Der Wirtschaftspublizist und Innovationsberater Andreas Haderlein liest Harburger Einzelhandel im Auftrag der Süderelbe AG die Leviten: „Der Niedergang ist unübersehbar, es ist Zeit für einen Paradigmenwechsel“.

Harburg. Seit Jahren doktert der Bezirk mehr oder minder erfolglos an einer spürbaren und nachhaltigen Aufwertung der Lüneburger Straße herum. Das ehemalige Zentrum florierenden Einzelhandels, hat seine große Anziehungskraft längst verloren und fristet nach Ansicht vieler Harburger ein kümmerliches Schattendasein. Daran hat auch die Neuauflage des Geschäftsentwicklungsprojektes BID bislang wenig geändert.

Werden vielleicht die falschen Fragen gestellt und die falschen Antworten gegeben? Die Süderelbe AG wollte es genau wissen und hat sich dafür externer Expertise versichert. Der Wirtschaftspublizist und Innovationsberater Andreas Haderlein aus Frankfurt/Main hat in den vergangenen Monaten die Situation in Harburg analysiert und seine Ergebnisse am Donnerstagabend bei der Monatsveranstaltung des Wirtschaftsvereins für den Hamburger Süden im Hotel Lindtner präsentiert.

Dass mitten in seinem Vortrag sein Apple-Laptop krachend vom Pult fiel, war fast Sinnbild für seine Diagnose der Harburger City: „Der Niedergang ist unübersehbar.“ Ganz am Boden sieht er sie aber noch nicht.

Den Umzug von Douglas ins Phoenix Center bezeichnete Haderlein als „Anfang vom Ende der Lüneburger Straße“. Ohne solch ein frequenzsicherndes Ankergeschäft, also eine „Marke mit Strahlkraft“, könne keine Einkaufsmeile auf Dauer existieren.

Da helfe es auch nicht wirklich weiter, immer neue Aktionskonzepte für verkaufsoffene Sonntage zu entwerfen und am Jahresende dafür zu sorgen, dass die Fußgängerzone zu Weihnachten festlich illuminiert wird.

Um Harburgs City jenseits des Phoenix Centers wieder attraktiv und anziehend zu machen, bedürfe es vielmehr eines radikalen Paradigmenwechsels. Multichanneling heiße das große Zauberwort. „Wer online nicht präsent ist, den gibt es bald überhaupt nicht mehr“, so Haderleins radikale These.

Der Online-Handel wirke wie eine Brandbeschleuniger im Strukturwandel des Einzelhandels. Diese Entwicklung habe Deutschland lange gründlich verschlafen. Weshalb Big Player wie Amazon hierzulande über Jahre ziemlich ungestört exorbitante Geschäfte generiert hätten.

Dem etwas entgegenzusetzen sei zwar schwierig, aber nicht unmöglich. Das habe die Entwicklung in Wuppertal gezeigt, an der Haderlein maßgeblich beteiligt war. Dort ist es zu einer nachhaltigen Wiederbelebung der Innenstadt gekommen, weil sich lokale Einzelhändler in einer Art Marketingboard neu aufgestellt haben.

„Mithilfe der Internetplattform atalanda.com und kleiner Logistikunternehmen wurde ein lokales Online- und Vertriebsnetz aufgebaut, das beständig wächst und immer größere Umsätze generiert“, berichtete Haderlein.

Natürlich gebe es die einzelnen Geschäfte in zentraler Lage weiter, in dem sich die Kunden über Produkte informieren und individuell beraten lassen können. Dann aber werde es interessant. Denn die begehrten Waren könnten dann online geordert werden und würden größtenteils auch am gleichen Tag geliefert.

Und das auch noch ressourcensparend, statt in aufwendigen Einmalverpackungen nämlich in Tüten oder Leihboxen. Obendrein würde es auch Schulungen geben, wie Geschäftsleute und deren Mitarbeiter ihre Produkte für den Online-Vertrieb aufbereiten und anbieten könnten.

Für Harburg empfahl Innovationsberater Andreas Haderlein auch eine stärkere Zwischennutzungsoffensive, um dem Leerstand zu begegnen. Und neue Vermietungskonzepte, um neue Mieter zu generieren. Etwa Pop-up-Stores und Outlet Stores großer Versandhändler wie Zalando, die zunehmend in die Fläche drängen. Und ein Comeback der Local Heroes.