Nach der verlorenen Landratswahl will es der Neu Wulmstorfer wieder wissen. Die SPD will seine erfolgreiche Nachbarschaftskampagne auf den gesamten Landkreis ausdehnen
Neu Wulmstorf. Er war der Underdog. Jetzt greift Thomas Grambow nach seiner verlorenen Landratswahl wieder an. 2015 soll das Jahr der SPD werden. Mit einer Nachbarschaftskampagne will die Kreis-SPD um die Gunst der Wähler werben. Das Wundenlecken hat also ein Ende.
Dafür hatte Thomas Grambow allerdings allen Grund. Die Voraussetzungen, die Landratswahl in diesem Jahr zu gewinnen, waren für Thomas Grambow (SPD) denkbar schlecht. Sein Kontrahent Rainer Rempe saß zum Zeitpunkt der Wahl bereits mehr als 20 Jahre in der Verwaltung, vertrat sieben Jahre lang seinen Vorgänger, Joachim Bordt. Rempe – im Kreis stark vernetzt mit hoher fachlicher Kompetenz – galt als aussichtsreichster Kandidat.
Trotz dieser widrigen Umstände holte Thomas Grambow ein überraschendes Wahlergebnis ein. Ohne Verwaltungserfahrung und als Controlleur bei der Knappschaft beschäftigt suchte er die Nähe der Bürger. Er tat das, was man Klinkenputzen nennt. Er klingelte an ihren Türen, stellte sich vor, stand Rede und Antwort. Insgesamt 4.000 Haushalte klapperte er ab, ein ehrgeiziges, kräfteraubendes Programm. Nur vier Monate hatte er, um den Vorsprung von Rempe aufzuholen. Am Ende überraschte er alle. Er holte 47,8 Prozent. Rainer Rempe gewann die Wahl mit 52,2 Prozent. Das war denkbar knapp.
Nun hilft das Thomas Grambow nicht gerade weiter. Verloren ist verloren. „Es war eine Herkulesaufgabe. Jetzt muss ich mit dem Ergebnis leben“, sagt Thomas Grambow. Aber die SPD wäre dumm, wenn sie aus der Nachbarschaftskampagne von Thomas Grambow nicht ihre Lehren ziehen würde. Die rückblickende Analyse ergab: Die Kampagne „On Tour“ lief gut. Auch die Themen Verkehr und Gesundheitsversorgung habe die SPD richtig gesetzt, so Grambow. „Meine Schwäche war, dass ich nicht bekannt war und man mir deshalb die Aufgabe nicht zugetraut hat.“
Jetzt hatte er zwei Möglichkeiten: sich zurückziehen oder wieder angreifen. Er entschied sich für Letzteres. „Ich will in den Kreistag“, sagt er. Um nicht erneut zu scheitern, braucht er dafür eine gemeinsame Überschrift für alle SPD-Ortsvereine im Kreis, eine Idee, die sich auf den gesamten Landkreis ausdehnen lässt. Die hat ihm die Workshop-Serie der SPD in Neu Wulmstorf geliefert. Die Sozialdemokraten haben in den vergangenen fünf Workshops für die Bürger zu den Themen Verkehr, Handel und Füreinander/Miteinander veranstaltet. Etwa 20 Einwohner sind den einzelnen Einladungen der Sozialdemokraten gefolgt. Grambow wertet das als Erfolg, vor allem, weil keine Parteimitglieder, sondern Einwohner kamen. Die politische Schiene wollte er eben nicht fahren. „Die Workshops waren in Neu Wulmstorf ein Testballon. Ich finde, sie funktionierten“, so Grambow.
Jetzt will die SPD die Workshop-Reihe von Neu Wulmstorf im nächsten Jahr auf den gesamten Landkreis ausdehnen und in eine Nachbarschaftskampagne einbetten. Sie hat das Wahlkampf freie 2015 zum Jahr der Programmdebatte erklärt. Die Workshops sollen in allen Gemeinden und Städten laufen. Damit bedient sich die SPD der Bürgerbeteiligung, die derzeit en vogue ist, schon in einem frühen Stadium – noch bevor überhaupt irgendetwas konkret in Planung ist. Auch wenn die Workshops keine Antworten auf drängende Fragen geben, bekommen die Bürger das Gefühl, dass ihre Meinung zählt. Und die Sozialdemokraten holen ganz viele Meinungen und Stimmungen ein. „Man kann nie sagen, was bei diesen Treffen herauskommt“, sagt Grambow. „Aber wir haben die Räume, laden ein, die Leute kommen und sagen, was interessant und wichtig ist.“
Die Workshops sind auch dazu da, herumzuspinnen. So kursierte in einem der Workshops in Neu Wulmstorf die Idee einer „Shoppingbahn“, die zwischen Edeka und Aldi an den Wulmstorfer Wiesen, den Geschäften an der Bahnhofstraße und den Möbelhäusern an der Matthias-Claudius-Straße, wo möglicherweise bald ein Famila-Markt entsteht, verkehren könnte.
Auch Famila und die Autobahn 26, zwei Stichworte, auf die manche Einwohner auf Neu Wulmstorf empfindlich reagieren, kamen in den Treffen zur Sprache. Viele befürchten, dass eine Ansiedlung von Famila auf dem ehemaligen Meyn-Gelände den Einzelhandel an der Bahnhofstraße gefährdet. Dass Rübke die einzige geplante Abfahrt der Autobahn 26 zwischen Buxtehude und dem Anschluss an die A7 sein soll, treibt ebenso den Bürgerprotest. Denn das hätte zur Folge, dass die Landesstraße 235, die durch die Ortschaft Rübke führt, den gesamten Schwerlastverkehr für Teile des Alten Landes, Airbus und die Sietas-Werft aufnehmen müsste.
Natürlich sind das Neu Wulmstorf spezifische Themen. Die Einwohner in den anderen Gemeinden und Städte im Landkreis Harburg beschäftigt ganz anderes. „Wir wollen die Kampagne auf jeden Ort zuschneiden“, sagt Grambow. Daher hat die SPD auch ein allgemeines Motto ihrer Nachbarschaftskampagne gewählt: „Leben und Wohnen im Landkreis Harburg“. Darüber hinaus sollen die Genossen in den einzelnen Ortsvereinen zur Kommunalwahl on tour gehen.
So wie Grambow es zur Landtagswahl tat. Klinkenputzen also. Die SPD macht aus der Not, aus ihrem fehlenden Netzwerk, eine Tugend. Grambow glaubt an die Bürgernähe, auch wenn die Kampagne Schweiß und Arbeit bedeutet. „Die 47,8 Prozent habe ich ja irgendwo herbekommen. Wir müssen aus dem Erfolg meiner Kampagne lernen und können nicht einfach sagen, so haben wir es immer so gemacht und so machen wir es weiter“, sagt er. Mit diesem Coup hofft die SPD auf einen Erfolg bei der Kommunalwahl im Jahr 2016. Grambow: „Es muss dabei herauskommen, dass ohne die SPD im Landkreis nichts geht.“