Nach dem Unglück mit drei Toten in Harburg ist die Feuerwehr sicher: Das Abgassystem der Heizung war kaputt. Manipulation scheint ausgeschlossen zu sein. Einige Verletzte konnten jetzt das Krankenhaus verlassen.
Harburg. Eine Fehlfunktion im Abgassystem der Heizung im Haus Beckerberg Nr. 9 ist die Ursache der schrecklichen Gas-Tragödie von Harburg. Drei Menschen waren dort am Dienstagmittag tot in ihren Wohnungen gefunden worden – sie waren offenbar im Schlaf erstickt. 13 weitere Menschen, auch aus dem Nachbarhaus Nummer 11, wurden teils schwer verletzt. Am Donnerstagmorgen hatten erneut Ermittler des Landeskriminalamts zusammen mit Sachverständigen die Heizungsanlagen beider Wohnhäuser untersucht. Dabei wurde auch festgestellt, wie sich das Kohlenmonoxid über die zwei Gebäude in die Wohnungen ausbreiten konnte. Das Gas ist so tückisch, weil man es weder riechen noch sehen oder schmecken kann. Zunächst war ein Defekt des Schornsteins vermutet worden, der ist jedoch intakt.
Die Polizei hat jetzt bestätigt, dass das Kohlenmonoxid (CO) aus der Zentralheizung im Keller von Haus Nummer 9 ausgeströmt war. Von dort gelangte es in die beiden Erdgeschosswohnungen der Häuser 9 und 11. Bei den Ermittlungen entdeckten Beamte in den Böden der Wohnungen Öffnungen, durch die nachträglich eingebaute Rohre führen. Außerdem sollen die beiden Häuser einst miteinander verbunden gewesen sein. Vermutlich durch Ritzen im Mauerwerk konnte das Gas vom Keller in Hausnummer 9 in den Keller des Nachbarhauses strömen. Dort durchdrang es ebenfalls die Kellerdecke und verteilte sich so im gesamten Haus. Die drei Toten und eine Frau, 28, die durch die Kohlenmonoxid-Vergiftung lebensbedrohlich verletzt ist, hatten die Wohnungen direkt über den Kellern bewohnt.
Ein Sachverständiger der Hamburger Schornsteinfeger-Innung hat am Donnerstagmorgen die Heizungsanlage in Nummer 11 überprüft. Ergebnis: Die Therme läuft störungsfrei. Bei der Gasbrennwertanlage im Keller von Hausnummer 9 stellte der Experte aber fest, dass die Abwasserführung im Kessel unterbrochen war – ein technischer Defekt mit tödlichen Folgen.
„Ich frage mich, wie so etwas passieren konnte“
Üblicherweise kondensieren die bei der Verbrennung entstandenen Abgase, das Kondenswasser wird ins Abwasser geleitet, erklärt Rainer Hoppe, Innungsmeister der Hamburger Schornsteinfeger-Innung. Das Kondensat habe durch den Defekt aber nicht mehr sauber abgeführt werden können. Folge: Das tödliche Gas staute sich in der Heizung und sammelte sich dann im Keller. Wie die Elektronik derart versagen konnte, ist Hoppe ein Rätsel. Zumal die Anlage mit modernsten Sicherheitssystemen ausgestattet sei. „Ich frage mich, wie so etwas passieren konnte, wie eine so moderne Anlage absaufen konnte, warum sie sich nicht automatisch ausgestellt hat“, sagt Hoppe. Rund 160.000 Gasfeuerungsanlagen gebe es in Hamburg. Nie zuvor, in all seinen Berufsjahren nicht, habe er so etwas erlebt. „Bei so einem Unglück müssen schon alle möglichen Dinge schieflaufen“, sagt Hoppe. Die Polizei ermittelt zwar in alle Richtungen, schließt auch ein Fremdverschulden nicht aus. Dass jemand die Anlage manipuliert hat, glaubt Hoppe aber nicht. „So etwas kann nur ein Experte.“ Die von der Polizei beschlagnahmte Heizung soll nun von einem Gutachter Stück für Stück auseinandergebaut und untersucht werden.
Wie viele Stunden die defekte Heizung in Betrieb war und so immer mehr giftiges Gas herauspusten konnte, ist unklar. Es muss eine beträchtliche Menge gewesen sein: Nach dem Leichenfund am Dienstagmittag ermittelte ein Schornsteinfeger in einer Wohnung eine Kohlenmonoxid-Konzentration von 48.000 ppm (Teilchen CO pro Million Luftteilchen) – der Grenzwert liegt bei 1000 ppm. Unmittelbar danach waren die Anlagen in beiden Häusern heruntergefahren worden. Bei einer Messung am Mittwoch stellte die Feuerwehr keine erhöhten Kohlenmonoxid-Werte mehr fest. Die Bewohner der evakuierten Wohnhäuser dürfen nach Ermittlung der Unglücksursache am Freitag in ihre Wohnungen zurückkehren.
Bereits in der Nacht zu Dienstag war die Feuerwehr dreimal zum Beckerberg 9 ausgerückt – Bewohner hatten über Herzrasen, einen Sturz während einer Schwindelattacke und Übelkeit geklagt. Die Symptome waren laut Feuerwehr aber so unterschiedlich, dass die Rettungsassistenten sie nicht mit einer Kohlenmonoxid-Vergiftung in Zusammenhang bringen konnten. Außer ihnen kamen zehn weitere zum Teil schwer verletzte Bewohner ins Krankenhaus, darunter auch ein erst ein Jahr altes Kleinkind. Wie es den Bewohnern im Einzelnen geht, ist unklar. Polizeisprecherin Tanja von der Ahé: „Einige Patienten konnten das Krankenhaus bereits wieder verlassen.“