Alternative zur Y-Trasse: VCD schlägt Reaktivierung der kaum ausbaubaren Strecke Bremervörde–Buchholz–Lüneburg vor. Hier könnten nach Ansicht des Verkehrsclubs sogar doppelstöckige Containerzüge fahren.
Buchholz. Ein von Bäumen gesäumter Pfad zieht sich durch die ländliche Idylle zwischen Sprötze und Brumhagen. Nur der schnurgerade Verlauf erinnert noch daran, dass hier einmal die Bahnstrecke Buchholz–Bremervörde verlief. Seit Jahrzehnten liegen hier nicht einmal mehr Schienen, die Strecke ist heute eine Radroute im Regionalpark Rosengarten.
Unweit davon, jenseits der Gleise der Bahnlinie Hamburg–Bremen, weisen nur noch ein Straßenschild und ein Viadukt, der bei Suerhop die Heidebahnlinie überquert, auf die Bremervörder Bahn hin, die 1968 außer Betrieb ging.
Für Aufsehen im Landkreis Harburg und in Buchholz sorgt nun eine Studie, die der niedersächsische Landesverband des Verkehrsclubs Deutschland (VCD) in Auftrag gegeben hat: Der Eisenbahn-Ingenieur Carsten Hein schlägt darin vor, diese und weitere stillgelegte Bahnstrecken als Alternative zur Y-Trasse zu prüfen.
Weil der Knotenpunkt Harburg kaum ausbaufähig sei, solle vom Bahnhof Alte Süderelbe (neben der A7) einen Abzweig zunächst parallel zur späteren A26 und dann westlich an Neu Wulmstorf vorbei in Richtung Elstorf zu führen. Von dort aus ginge es weiter Richtung Drestedt und Trelde, wo die Trasse auf die alte Bahnstrecke stoßen würde.
Eine Überquerung der Bahn Hamburg–Bremen würde in Höhe Sprötzer Weg folgen, dann ginge es an Buchholz vorbei bis Jesteburg auf der vorhandenen Strecke.
Von dort aus soll es über Marxen, Brackel und Wulfsen Richtung Lüneburg gehen. Auch hier gibt es parallel zur A39 eine stillgelegte Strecke, die heute ein Wanderweg ist. Von Lüneburg aus ginge die Strecke dann weiter in Richtung Wittenberge in Mecklenburg-Vorpommern.
Hier könnte der Anschluss an den sogenannten Ostkorridor hergestellt werden, der über Uelzen und Stendal nach Süddeutschland und Osteuropa führt. Anstoß zu dieser Trasse gaben die Überlegungen des ehemaligen Bundesbahn-Planers Rudolf Breimeier, Carsten Hein hat die Strecke im Detail ausgearbeitet. Breimeier bevorzugt den Ausbau bestehender Trassen.
Im Landkreis Harburg stößt der Vorschlag auf Ablehnung, etwa bei der CDU Buchholz: „Wir lehnen diese Variante ebenso ab wie die übrigen Trassenverläufe, die den Landkreis Harburg berühren“, sagt der Vorsitzende Christian Horend.
Entlang der Strecke seien etliche Ortschaften betroffen. Dem schließt sich Eberhard Leopold, Vorsitzender des Bürgerbündnisses Nordheide gegen Eisenbahnneubautrassen an. „Dass hier alte Strecken reaktiviert werden, trifft allenfalls in Teilen zu. Größtenteils liegen keine Gleise mehr, es handelt sich also eigentlich um Neubaustrecken“, so Leopold.
Auch Breimeiers Aussage, die Trasse sei umweltverträglich, sei unzutreffend. „Im Wendland würde die Trasse bei Dömitz die Elbe queren müssen – und das ausgerechnet im Unesco-Biosphärenreservat Elbtalaue“, sagt Leopold und ist überzeugt: „Wenn die Trasse kommt, dann brennt die Nordheide.“ Das Bürgerbündnis will stattdessen, dass vorhandenes Schienenpotenzial besser genutzt wird.
„Das ist abstrus“, meint auch Landrat Rainer Rempe. „Wir reden hier über Strecken, die entwidmet sind. Die Trasse verläuft zudem durch Wohngebiete und geschützte Gebiete. Auch eine Verbesserung der Verkehrssituation auf der Nord-Süd-Achse ist damit nicht verbunden.“ Er habe noch niemanden getroffen, der diesem Vorschlag etwas abgewinnen könne, nicht einmal die Bahn unterstütze das.
Den VCD ficht das nicht an, er ist von der Breimeier-Trasse überzeugt. Auch weil man Doppelstock-Güterwagen auf die Strecke bringen könnte. „Das wird in den USA, Indien, Australien und China praktiziert. Die Breimeier-Variante wäre dafür geeignet, weil keine Tunnelbauwerke nötig sind“, erläutert VCD-Sprecher Hans-Christian Friedrichs.
Da über die Strecke etwa 50 Prozent des aufkommenden Verkehrs geführt würden, wären es bei Doppelstockwagen real 25 Prozent. Dem Argument, dass die Trasse auch durch Wohn- und Naturschutzgebiete verlaufen würde, entgegnet Friedrichs damit, dass ja auf jeden Fall ein naturschutzrechtliches Gutachten erstellt werden müsse.
Zum Konzept gehöre auch, dass die Züge auf der Strecke eher langsam fahren und somit weniger Lärm für Anwohner verursachten. „Außerdem ist ein Schienennahverkehrskonzept zwischen Lüneburg und Wittenberge integriert. Wir sind der Ansicht, dass die Bevölkerung einen angemessenen Gegenwert für zusätzliche Belastungen erhalten muss.“
Grundsätzlich sei der VCD auch zufrieden, wenn nur Teile der Vorschläge umgesetzt würden. „Wir wollen aber, dass unsere Variante gleichberechtigt im Dialogverfahren untersucht wird. Ich bin allerdings skeptisch, dass das Verkehrsministerium diesen Vorschlag genauso behandeln wird wie die anderen“, sagt Friedrichs.
Der Landkreis Lüchow-Dannenberg und die CDU Uelzen unterstützen denn auch die Breimeier-Variante: „Wir bekämen mit der Möglichkeit einer direkten Anbindung nach Hamburg und Berlin die Bahninfrastruktur zurück, die uns durch Krieg und Teilung genommen wurde“, sagte dazu Landrat Jürgen Schulz. Auch die CDU Uelzen will ihren Landtagsabgeordneten beauftragen, sich für die Breimeier-Trasse einzusetzen.
Das Ministerium teilte auf Anfrage mit, dass die Variante im Dialogverfahren berücksichtigt werden soll. „Wir sind Vorschlägen gegenüber offen, grundsätzlich soll das Verfahren aber in einem Jahr abgeschlossen sein“, sagte Sprecherin Sabine Schlemmer-Kaune. Es sei nicht zielführend, wenn jetzt noch etliche Variantenvorschläge hinzukämen.
Das Dialogverfahren um die Y-Trasse und die von der Deutschen Bahn vorgeschlagenen sechs Alternativen soll im Februar beginnen. Die damit beauftragte Agentur vom Hoff aus Düsseldorf hat dazu eine Internetseite eingerichtet. Sie ist in Betrieb, befindet sich aber in weiten Teilen noch im Aufbau.
www.dialogforum-schiene-nord.de