In der Nordheide hat sich ein Bündnis gegen neue Trassen gegründet. Die Anwohner fürchten Lärm und Umweltschäden und machen deshalb massiv gegen die Planungen der Bahn Front.
Bahlburg. Die Bahn erwarte in der dünn besiedelten Heide wohl wenig Widerstand. „Doch da täuscht sie sich: Wir werden ihr einen heißen Empfang bereiten!“ Harte Worte von Eberhard Leopold, der im Gespräch doch so einen ruhig-besonnenen Eindruck macht.
Der Bahlburger ist Vorsitzender des neuen „Bürgerbündnisses Nordheide gegen Eisenbahn-Neubautrassen“, das sich gerade in der Vereinsgründungsphase befindet. In ihm bündeln sich die Widerstände aus den Gemeinden, die von einem Bahnstreckenausbau als Alternative zur Y-Trasse betroffen wären.
Wie berichtet, untersucht die Deutsche Bahn derzeit sechs Alternativen zur ursprünglich geplanten Y-Trasse, die unter anderem den Gütertransport zwischen Hamburg, Bremen und Hannover beschleunigen soll. Besonders die Varianten „Neubaustrecke Ashausen–Unterlüß“ und „Neubaustrecke Ashausen–Suderburg“ hat das Bündnis im Fokus.
Bürger aus 13 Ortschaften entlang dieser Strecken engagieren sich gegen das Vorhaben, das Bündnis kooperiert zudem mit der Bürgerinitiative Westergellersen und dem Aktionsbündnis Ostheide in Uelzen, wo kürzlich bereits 1000 Bürger und 120 Traktoren die Innenstadt bei einem Protest lahmlegten.
Konkret sorgen sich die Bürger um Lärmbelastung, Zerschneidung der Landschaft und der örtlichen Strukturen sowie Wertverlust von Wohn- und Ackergrundstücken. Zwar prüfe die Bahn auch den Ausbau vorhandener Strecken.
„Ein viertes Gleis zwischen Hamburg und Lüneburg beziehungsweise ein drittes zwischen Lüneburg und Uelzen zu bauen – das hat die Bahn schon signalisiert – kommt aus Kostengründen wohl nicht in Frage, zumal der Ausbau ‚unterm rollenden Rad‘ erfolgen soll“, so Leopold.
Allerdings lehnt das Bündnis – anders als der Landkreis Harburg – auch die ursprünglich angedachte Y-Trasse ab, da auch sie zu einem erheblichen Teil aus Neubaustrecken bestünde.
Einfach nach dem St.-Florians-Prinzip verfahren will das Bündnis keinesfalls. „Wir machen einen Alternativvorschlag. Der lautet: Die Kapazität des vorhandenen Schienennetzes muss besser ausgenutzt werden“, sagt Eberhard Leopold.
Das Bündnis schlägt aber auch vor, die „Amerikalinie“, die von Bremen über Soltau nach Uelzen führt, zweigleisig auszubauen. Das kommt dem Vorschlag des früheren Bahn-Planungsingenieurs Rudolf Breimeier nahe, der die ursprüngliche Y-Trasse mitgeplant hatte.
Davon ist er inzwischen abgerückt und plädierte kürzlich in einem NDR-Interview für die Umsetzung einer bereits vor 130 (!) Jahren geplanten Trasse über Bremervörde nach Lüneburg nach Berlin beziehungsweise zum sogenannten Ostkorridor Uelzen–Stendal bis nach Osteuropa. Der Landkreis Harburg hatte dieser Strecke sogleich eine Absage erteilt.
Unabhängig von jeglicher Diskussion um den Trassenverlauf führt das Bündnis aber noch ein weiteres wichtiges Argument an: Das Bundesverkehrsministerium habe seine Prognosen über die Entwicklung des Güterverkehrs deutlich gesenkt, „um 40 Prozentpunkte auf der Straße und um 22 Prozentpunkte auf der Schiene“, sagt Eberhard Leopold.
Genauer: Die ursprüngliche Prognose im Betrachtungszeitraum 2004 bis 2025 sah ein Wachstum beim Schienengüterverkehr von 65 Prozent vor, die neue Prognose für den Zeitraum 2010 bis 2030 dagegen nur noch einen Anstieg um 43 Prozent. Beim Straßengüterverkehr sei es nur noch ein erwartetes Plus von 39 statt 79 Prozent.
„Wir fragen uns daher auch, welche Zahlen stimmen denn nun? Zu bedenken ist auch: Der Güterumschlag im Hamburger Hafen hat 2013 erstmals wieder den Stand von 2008 vor der Wirtschaftskrise, nämlich 140 Millionen Tonnen, erreicht. Was ist, wenn die nächste Krise kommt?“, fragt Leopold.
Das Bündnis fordert daher Transparenz und objektive, wasserdichte Zahlen von der Bahn. Weitere Info- und Protestveranstaltungen sind außerdem in Planung, die nächste für Donnerstag, 30. Oktober, 19.30 Uhr im Dorfgemeinschaftshaus Vierhöfen.
Die Deutsche Bahn hat bekanntlich Bürgerbeteiligung im Auswahlverfahren der Y-Trassen-Alternativen versprochen und die Durchführung an das Land Niedersachsen delegiert.
Passiert ist noch nichts – mit dreimonatiger Verspätung soll nun im Januar der Dialogprozess beginnen. Wie das Verkehrsministerium mitteilt, ist die Verzögerung entstanden, weil der Bund die aktuellen Verkehrsprognosen abwarten wollte. Der Gesamtzeitplan sei dadurch nicht gefährdet, sagte Verkehrsminister Olaf Lies (SPD), betonte aber auch, dass „Gründlichkeit vor Eile“ gelte.
„Ziel dieses Bürgerdialogs muss es sein, eine transparente und faire Form der Bürgerbeteiligung für dieses wichtige Infrastrukturprojekt zu gewährleisten. In dem Planungsprozess zur Y-Trasse sind über 20 Jahre vergangen, ohne dass es ein greifbares Ergebnis gibt. Wir wollen die Fehler der Vergangenheit vermeiden und einen ergebnisoffenen Dialog-Prozess voranstellen“, so Lies.
Die europaweite Ausschreibung läuft bis zum 27. Oktober. Die Vergabe soll im Dezember erfolgen. Für die Vertreter der Kommunen hatte es im bereits Sommer Infoveranstaltungen gegeben. Jetzt sollen auch Verbände, Bürgerinitiativen und andere Gruppierungen eingebunden werden. Für die Bürger soll es eine Internetplattform geben.