen Kirche. Wir hörten die langen Psalmgesänge des Priesters.

Und erlebten, wie kurz vor Mitternacht plötzlich alle Lichter erloschen. Stille und Schweigen. Punkt 0 Uhr trat der Priester aus dem Allerheiligsten mit einer brennenden Kerze in der Hand und sagte die Worte: „Kommt und nehmt Licht vom ewigen Licht und preist Christus, der von den Toten auferstanden ist.“

Nach und nach gaben die Gläubigen das Licht weiter und dann erstrahlte die ganze Kirche im Licht der vielen Kerzen. Dann strömten alle nach draußen. Auf dem Platz vor der Kirche brannte ein riesiges Osterfeuer. Die Glocken läuteten, ein Feuerwerk erhellte den Nachthimmel und Böller krachten. Die Menschen umarmten und küssten sich.

Der Osterruf ertönte „Christos anesti“ – „Christus ist auferstanden“. Darauf antworteten sie „Alithos anesti“ – „Er ist wahrhaftig auferstanden“. Danach kehrten alle in ihre Häuser zurück, um das erste Fleischgericht und die traditionelle Ostersuppe zu essen. Dazu gab es das traditionelle Osterbrot und das griechische Ostergebäck.

Während des Essens wurden die rotgefärbten Eier gegeneinander geschlagen. Derjenige, dessen Ei ganz bleibt, ist der Glückliche für das ganze Jahr.

Der Ostertag gehört der Familie. Ein Lamm wird gegrillt. Es wird gesungen und im Freien getanzt. Es geht ausgelassen und fröhlich zu wie bei einem Volksfest. Ostern einmal anders! Faszinierend, wie die alten Bräuche lebendig sind und wie sinnlich und elementar der Glaube gestaltet wird.

Für uns beeindruckend und unvergessen: Ostern zu erleben als ein tief religiöses Fest und zugleich als ein Volksfest in einer Volkskirche.