Binnenhafen-Aktivisten wollen für das Stück „lebendiger Quartiersgeschichte“ einen alternativen Standort finden. Neben dem Mulch-Kran oder an der Fischhalle sind ernsthafte Optionen
Harburg. Schön ist er ja nicht, der Kiosk am Kanalplatz, Ecke Blohmstraße. Die Pressspanverkleidung hat gewiss schon bessere Tage gesehen. Die Tabakwerbung mit dem weltbekannten Kamel über der kleinen Ausschankluke ist beschmiert. Auch auf der anderen Seite hat ein hirnloser Sprayer seine hässlichen Hieroglyphen hinterlassen. Und wenn der geneigte Kunde bei Regen falsch steht, wird er pitschnass, weil dem Kunststoffvordach ein paar Wellen fehlen. Dennoch ist die traditionsreiche „Trinkhalle“ für die Menschen im Harburger Binnenhafen ein geliebtes Kleinod. Im nächsten Jahr würde es an dieser Stelle 140 Jahre existieren. Doch dazu wird es wohl nicht mehr kommen.
Am Montag vergangener Woche hat Pächter Peter Kottke vom städtischen Immobilienverwalter Sprinkenhof AG die Kündigung erhalten. Bis Freitag 6. Februar darf der 73-Jährige noch seine beliebten „Hafenlümmel“, dicke, lange und sehr schmackhafte Bockwürste zu 2,40 Euro das Stück, die nicht minder begehrten Pferdewürste für 2,50 Euro und belegte Brötchen über den Minitresen reichen. Dann muss er den Verkauf einstellen und den Kiosk bis 15. Februar räumen. Auch den Korpus selbst, der übrigens aus dem Führerstand einer ehemaligen Schiffsbrücke besteht.
„Ich sehe das mit einem lachenden und einem weinenden Auge“, sagte der 73-Jährige dem Abendblatt. In den letzten Jahren sei es immer schwieriger geworden, vernünftige, soll heißen, lohnende Umsätze zu machen. An guten Tagen kamen noch 250 Hungrige und Durstige, viele davon echte Stammkunden. An durchschnittlichen Tagen mögen es noch um die 150 gewesen sein, schätzt er. „Seit vor ein paar Jahren die Harburger Gummi-Kamm-Compagnie ihren Betrieb an der Neuländer Straße einstellte, waren die Einnahmen stark rückläufig“, so der gelernte Koch.
Dennoch habe er den Job in den vergangenen 15 Jahren seit Ende 1999 immer gern gemacht. Von früh um vier Uhr an zehn bis zwölf Stunden in dem kleinen Kabuff zu stehen, hätte ihm nie etwas ausgemacht. Das sei zuvor schon so gewesen, als er 30 Jahre lang die Marktklause am Sand über dem Fischgeschäft Mimi Kirchner betrieben habe. „Einmal Gastronom, immer Gastronom. Aber irgendwann muss eben auch mal Schluss sein“, sagt Kottke und lächelt gequält. So sei das nun mal: „Geld regiert die Welt. Da haben Traditionen kaum noch eine Chance.“
Doch damit wollen sich nicht alle abfinden. Für Birgit Caumanns von der Geschichtswerkstatt Harburg am Kanalplatz gehört der Kiosk, zu einem „erhaltenswerten Relikt“ dieses Quartiers. „Solche skurrilen Kuriositäten wie die Trinkhalle machen solch ein Gebiet doch erst bunt und unverwechselbar und damit letztlich liebenswert. Mal abgesehen davon, dass der Kiosk nachweislich ein echtes Stück Hafen- und Industriegeschichte repräsentiert“, sagt engagierte die Stadtplanerin. Darin sei man sich auch in der jüngsten Sitzung der Begleitgruppe Binnenhafen einig gewesen.
Bei dieser Gelegenheit hat Gorch von Blomberg von der Kulturwerkstatt keinen Zweifel daran gelassen, dass es nicht darum gehen könne, dem schnöden Mammon alles zu opfern, was „weder schön noch denkmalgeschützt“ sei. „Weshalb genau geschaut werden muss, wie viel Neues und Modernes der Binnenhafen noch verträgt, und wie viel Altes noch zerstört werden darf“, so von Blomberg.
Aus diesem Grund werden sich Kultur- und Geschichtswerkstatt jetzt intensiv um einen alternativen Standort bemühen. Die Kulturwerkstatt Harburg sei bereit, den Kiosk zu übernehmen. Eine denkbar Option wäre, ihn an den gelben Portaldrehkran am Lotsekai zu transportieren und dort mit einer temporären Nutzung weiter zu betreiben.
Längst hat sich auch Binnenhafenbarde Werner Pfeifer in die Diskussion um die Zukunft der Trinkhalle eingeschaltet. Sollte er den Zuschlag für die Übernahme der alten Fischhalle gleich nebenan erhalten, könne er sich gut vorstellen, den Kiosk in den Außenbereich seiner geplanten maritimen Kulturstätte zu integrieren. „Dann wäre der Kiosk wenigstens in der Nähe seines historischen Standorts und bliebe in engem, authentischen Bezug zur Geschichte des Binnenhafens“, sagt Pfeifer.
Um ihrer Forderung Nachdruck zu verleihen, wollen sich Birgit Caumanns, Gorch von Blomberg und Werner Pfeifer zeitnah mit Harburgs Baudezernenten Jörg-Heinrich Penner an einen Tisch setzen, um alle Möglichkeiten zur Rettung des alten Kiosks auszuloten. „Sehr kurzfristig müssen jetzt praktikable Lösungen her, bevor wieder ein historisches Stück Hafen unwiederbringlich verloren geht“, so Caumanns.
Für Peter Kottke kommt ein Umzug unterdessen nicht mehr in Frage: „Für mich ist am 15. Februar definitiv Feierabend“, sagte er gestern dem Abendblatt.