Der TSV Buchholz 08 ehrt heute bei seiner Sportgala mehr als 100 Mitglieder. Zu ihnen gehört der Turner. Abbasian möchte Deutscher werden
Buchholz . Doppelter Salto mit doppelter Schraube, gehockt. Eine Höchstschwierigkeit. Sie wird Reza Abbasian bei den Deutschen Meisterschaften im September in Gießen als Abgang von den Ringen turnen. Die Chance mit der Übung auf Platz eins zu landen, wäre nicht schlecht. Denn der gebürtige Iraner, der für den TSV Buchholz 08 turnt, gehört europaweit zu den 15 bis 20 besten Kunstturnern an diesem Gerät. Doch trotz seiner Aufenthaltserlaubnis hat der 24-Jährige noch immer keinen deutschen Pass und wird damit in Gießen voraussichtlich nur außer Konkurrenz starten können. Abbasians Staatenlosigkeit hemmt seine Karriere und verschließt ihm, wovon er schon als kleiner Junge im Iran geträumt hat: „Ich wollte auf internationaler Ebene turnen.“
Voraussetzung dafür ist ein Status als Bundesbürger. Ein Ziel, von dem Abbasian bislang noch weit entfernt scheint. Dagegen ist der 24-Jährige an seinem Wohnort Nenndorf und in seinem Verein längst angekommen. Seit zwölf Jahren wohnt er mit seinem Vater im Kreis Harburg, die Mutter kam 2012 nach. Beim TSV betreut er als Übungsleiter zwei Riegen junger Turner, sechs Mal war er seit 2006 Jugend- und Erwachsenen-Meister im Deutschen Mehrkampf, der neben dem Turnen einen 100-Meter-Sprint, Weitsprung und Schleuderballwerfen vorsieht.
Neben seinem ebenfalls in der Spitze turnenden Vereinskollegen Alexander Vogt und den Tänzern der Latein-A-Formation, die vor dem Aufstieg in die 1. Bundesliga stehen, gehört der Moslem zu den Aushängeschildern des Vereins. Bei der Sportgala am heutigen Freitagabend in der Nordheidehalle wird er als deutscher Vizemeister im Achtkampf (Turnen und Leichtathletik), als Kunstturn-Landesmeister für Niedersachsen sowie für den Aufstieg in die 2. Bundesliga geehrt, die er mit dem Niedersächsischen Turnteam schaffte.
Mit der in diesem Jahr erstmals organisierten Gala will der Verein mit 3500 Mitgliedern die gesamte Bandbreite seine Aktivitäten vorstellen und hat dafür ein dreistündiges Programm zusammengestellt, zu dem Ballett, Fechten, Tänze sowie Frauen- und Männerturnen gehören. Der TSV ist überdies im Fußball und Hockey erfolgreich. „Bei uns steht der Leistungsgedanke im Vordergrund“, sagt Bernward Bade, der seit 35 Jahren für den Verein arbeitet. Der 54-Jährige war damals der erste Sportlehrer im Landkreis, den ein Verein einstellte. Bei der Gala werden nun allein 53 Turner aus der Abteilung mit 304 Mitgliedern geehrt. Insgesamt stehen deutlich mehr als 100 Ehrungen auch für Mannschaften an. Der Verein rechnet mit rund 500 Besuchern.
Die heute größte Kunstturnsparte bundesweit hatte einst der Grund- und Hauptschullehrer Norbert Meyer ins Leben gerufen. Bei ihm ging Bade zur Schule. „Was ich bei ihm gelernt habe, wollte ich gern weitergeben“, sagt Bade. Das tat er nach dem Abschluss seines Studium in Frankfurt und seiner Turnkarriere beim TSV Kronshagen, die ihn bis hinauf in die 2. Bundesliga führte. Heute arbeitet der Chef der Abteilung Kunstturnen mit 20 Übungsleitern zusammen. Einen Schub bekam die Arbeit durch den Bau der Nordheidehalle, die 2008 fertig wurde. Sie hatte vor allem der heutige Betriebsleiter der Halle, Kai von Thiemen, vorangetrieben. Zur Halle gehört auch der Anbau für die Turner. Dort sind die Geräte fest installiert, so dass keine wertvolle Zeit für den Aufbau verloren geht. Seit 20 Jahren hat Bade eine Kooperation mit Kindergärten und Schulen aufgebaut, über die Talente ab vier Jahren gesichtet werden. „So sichern wir uns die Besten“, sagt Bade.
So war das auch bei Abbasian. Er hatte schon im Iran geturnt, verletzte sich und dachte schon ans aufhören. „Aber in der Orientierungsstufe zeigte sich dann, dass „ich doch noch etwas konnte“, sagt Abbasian. Seine Lehrerin sah das auch so und rief Bade an. Heute trainiert Abbasian fünf bis sechs mal die Woche neben seiner Ausbildung zum Steuer-Fachangestellten, die er im vergangenen Februar in Hamburg begonnen hat. „Meine heutige Chefin hatte damals von mir gelesen und mir die Stelle angeboten. Wenn sie meinen Sport nicht so unterstützen würde, wäre alles gar nicht möglich“, sagt der Turner. Täglich arbeitet er von 7.30 Uhr bis 16 Uhr in Hamburg, fährt mit der Bahn nach Klecken, steigt ins Auto und fährt zum Training, das leicht auch Mal bis 22 Uhr dauern kann. Auch am Wochenende wird mitunter trainiert und natürlich sind da die Wettkämpfe.
Die vergangene Saison mit dem Aufstieg in die 2. Bundesliga hat bei Abbasian Spuren hinterlassen: Ein Verletzung in der Schulter, die nun zunächst auskuriert werden muss. Aber für die kommende Runde, die nach den Deutschen Meisterschaften im Herbst beginnt, sollen sich die Bedingungen für das Niedersächsische Turnteam, für das allein sechs der 15 Turner aus Buchholz antreten, deutlich verbessern. „Wir erwarten, dass sich am 10. Februar ein Investor vorstellt, der hinter dem TuS Vinnhorst bei Hannover steht“, sagt Bade. „Dann wird er von einer Weltreise zurück sein.“
Vinnhorst ist schon heute einer der Partner des Turnteams. Doch nun soll vor Ort ein Halle für 1000 Zuschauer mit einer Kunstturnarena entstehen und Geld genug vorhanden sein, um weitere begabte Sportler für die Mannschaft zu gewinnen. Das soll dem Klassenerhalt in der 2. Bundesliga dienen. Abbasian und der ebenfalls bundesweit erfolgreiche Alexander Vogt, die bisher schon auf Honorarbasis für andere Vereine in der Bundesliga geturnt haben, würden dann besser abgesichert. Bisher jedoch ist der Investor zumindest in Buchholz noch unbekannt.
Zu Hause, im Anbau der Nordheidehalle, steht Bade jetzt mitten im Anbau für die Turner und zeigt auf eine Außenwand. „Dort sollte es heute eigentlich einen weiterer Raum für das Bodenturnen geben“, sagt er. Doch dann brannte die Halle im Buchholzer Ortsteil Holm-Seppensen ab und das Projekt musste aufgrund der knappen finanziellen Mittel der Stadt zurückgestellt werden. Nötig ist der Anbau aber schon deshalb, weil in der jetzigen Halle kein Platz für den Turnboden ist, der nach den olympischen Maßen 14 Mal 14 Meter messen muss.
Den Boden selbst hat sich der Verein schon ausgesucht. Er heißt „Moskau“ und besteht aus auf Spiralfedern gelagerten Sperrholzplatten, die dann mit einer 3,5 Zentimeter dicken Spezialschaumauflage überzogen werden. Preis: 35.000 Euro. Immerhin mehr als 20.000 Euro hat der Verein inzwischen in der Kasse und hofft zusammen mit einem Zuschuss der Stadt Buchholz in zwei Jahren bestellen zu können. „Für Wettbewerbe können wir den Boden in der großen Halle aufbauen“, räumt Trainer Bade ein. Besser wäre, wenn dann auch der Anbau fertig wäre. „Darauf“, sagt Bade, „hoffen wir.“