Nach der Finanzplanung klettert der Schuldenstand von 14,5 Millionen Euro in 2015 auf 22,9 Millionen Euro im Jahr 2017. In jedem Jahr weist die Samtgemeinde einen Fehlbetrag aus. Der steigt von 21.400 Euro in 2015 auf 143.100 Euro

Tostedt. Das hat es in Tostedt noch nicht gegeben: Der Samtgemeinderat hat den Haushaltsentwurf für die nächsten zwei Jahre unter Protest des Verwaltungschefs verabschiedet. Der Samtgemeindebürgermeister Peter Dörsam hat den Haushaltsplan für 2015 und 2016 in der Ratssitzung am Dienstagabend abgelehnt. Nach der Finanzplanung klettert der Schuldenstand von 14,5 Millionen Euro in 2015 auf 22,9 Millionen Euro im Jahr 2017. In jedem Jahr weist die Samtgemeinde einen Fehlbetrag aus. Der steigt von 21.400 Euro in 2015 in zwei Jahren auf 143.100 Euro und kann nur mit Hilfe der über die Jahre gebildeten Rücklagen ausgeglichen werden.

Deshalb appellierte Bürgermeister Peter Dörsam an die Politik, noch einmal über den geplanten Abriss und Neubau der Grundschule Todtglüsingen nachzudenken. Stattdessen schlug er vor, sich auf den Ausbau zu beschränken und einige Kinder zur Grundschule Poststraße zu schicken – die Einzugsbezirke also zu ändern. „Es sieht keinesfalls rosig aus“, sagte er und verwies auf die Schuldenbremse der Bundesregierung und auf zu erwartende steigende Kosten aufgrund der vielen Flüchtlinge, die in den Landkreis Harburg kommen. Er zitierte die Worte des Landkreises Harburg als Genehmigungsbehörde für die Finanzplanung dieses und vergangenen Jahres, wonach die Samtgemeinde bestrebt sein solle, ihre Schulden zurückzufahren.

Um nicht in die Lage zu kommen, in naher Zukunft freiwillige Leistungen wie die Bücherei schließen zu müssen, will der Verwaltungschef vorbeugen und appellierte an die Politik, die Verschuldung zu senken. „Ich habe Bedenken, dass noch mehr auf uns zukommt. Ich kann dem Haushalt nicht zustimmen“, sagte er. „Ich kann das nicht mit verantworten.“

Die Fraktionsspitzen von SPD, CDU und FDP reagierten empört. „Das ist ein ungeheurer Vorgang“, sagte Harald Stemmler, Fraktionschef der FDP. „Es ist ein Affront gegen den Rat und gegen die Verwaltungsmitarbeiter und das fünf Wochen nach dem Amtsantritt.“ Stemmler wirft Dörsam vor, „weiter Unfrieden stiften“ zu wollen, so wie er es auch vor seiner Wahl zum Samtgemeindebürgermeister, etwa in Form seines Widerstands gegen den Bau der Kita an der Dieckhofstraße, getan habe. „Ich kenne keinen einzigen Fall, dass ein Bürgermeister, der an der Spitze der Verwaltung steht, gegen den Haushalt Stellung bezieht. Dass er die Arbeit der Verwaltung in Grund und Boden redet, wird Konsequenzen haben“, sagte Stemmler.

Der SPD-Fraktionschef Klaus-Dieter Feindt bezeichnete es als „merkwürdig, dass der Bürgermeister die Verwaltung einen Haushalt vorzeigen lässt, der ihm nicht recht ist“. Weder die FDP noch Feindt und Rolf Aldag, Fraktionsvorsitzender der CDU, teilen die Bedenken Dörsams.

„Die Zinsen und Tilgungsraten können aus laufender Geschäftstätigkeit gezahlt werden. Die Samtgemeinde Tostedt ist jederzeit in der Lage, ihren Verpflichtungen und Personalzahlungen nachzukommen“, sagte Feindt. Zudem stärke es die Samtgemeinde in ihrer Konkurrenzfähigkeit in Hamburgs Metropolregion, wenn sie in die Infrastruktur investiere, so der Sozialdemokrat.

Auch Aldag wollte nicht an den Investitionen rütteln. Er wies darauf hin, dass ein Ausbau der Grundschule Todtglüsingen lediglich um 600.000 Euro günstiger käme als ein Neubau und das reduziere den Schuldenberg von mehr als 20 Millionen Euro nicht wesentlich.

Offenbar hatte es in SPD und CDU schon vor der Ratssitzung in Folge der Berichterstattung des Hamburger Abendblatts gebrodelt. Die Fraktionen waren verärgert über die Aussage von Peter Dörsam in der Dienstagsausgabe des Abendblatts, die Grundschule Todtglüsingen abzureißen sei verantwortungslos. Sie werteten das als Beleidigung ihrer eigenen Arbeit, da CDU, SPD und FDP mehrheitlich den Abriss und Neubau der Grundschule Todtglüsingen in den Fachgremien auf den Weg gebracht hatten.

„Es macht mich sehr stutzig, dass Sie 80 Prozent des Rates als verantwortungslos bezeichnen“, sagte CDU-Fraktionsvorsitzender Rolf Aldag zu Peter Dörsam. Rückendeckung bekam Dörsam von Reinhard Riepshoff (fraktionslos, ehemals SPD) und den Grünen. Ein Bürger äußerte sich öffentlich mit den Worten: „Es ist eine Unverschämtheit, den Bürgermeister so anzugehen.“

Am Ende verabschiedete der Rat den Haushalt gegen die Stimmen der Gruppe die Grünen/Allwardt und Bürgermeister Dörsam. Reinhard Riepshoff stimmte für das Zahlenwerk.