Landkreis prüft Notunterkünfte für Asylbewerber. Gemeinden sind aufgefordert, weitere Grundstücke und Gebäude zu melden
Winsen . Krisengipfel im Kreishaus: Der Landkreis Harburg hat kürzlich alle Bürgermeister der Städte, Samtgemeinden und Einheitsgemeinden zu einem Gespräch mit dem Verwaltungsvorstand nach Winsen geladen. Anlass für das nichtöffentliche Gespräch war die steigende Zahl von Flüchtlingen, die sich in den vergangenen Wochen nahezu verdoppelt hat. Weil der Kreis statt ehemals 20 jetzt 40 Asylbewerber wöchentlich unterbringen muss, schließen die Verwaltungsvertreter auch eine Einrichtung von Notunterkünften in Turnhallen und Zelten nicht mehr aus. Der Appell an die Bürgermeister fiel entsprechend deutlich aus: Sie sollen nun kurzfristig freie Grundstücke und Gebäude für Asylbewerberunterkünfte ins Kreishaus melden.
„Seit Mitte August weist uns die Niedersächsische Landesaufnahmebehörde wöchentlich 35 bis 40 Asylbewerber zu, die wir in den Gemeinden unterbringen müssen“, sagte Erster Kreisrat Rainer Rempe der Bürgermeisterrunde. „Die drei niedersächsischen Landesaufnahmestellen für die Erstaufnahme in Braunschweig, Bramsche und Friedland sind überfüllt. Darum müssen wir davon ausgehen, dass sich diese erhöhte Quote auf absehbare Zeit nicht verringern wird“, ergänzte Reiner Kaminski, Bereichsleiter Soziales für den Landkreis. Insgesamt rechnet er bis Ende 2015 mit mehr als 2000 neuen Flüchtlingen, die in den 42 Gemeinden des Landkreises ein neues Zuhause finden sollen.
„Wenn wir in den nächsten Wochen keine kurzfristig nutzbaren Unterkünfte für jeweils mindestens 30 bis 120 Flüchtlinge finden, sind unsere Platzkapazitäten bereits in vier Wochen, also Anfang Oktober, komplett ausgeschöpft“, rechnete Kaminski vor. Die Planung und Errichtung neuer Containerwohnanlagen dauere bis zu sechs Monaten, feste Neubauten hätten mindestens ein Jahr Vorlaufzeit.
Mitte September eröffnet der Landkreis für rund 90 Flüchtlinge in Salzhausen und Jesteburg zwei Containerwohnanlagen, die bereits im Frühjahr geplant wurden. Weitere Unterkünfte mit insgesamt rund 120 Plätzen entstehen bis Ende 2014 in den Gemeinden Hollenstedt, Hanstedt und Jesteburg. Seit Anfang 2013 hat der Landkreis insgesamt 40 neue Unterkünfte mit fast 900 Plätzen geschaffen. Doch das reicht für die steigenden Zuweisungen nicht aus, betonte Kaminski.
„Bei der dramatisch wachsenden Zahl an Flüchtlingen müssen wir auch größere Einrichtungen mit mehr als 100 Plätzen sowie Notunterkünfte einplanen“, räumte Reiner Rempe ein. Bislang hatte der Landkreis 58 bis 60 Plätze als Obergrenze für Unterkünfte festgelegt. Doch jetzt werden in allen 42 Gemeinden des Landkreises auch Turnhallen, Gasthöfe oder Schützensäle sowie geeignete Gelände für Zeltlager geprüft, um sie kurzfristig als Notunterkünfte zu nutzen.
„Natürlich wollen wir möglichst keine Turn- oder Schützenhallen, schon gar nicht Zeltlager mit Flüchtlingen belegen“, sagte Rolf Roth, Bürgermeister der Samtgemeinde Elbmarsch, als Sprecher der Bürgermeister des Landkreises. „Aber wenn wir in unseren Ortsgemeinden keine geeigneten Grundstücke oder Immobilien zur Verfügung stellen können, müssen wir auf solche Notunterkünfte zurückgreifen.“ Alle Bürgermeister und die Landkreisführung waren sich einig, dass dringender Handlungsbedarf besteht. Sie betonten, dass die Maßnahmen im vollen Umfang von allen Bürgermeistern mitgetragen und unterstützt werden.
Alle Ortsgemeinden sind aufgefordert, dem Landkreis bis zum 10. September geeignete Flächen und Immobilien sowie Schützen- oder Sporthallen zu melden, die als Notunterkünfte in Frage kommen. „Alle Gemeinden des Landkreises sind gefordert, in dieser schwierigen Situation daran mitzuwirken, kurzfristig Lösungen für die Unterbringung von Flüchtlingen zu finden“, sagte Rempe.
Bürger können ihre Vorschläge für mögliche Geländeflächen oder Immobilien in ihrer Ortsgemeinde melden oder sich damit direkt an den Landkreis wenden. Sobald neue Standorte nach einer zügigen Klärung aller Konditionen mit Vermieter, Gemeinde und Landkreis feststehen, werden Anwohner und Öffentlichkeit möglichst zeitnah durch Landkreis und Gemeinde informiert.
Für Heiner Albers kam die Nachricht aus dem Kreishaus nicht überraschend. „Wenn man aufmerksam das weltpolitische Geschehen verfolgt, ist der Anstieg der Flüchtlingszahl nur logisch“, sagt der Hollenstedter Samtgemeindebürgermeister. Um Möglichkeiten für weitere Unterkünfte auszuloten, habe er für die Bürgermeister aller sieben Mitgliedsgemeinden eine Sitzung einberufen. „Auch wir werden dem Kreis weitere Grundstücke und Gebäude anbieten müssen“, sagt er. Und das, obwohl die Kreisverwaltung den Bürgern im Mai noch öffentlich zugesichert habe, dass in der Containeranlage in der Wohlesbosteler Straße maximal 58 Flüchtlinge untergebracht würden. Albers betont aber, dass die Ankunft von Asylbewerbern auch ein Gewinn für die Gemeinschaft sein könne. „In Appel sind alle bereits gut integriert. Dort gibt es keinerlei Probleme. Diese Botschaft müssen wir weitertragen.“